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Die Angeklagte Beate Zschäpe am Mittwoch im Gericht.

© dpa

Beate Zschäpe sagt im NSU-Prozess aus: Viele Worte, keine Taten

Beate Zschäpe redet, aber was sie sagt, hilft niemandem - wahrscheinlich nicht mal ihr selbst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Ich war es nicht, die Männer sind es gewesen. Darin erschöpft sich, im Wesentlichen, die lang erwartete Aussage von Beate Zschäpe im NSU-Prozess, jenem Mammutverfahren, in dem sich alles um sie dreht: ein Heer von Nebenklägern, eine Riege Verteidiger, eine Horde Presseleute und halb Deutschland an Radio, Fernsehen, Internet. Der Prozess gegen Zschäpe hat sich dank des neuen Skripts endgültig vom Schuldfeststellungsverfahren zum Drama erweitert, mit einer Angeklagten, die sich darin als Hauptfigur und Regisseurin sieht.

Die Unschuld von Beate Zschäpe als gültige Fiktion

Geständnis, Reue, Aufklärung – an diesen Maßstäben misst das Publikum die nach den Worten ihrer neuen Anwälte nunmehr zwingende Einlassung der Angeklagten, und sie produziert damit, wie konnte es anders sein, Enttäuschung. Zweieinhalb Jahre nach Verlesung der Vorwürfe bricht die Protagonistin ihr Schweigen, unter dem Eindruck einer Beweisaufnahme, die ihre Beteiligung an den Mordtaten wie Puzzlestücke zusammensetzt. Nun greift Zschäpe zum Pinsel und möchte das in kleinteiliger Arbeit mühevoll entstehende Bild großflächig übermalen. Sie selbst als Opfer – irgendwie verführt, hingerissen, ängstlich.

Es gibt noch kein Urteil, und die Unschuld der Angeklagten bleibt eine gültige Fiktion bis zu ihrer Widerlegung, aber es ist absehbar, dass ihr Zutun kaum jene Muster überdecken kann, die nach langen Zeugenverhören erkennbar wurden. Darin spielt Zschäpe eine andere Rolle als die, die sie sich nun schreibt. Sie will vor allem passiv gewesen sein, tatenlos; ein Leben mit Mördern im Untergrund und auf der Flucht, tatenlos; von den Morden geschockt, den Waffen entsetzt, aber: tatenlos. Wer tatenlos ist, kann keinen Tatbeitrag leisten.

Wer redet, muss sich Fragen stellen

Taktik? Wenn es mal eine wäre. Zschäpe ist nicht die erste Angeklagte, die reden will und besser schweigen sollte, obwohl Indizien gegen sie sprechen. Reden bedeutet, Einfluss zu nehmen. Eine Regel, die oft gilt, nur im Strafprozess läuft sie leer. Hier ist Schweigen eine Festung, die Anklage und Gericht einnehmen müssen. Wer redet, lässt die Zugbrücke runter. Er macht sich angreifbar, gibt das Recht auf, wonach einem Schweigen nicht zum Nachteil ausgelegt werden darf. Wer redet, muss sich Fragen stellen. Mehr als ihre Aussage erzählt daher die mangelnde Bereitschaft Zschäpes, dies vor aller Augen und Ohren im Gerichtssaal zu tun; dann wäre sie ausgeliefert. Eine Situation, die sie scheut.

Der anwaltliche Rat, den Mund zu halten, war deshalb ein guter. Die andere Möglichkeit in solchen Fällen ist meist ein Geständnis, das diese Bezeichnung verdient und mit einem Strafrabatt aufgerechnet zu werden pflegt. Der Mittelweg, den Zschäpe und ihre neuen Verteidiger nun gewählt haben – gefühlige Opferworte, Bedauern des eigenen traurigen Vorlebens plus Niedabeigewesensein und Nichtsgewussthaben, wenn Strafrelevantes geschah – lässt Zuschauer ratlos, empört die Angehörigen und sagt dem Gericht womöglich mehr, als der Angeklagten lieb sein kann.

Ein Verfahren mit wenig Aufklärung

Richter sind in der Beweiswürdigung frei, sie müssen nur begründen können, welche Schlüsse sie ziehen. Was Zschäpes Manöver schließlich nutzt, ob es ihr eher schadet, in den Urteilsgründen wird davon zu lesen sein. Zwingend ist deshalb nichts an der Einlassung. Vielmehr spricht unter anderem ihr neuerdings sehr zugewandter Auftritt dafür, dass nicht Zschäpe ihren neuen Anwälten folgt, sondern diese ihr.

Den Richtern eine Mandantin zu schildern, die im Schatten von zwei Brutalos verschüchtert durchs illegale Leben huscht, um am Ende die letzte Bleibe in einer Weise zu vernichten, die nicht allein Beweismitteln gegolten haben kann – das erfordert ein Kalkül, in dem das weitere Schicksal der Angeklagten fast egal geworden ist.

Nun mag Zschäpe für vieles verantwortlich gemacht werden, nicht jedoch für die Frustrationen, die ihr Prozess mit sich bringt. Sie will für sich retten, was zu retten ist in einem Verfahren, das mit Erwartungen überfrachtet wurde, das nur wenig Aufklärung bieten wird und von dem für alle Beteiligten zu hoffen ist, dass es absehbar ein Ende haben wird.

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