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Die Zahl der Betroffenen steigt, die Reserven der Pflegeversicherung schrumpfen.

© ddp

Politik: Bahrs Privatangelegenheit

Gesundheitsminister will Zusatzvorsorge zur Pflege – die Details sind unklar

Berlin - Noch macht der seit zwei Monaten amtierende Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ein großes Geheimnis um die geplante Pflegereform. Doch in spätestens zwei Monaten will er konkrete Vorschläge vorlegen. Bei den Finanzen ist bislang vor allem eines klar: Die Bürger sollen verpflichtet werden, auch privat für die eigene Pflege anzusparen. Wer auch künftig menschenwürdige Pflege wolle, müsse bereit sein, stärker individuell vorzusorgen, sagt der Gesundheitsminister. Ob auch der Beitrag zur Pflegeversicherung steigen wird, lässt er offen.

Langfristig wird die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich steigen, nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts von derzeit knapp 2,4 Millionen auf etwa 4,4 Millionen im Jahr 2050. Das bedeutet: Die Ausgaben werden stärker steigen als die Beitragseinnahmen. Denn durch die demografische Entwicklung wird die Zahl der aktiven Beitragszahler sinken, während die der Rentner, die mit einem kleineren Alterseinkommen auch geringere Pflegebeiträge zahlen, zunimmt.

Deshalb haben Union und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Kapitaldeckung einzuführen, die „verpflichtend, individualisiert und generationengerecht“ ausgestaltet sein soll. Doch viele Details sind unklar: So gingen die Überlegungen der CSU bislang eher dahin, die privat gezahlten Zusatzbeiträge in einem „Topf“ zu sammeln, aus dem in 20 oder 30 Jahren Pflegeleistungen bezahlt werden können. In der FDP gab es hingegen eher die Idee, eine Art „Pflege-Riester“ einzuführen, also individuelle Policen für jeden Einzelnen.

Über die konkrete Ausgestaltung der Rücklage werde in den nächsten Wochen noch beraten, sagt Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) dem Tagesspiegel. Die Koalition sei sich aber einig, dass erstmals in der Geschichte der Sozialversicherung eine Rücklage gebildet werden solle. Die Zahl der Pflegebedürftigen werde in den nächsten 20 Jahren um mindestens ein Drittel zunehmen. „Es macht Sinn, die dann steigenden Ausgaben auszugleichen, indem wir schon heute Geld auf die hohe Kante legen“, argumentiert Singhammer. Die Koalition müsse außerdem dafür sorgen, „dass die Rücklage vor dem Zugriff des Staates geschützt wird, damit das Geld nicht in schlechten Haushaltszeiten für andere Zwecke verwendet wird“.

Die Sozialverbände warnen die Bundesregierung vor der Einführung einer privaten Zusatzvorsorge. „Das Recht auf gute Pflege darf nicht von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen abhängen“, sagt die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher. Der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, warnt davor, die soziale Pflegeversicherung auf lange Sicht auszuhöhlen.

Ob der Pflegebeitrag von derzeit 2,2 Prozent für Kinderlose und 1,95 Prozent für Versicherte mit Kindern steigen wird, lässt CSU-Mann Singhammer offen. „Wir kennen unsere bisherigen Standpunkte. Nun geht es darum, einen gemeinsamen Weg zu finden.“ Er sei zuversichtlich, dass die Koalition bald einen Kompromiss finden werde. Noch zum Jahresanfang hatte Singhammer vorgerechnet, dass die Beiträge um bis zu 0,5 Prozentpunkte steigen müssten. Sein CDU-Kollege, der Pflegeexperte Willi Zylajew, ging zuletzt sogar von 0,6 Prozentpunkten aus. Denn schließlich hat die Koalition versprochen, demenzkranke Menschen besser zu versorgen und den Begriff der Pflegebedürftigkeit grundlegend zu überarbeiten. „Wir müssen weg von der Minutenpflege. Die Pflegebedürftigkeit sollte stärker danach ausgerichtet werden, wie selbständig die zu Pflegenden sind“, bestätigt Singhammer.

Noch verfügt die Pflegeversicherung über liquide Mittel von 5,1 Milliarden Euro Ende 2010. Doch diese Reserven werden in den nächsten Jahren schrumpfen. Zumal mit der letzten Pflegereform beschlossen wurde, die Leistungen für die derzeit rund 2,4 Millionen Pflegebedürftigen künftig an die Inflation anzupassen. Dass die Leistungen mit den derzeitigen Beitragssätzen bald nicht mehr bezahlbar sind, stellten auch die Wirtschaftsweisen in ihrem letzten Gutachten fest. Die Pflegeversicherung steuere in der mittleren Sicht auf Defizite zu.

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