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Wessen Geld wird die Banken beim nächsten Crash retten? Besucher vor einer Videoleinwand in der neuen EZB-Zentrale in Frankfurt.

© dpa

Banken-Stresstest: Großbanken geschont

Die Bankenprüfung der EZB verschweigt das größte Risiko. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

So viel Gleichklang war lange nicht zwischen den Finanzpolitikern in Frankreich und Deutschland. „Sein Eindruck“ habe sich „bestätigt, dass Deutschlands Banken gut vorgesorgt“ hätten, freute sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Am gleichen Tag kündete auch sein Pariser Kollege Michel Sapin, nun sei „die Solidität von Frankreichs Banken bewiesen“. Genauso triumphierten Notenbanker beider Länder, wie gut es um die von ihnen kontrollierten Geldkonzerne bestellt sei.

Nur bei den üblichen Verdächtigen fanden die Prüfer faule Kredite und Kapitallücken

Auf beiden Seiten des Rheins endete vergangene Woche der mit großem Aufwand betriebene „Stresstest“ der Europäischen Zentralbank (EZB) für Europas 130 Großbanken völlig stressfrei. Nur bei den üblichen Verdächtigen in den Krisenländern des Südens haben die 6000 eigens angeheuerten Prüfer viele verborgene faule Kredite und Lücken in der Kapitalausstattung gefunden. Die zwölf Banken, denen es nach EZB-Messung an Reserven für schlechte Zeiten mangelt, haben in Italien, Griechenland, Zypern und Portugal ihren Sitz. Alles in Ordnung also mit dem Bankensystem in den zwei Kernländern der Euro-Zone? Schön wär’s.

Beim Stresstest waren die Annahmen für den Krisenfall viel zu harmlos

Der vermeintlich harte Test hatte große Lücken. So waren die Annahmen für den Krisenfall zu harmlos. Da unterstellten die EZB-Prüfer einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,7 Prozent im ersten und 2,6 Prozent im zweiten Jahr. Nach dem Lehman-Schock schrumpfte die Wirtschaft aber 2009 gleich um 4,3 Prozent. Auch der im Test unterstellte Börsencrash von 15 Prozent ist unrealistisch. 2008 fiel der Wert der DAX-Konzerne an der Börse um die Hälfte. Noch schwerer wiegt, dass die Tester ausblendeten, wie vernetzt die Banken über die Kreditvergabe untereinander sind. Die Folgen der im Krisenfall unvermeidlichen Panikaktionen, vom Abzug der Gelder bei anderen Banken bis zum Notverkauf von Wertpapieren, kamen im Krisenszenario gar nicht vor.

Die größte Gefahr sind die Megabanken in Frankreich und Deutschland

Damit war der vermeintliche Krisentest gerade so kalibriert, dass die größte Gefahr schön unsichtbar blieb: Die Megabanken in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Spanien sind auch sechs Jahre nach dem großen Knall zu groß, zu komplex und vor allem zu vernetzt, als dass die Staaten sie jemals dem Markt überlassen und in den Bankrott gehen lassen könnten.

Bei einem alternativen Stresstest fiel die Deutsche Bank krachend durch

Wie groß dieses Risiko tatsächlich ist, das messen Fachleute der New York University und des „Center for Risk Management“ in Lausanne anhand eines Krisenmodells, das weit näher an der Realität orientiert ist. Käme es wie dabei unterstellt zu einem Einbruch an den Finanzmärkten wie in 2008, dann wäre die Deutsche Bank das Geldhaus in Europa mit dem größten Loch in der Bilanz. Ihr Eigenkapital würde sofort von den Verlusten verzehrt und sie bräuchte 70 Milliarden Euro, um zu überleben. Dicht dahinter liegen die französischen Geldriesen BNP Paribas und Société Générale. Insgesamt müssten Frankreich zehn und Deutschland 3,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ausgeben, um ihre Geldriesen solvent zu halten.

Noch immer sind Staaten durch die Banken erpressbar

Ursache dafür ist der extrem hohe Kredithebel, mit dem diese Banken noch immer operieren. Für jeden Euro Eigenkapital hat die Deutsche Bank mehr als 30 Euro Schulden und andere Zahlungspflichten. Dieser Hebel vervielfacht die Rendite für die Aktionäre. Aber er wirkt eben auch andersherum und vervielfacht die Verluste. Wenn der Wert ihrer Anlagen nur um drei Prozent verfällt, ist die Bank darum insolvent. Trotzdem können sich die Deutschbanker das Geld billig leihen, weil ihre Gläubiger wissen, dass der Staat sie im Notfall mit Steuergeld freikauft. Den Wert dieser impliziten Staatsversicherung beziffert der Internationale Währungsfonds nur für Europas Großbanken auf bis zu 300 Milliarden Dollar jährlich. Das aber ist das Gegenteil von Marktwirtschaft: Die Manager und ihre Aktionäre sind verantwortlich, aber für ihre Fehler müssen sie nicht haften.

„Keine Bank“ dürfe mehr „so groß sein, dass sie wieder Staaten erpressen kann“, versprach Kanzlerin Angela Merkel darum im September 2009. Dies sei „der wichtigste Punkt.“ Doch genau an dieser Tatsache haben sie und ihre Partner in Paris und Frankfurt bis heute nicht gerührt. Die „schmerzhaften Strukturreformen“, die sie Arbeitnehmern und ihren Sozialsystemen so gerne verordnen, mochten sie ihren nationalen Bankenchampions nicht zumuten. Das sicherte ihnen zwar vorerst die Loyalität der Weltenlenker an den Kapitalhebeln. Doch der Preis dafür wird beim nächsten Crash unbezahlbar.

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