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Eine Ärztin hört eine Patientin ab. Wer Ärger mit Arzt oder Krankenkasse hat, für den ist die Unabhängige Patientenberatung eine wichtige Anlaufstelle.

© Frank May/pa/ dpa

Bei Ärger mit Arzt oder Krankenkasse: Unabhängigkeit der Patientenberatung ist in Gefahr

Ende dieses Jahres läuft der Vertrag mit dem bisherigen Anbieter der Unabhängigen Patientenberatung aus. Der Auftrag soll nun offenbar an einen privaten Anbieter vergeben werden - dessen Unabhängigkeit ist aber umstritten.

Wenn Versicherte Ärger mit ihrem Arzt oder der Krankenkasse haben, ist das ein Fall für die Unabhängige Patientenberatung (UPD): Seit 2006 ist die Beratungsstelle dafür da,  Patienten über ihre Rechte aufzuklären.  Etwa wenn der Arzt den Einblick in die Patientenakte verweigert. Oder  wenn die Krankenkasse die Kosten für eine Psychotherapie nicht übernehmen will. Die UPD hilft auch, wenn der Zahnarzt eine zu hohe Rechnung gestellt hat. Rund 80 000 Menschen holen sich hier jährlich Rat, telefonisch oder in persönlichen Gesprächen. 

Die Beratung soll neutral und unabhängig von Interessengruppen im Gesundheitswesen sein. Doch seit einigen Wochen wird hinter den Kulissen heftig gestritten, ob dies auch in Zukunft noch garantiert werden kann. Ende dieses Jahres endet der Vertrag mit dem bisherigen Anbieter, zu dem die  Verbraucherzentralen, der Sozialverband VdK und der Verbund unabhängige Patientenberatung gehören. Ab 2016 wird der Auftrag für insgesamt sieben Jahre neu vergeben. Ein lohnendes Geschäft: Insgesamt geht es  um  63 Millionen Euro aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung. 

Für Ärger sorgt nun, dass der Spitzenverband der Krankenkassen, der gesetzlich zur Finanzierung der UPD verpflichtet ist,  den Auftrag offenbar an einen privaten Anbieter vergeben will: die Duisburger Firma Sanvartis, ein Dienstleister im Gesundheitsbereich, der in Deutschland Callcenter für Krankenkassen und Pharmafirmen betreibt. Auf seiner Homepage gibt das Unternehmen an, dass jeder dritte Deutsche, der bei seiner gesetzlichen Krankenkasse anrufe, bei einem Mitarbeiter von Sanvartis lande.

Kritiker sehen hier einen deutlichen Interessenkonflikt. Im Auftrag der Kassen tätig zu sein, vertrage  sich nicht damit, Patienten neutral über ihre Rechte zu informieren. So machte die UPD in der Vergangenheit unter anderem darauf aufmerksam, dass Versicherte im Krankengeldbezug von ihrer Krankenkasse unter Druck gesetzt wurden, sich wieder arbeitsfähig zu melden. „Viele Ratsuchende werden das Vertrauen in die Patientenberatung verlieren, wenn sie erfahren, dass die Beratungsstelle, die sie beispielsweise in Konflikten mit der Krankenkasse unterstützen soll, gleichzeitig selbst für Krankenkassen tätig ist“, fürchtet etwa die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink. „Damit wird das ganze Konzept einer unabhängigen Patientenberatung hinfällig.“

Der Fall liegt jetzt zur Prüfung beim Kartellamt

Offiziell ist noch nichts entschieden. Doch nach Informationen des Tagesspiegel hat die  Bietergemeinschaft, die bisher die UPD organisiert,  im Juli von der Vergabestelle des GKV-Spitzenverbands die Nachricht erhalten, dass der Zuschlag an Sanvartis gehen solle. Jetzt liegt der Fall zur Prüfung beim Kartellamt, die bisherigen UPD-Betreiber monieren Verstöße gegen das Vergaberecht. Mit einer Entscheidung wird im  August gerechnet.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler attackiert in der Angelegenheit nun auch den Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU). Mit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2014 wurden dessen Mitwirkungsrechte bei der Mittelvergabe verbessert, so dass er schon  bei der Wahl des Vergabeverfahrens und der Erarbeitung des Vertragsentwurfs mitwirken konnte, auch die Vergabe erfolgt im Einvernehmen mit ihm. Gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband wählte Laumann  ein europaweites Ausschreibungsverfahren, auch wenn dieses  nicht vorgeschrieben gewesen wäre. Angesichts der Höhe der Fördersumme biete dieses „ein größtmögliches Maß an Transparenz“, heißt es zur Begründung in der Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Vogler.

Das Gesundheitsministerium will sich zur Vergabe nicht äußern

Doch die Linken-Politikerin zweifelt genau dies an. Schließlich verweigert das Gesundheitsministerium unter Verweis auf das „streng vertrauliche Verhandlungsverfahren“ nähere Auskünfte zu der geplanten Vergabe. „Was die Bundesregierung als Transparenz bezeichnet, behindert öffentliche Kontrolle“, kritisiert Vogler. „Die Übertragung von 63 Millionen Versichertengelder an gewinnorientierte Investoren soll so vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben.“ Laumann werde so zum „Anti-Patientenvertreter“.

Nach Ansicht der Linken-Politikerin wäre es „eine strikte Notwendigkeit“,  gewerbliche, gewinnorientierte Anbieter nicht zum Zuge kommen zu lassen, „damit sie sich nicht auf Kosten der Sozialversicherung bereichern“. Eine Befürchtung, welche die  Bundesregierung offenbar nicht teilt.  Die zu fördernde Beratungsaufgabe sei „nicht auf das Erwirtschaften von Gewinn ausgerichtet“, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage. Doch daran hat auch die bisherige Anbietergemeinschaft Zweifel. In der Rüge des Vergabeverfahrens, die dem  Tagesspiegel vorliegt, heißt es, im ersten Angebot von Sanvartis sei ein Gewinn in Höhe von rund 500 000 Euro ausgewiesen worden.  Im finalen Angebot solle dann von einem Gewinn nicht mehr die Rede gewesen sein. Allerdings habe dies nicht zu einem „Mehr“ an Quantität oder Qualität der Beratungsleistungen geführt, sondern der Preis für innerhalb der Unternehmensgruppe einzukaufende Leistungen solle um diesen Gewinnbetrag erhöht worden sein. „Dadurch wird der Anfall des Gewinns verschleiert“, heißt es.

Sanvartis selbst will  zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen. Es gehöre nicht zur Geschäftspolitik, sich zu laufenden Vergabeverfahren zu äußern, lässt Geschäftsführer Linus Drop mitteilen. Auch beim GKV-Spitzenverband heißt es, man wolle die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt abwarten. Verbandschef Gernot Kiefer versicherte vor  kurzem lediglich, es solle  auch künftig eine Patientenberatung geben, die „fachlich fundiert sowie neutral und unabhängig berät“.

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