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Politik: Auf offenem Meer verdurstet Neue Tragödie vor Lampedusa

Rom - Aus den Gewässern zwischen Libyen und der italienischen Insel Lampedusa wird bereits die zweite Flüchtlingstragödie dieser Woche gemeldet. Bis zu hundert Afrikaner, die sechs Tage auf dem Meer getrieben hatten, sollen an den Strapazen gestorben sein.

Rom - Aus den Gewässern zwischen Libyen und der italienischen Insel Lampedusa wird bereits die zweite Flüchtlingstragödie dieser Woche gemeldet. Bis zu hundert Afrikaner, die sechs Tage auf dem Meer getrieben hatten, sollen an den Strapazen gestorben sein. Das berichten andere Flüchtlinge, die am Donnerstagabend von der italienischen Küstenwache aus Seenot gerettet wurden. Die 370 Überlebenden befanden sich an Bord eines Fischerbootes, dem noch in libyschen Gewässern der Motor ausgefallen war. Seit Freitag vergangener Woche trieb das überladene Boot nach diesen Berichten manövrierunfähig dahin. Etliche Dutzend Menschen, darunter viele Frauen, seien an Hunger und Wassermangel gestorben; man habe sie ins Meer werfen müssen, erzählten Überlebende unter Schock.

Italienische Behörden beschuldigen die Nato der unterlassenen Hilfeleistung. Das Innenministerium erklärt, es habe – auf den Notruf eines zypriotischen Frachters hin, der das Flüchtlingsboot am Mittwoch zuerst gesehen hatte – ein Schiff der Nato um Hilfe gebeten. Dieses in den Libyenkrieg eingebundene Schiff sei lediglich 27 Meilen von den Flüchtlingen entfernt gewesen; „die Nato“ habe aber auf den italienischen Alarm in keiner Weise reagiert.

Von der Allianz gab es bis Freitagnachmittag lediglich eine allgemeine Antwort. Die Nato reagiere „immer auf Notfälle, gemäß den internationalen Vorschriften über Hilfeleistungen auf See“, erklärte ein Sprecher des Hauptquartiers in Neapel, ohne aber auf den konkreten Fall einzugehen. Italiens Außenminister Franco Frattini will die Vorgänge jetzt innerhalb der Allianz untersuchen lassen. Gleichzeitig strebt er eine Erweiterung des Mandats für den Libyeneinsatz an: Die Alliierten sollten künftig auch verpflichtet sein, Flüchtlingen zu helfen.

Bei einem ähnlichen Vorfall waren im März 67 Flüchtlinge in libyschen Gewässern umgekommen. Gerettete erzählten, zuerst habe sie ein Hubschrauber unbekannter Nationalität umkreist, drei Tage später sei ein Flugzeugträger in die Nähe gekommen, ohne aber Hilfe zu leisten. Bei der Nato wies man alle Vorwürfe zurück.

Bereits in der Nacht zum Montag waren 25 Afrikaner tot aus einem Boot geborgen worden. Sie waren im Motorenraum zusammengepfercht und, so hieß es zuerst, an Abgasen erstickt. Mittlerweile hat die Polizei Hinweise, dass mehrere dieser Flüchtlinge erschlagen worden sind: Die sechs Schleuser – Marokkaner, Somalier, Syrer – wollten offenbar verhindern, dass die Menschen sich aufs offene Deck retten und das mit 300 Personen überladene Boot zum Kentern bringen. Paul Kreiner

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