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Verpasste Chance: In Athen konnten sich die EU-Innenminister nicht auf eine überarbeitete Datenschutzverordnung einigen.

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Aufgeschobene Reform: Neue EU-Datenschutzregeln kommen erst nach Europawahl

Bei dem EU-Innenministertreffen ist die letzte Chance verstrichen, die Datenschutzreform vor der Europawahl zu verabschieden. Während EU-Kommissarin Reding einen "Aktionsplan" für die Zeit nach der Wahl vorstellt, kritisiert Grünen-Parlamentarier Albrecht die Arbeitshaltung.

Das Zappeion neben den Ruinen des Tempel des Zeus ist ein klassizistisches Prunkstück. Als 1896 in Athen die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit stattfanden, wurde das Gebäude als Wettkampfstätte genutzt. Von solchem Sportsgeist sind die EU-Innenminister, die dort zu einem zweitägigen Treffen zusammengekommen sind, freilich nicht beseelt. Mehr oder weniger kampflos ließen sie am Donnerstag die allerletzte Chance verstreichen, noch vor der Europawahl den Bürgern eine runderneuerte EU-Datenschutzverordnung zu präsentieren.

Politische Einigung für Datenschutzverordnung: fehlgeschlagen

Wohl stand der Reformvorschlag von EU-Kommissarin Viviane Reding,  der seit zwei Jahren auf dem Tisch liegt und im vergangenen Sommer mit den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden neue Dringlichkeit erfuhr, in Athen auf der Tagesordnung. Eine politische Einigung aber, die Voraussetzung dafür gewesen wäre, um sich in den verbleibenden Monaten bis zur Wahl mit dem Europaparlament zu verständigen, wurde erst gar nicht versucht. Die Diskussionen drehten sich nur um Artikel 42, der regelt, unter welchen Bedingungen Unternehmen Daten europäischer Bürger ins Ausland weiterleiten dürfen. Das ist im Lichte der NSA-Spähaffäre natürlich eine der wichtigsten Paragrafen, aber eben nur ein kleiner Teil der für diese Legislaturperiode versprochenen Gesamtlösung.

EU-Kommissarin Reding verweist auf "Aktionsplan"

Erstmals musste die ehrgeizige Kommissarin Reding in Athen daher einräumen, dass sie ihr Großprojekt nicht mehr fertig stellen kann. Zwar verwies die Luxemburgerin auf einen „Aktionsplan“, der nun mit der griechischen EU-Ratspräsidentschaft und den ihr im Juli nachfolgenden Italienern vereinbart worden sei. Diese würden demnach die Verhandlungen mit dem neu gewählten Parlament sofort aufnehmen und, so Reding „die Datenschutzreform noch in diesem Jahr als Gesetz verabschieden können“. Die Christdemokratin aber wäre selbst bei diesem optimistischen Szenario nicht mehr dabei. Ihre Chancen nämlich, von der neuen Luxemburger Mitte-Links-Regierung erneut als Kommissarin ihres Landes ins Rennen geschickt zu werden, tendieren gegen null.

Auch die Bundesregierung blockiert

Gering scheint zudem die Wahrscheinlichkeit, dass Redings neue Zeitvorstellungen zu halten sein werden. „Die Minister wissen nichts von einem solchen Fahrplan“, sagte ein EU-Diplomat am Rande der Sitzung. Dieser hält eine Ministereinigung im Sommer keineswegs für eine ausgemacht Sache hält: „Die Themen sind einfach sehr umstritten, weil die Verordnung in jedem EU-Staat unmittelbar geltendes Recht werden wird.“ Der Grüne Jan-Philipp Albrecht, der als zuständiger Berichterstatter des Europaparlament schon im Oktober eine parteiübergreifende Mehrheit für die Reform organisierte, wirft den Ministern nach zweijährigen Gesprächen ohne Einigung dagegen „Arbeitsverweigerung“ vor: „Einige  Mitgliedstaaten blockieren – unter anderem die Bundesregierung.“ Wie zum Beweis, dass auch Deutschland kein gesteigertes Interesse an der Reform hat, reiste Innenminister Thomas de Maizière erst nach der Datenschutzdebatte an.

Yahoo und Google haben Grund zum Jubeln

Der Parlamentarier Albrecht rechnet nun damit, dass noch „drei bis vier Jahre“ ins Land gehen werden, bis ein neuer Datenschutz greifen könnte – weil die Verordnung selbst eine zweijährige Übergangszeit enthält, damit sich die Unternehmen anpassen können. Das sei „ein Rückschlag im Europawahlkampf“, weil man die Erwartungen der Europäer erneut enttäusche: „Die Einzigen, die Grund zum Jubeln haben, sind Google, Yahoo oder Facebook.“ Tatsächlich hat Peter Fleischer, bei Google für Datenschutz zuständig, kürzlich in seinem Blog die EU-Reform als „wichtigste Gesetzgebung zum Schutz der Privatsphäre weltweit“ bezeichnet. Im selben Atemzug aber erklärte er sie für „tot“.

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