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BER-Eröffnung: Welche Konsequenzen hat das Flughafendesaster?

Das Desaster am neuen Großstadtflughafen BER erreicht nun mit aller Wucht die Politik. Der Flughafen wird nicht nur später fertig, sondern auch deutlich teurer als gedacht. Noch immer gibt es viele offene Fragen.

Die Verschiebung der Eröffnung des neuen Berliner Flughafens BER ist nicht nur für die Region Berlin-Brandenburg ein großer Imageverlust, er wirkt sich auf das Ansehen des gesamten Wirtschaftsstandorts Deutschland aus. Darin sind sich die meisten Politiker einig. Jetzt drängen alle darauf, dass der Airport möglichst bald startet.

Ist der nun avisierte Eröffnungstermin im August realistisch?

Der August wird zwar immer mal wieder genannt, aber viele Beteiligte haben große Zweifel, ob alle Probleme bis dahin wirklich gelöst sind. Im Bundesverkehrsministerium will man sich noch nicht einmal festlegen, ob es noch in diesem Jahr etwas wird. Und auch vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages, bei dem Flughafenchef Rainer Schwarz und der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Rainer Bomba Rede und Antwort stehen mussten, wollte keiner der beiden einen Zeitraum nennen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der 3. Juni, wie sich nun herausgestellt hat, schon ambitioniert war, wissen alle, dass ein erneutes Verschieben oder ein Start mit vielen Problemen den Ruf endgültig ruinieren würde. Rainer Schwarz gibt sich zumindest, was die Verkündung des Termins angeht, optimistisch. „Wir hoffen, Anfang nächster Woche den neuen Eröffnungstermin bekannt geben zu können“, sagte er am Mittwoch beim „Tag des Tourismus 2012“ in Berlin vor Branchenvertretern. Aber selbst da zeigten sich einige Ausschussmitglieder skeptisch, ob diese Ansage zu halten sein wird.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat öffentlich eine Eröffnung im August gefordert. Doch auch innerhalb seiner Regierung gibt es Zweifel, ob dies zu schaffen ist. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) nannte diesen Zeitplan „ambitioniert“. Im Vorfeld sei man davon ausgegangen, dass Teilsysteme am Flughafen nicht funktionieren. „Jetzt hat sich herausgestellt: Das System als Ganzes funktioniert nicht“, sagte er.

Wie entwickeln sich die Kosten?

Bisher war die Rede davon, dass der neue Flughafen 2,5 Milliarden Euro kosten werde. Es handelt sich damit finanziell um das größte Infrastrukturprojekt Europas, für das der Bund und die beiden beteiligten Länder bisher Kredite von 2,4 Milliarden Euro aufgenommen haben. Sieben Banken stellen 1,4 Milliarden Euro bereit, eine weitere Milliarde kommt von der Europäischen Investitionsbank (EIB). Von Insidern heißt es nun allerdings, noch vor der Verschiebung des Eröffnungstermins seien Mehrkosten von 350 Millionen Euro absehbar gewesen, die nur zu einem geringen Teil durch die Erweiterungsbauten zu erklären sind. Mindestens diese Mittel werden die Eigentümer demnach nachschießen und finanzieren müssen – und obendrein alle Kosten der Verschiebung, die sich nicht abwälzen lassen. Auch bei wohlwollendster Überschlagsrechnung kommt so eine Summe von an die drei Milliarden Euro heraus und damit ein Viertel mehr, als der bisherige Finanzrahmen hergibt.

Aber auch wegen des Schallschutzes drohen die Kosten aus dem Ruder zu laufen. Erst 1000 von 24 000 Wohnungen haben Schallschutzfenster. Das Programm wurde zwar jüngst um 17 Millionen Euro auf knapp 150 Millionen Euro aufgestockt. Doch das ist immer noch viel zu wenig. Der Flughafen hat beim Potsdamer Verkehrsministerium am 18. April 2012, wenige Wochen vor der geplanten Eröffnung, eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses beantragt, um im sogenannten Tagschutzgebiet – mit 14 000 Wohnungen – billigere Schallschutzmaßnahmen realisieren zu dürfen. Wenn der Antrag nicht genehmigt wird, was das Verkehrsministerium bereits signalisiert hat, kommen auf den Flughafen nach dem eigenen Antrag bislang nicht eingeplante Zusatzkosten für Lärmschutzmaßnahmen und Entschädigungen in Höhe von 297 Millionen Euro zu.

Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sagte zu möglichen Kosten der Verschiebung: „Das ist im Moment noch nicht bezifferbar.“ Zunächst würden die Mehrkosten die Flughafengesellschaft belasten. Deren Eigentümer – der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg – wären nach Einschätzung der stadtentwicklungspolitischen Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, aber mittelbar auch betroffen. „Das kostet Berlin die Zentral- und Landesbibliothek.“ Deren Neubau auf dem Tempelhofer Feld gilt als persönliches Prestigeprojekt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Die Bibliothek soll rund 250 Millionen Euro kosten.

Welche politische Konsequenzen hat die Verschiebung?

Wie reagiert der Bund als Anteilseigner auf das Debakel am Flughafen?

Ihr Hauptverantwortlicher in dieser Angelegenheit, Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), will erst mal gar nicht großartig reagieren. Ein dürres Statement am Dienstag, als die Verschiebung bekannt wurde, mehr ist von Ramsauer nicht zu hören. Der Minister wolle erst mal abwarten, heißt es. Vermutlich will er sich zunächst ein Bild machen, was überhaupt passiert ist. Denn allem Anschein nach wusste er entweder bis Dienstagfrüh noch nichts von der Blamage, oder er hat es nicht als ein Ereignis besonderer Dramatik erkannt, obwohl Wowereit und auch Staatssekretär Bomba am Montagabend bereits von der Verschiebung wussten.

Im Verkehrsausschuss erregte man sich insbesondere über die Kurzfristigkeit der Verschiebung, vor allem weil Probleme mit dem Brandschutz bereits seit längerem bekannt waren. Teilnehmer der nicht öffentlichen Sitzung berichten davon, dass Bomba und Schwarz vor allem betont hätten, dass so eine Verschiebung bei einem Großprojekt schon mal passieren könne. Insbesondere der Ausschussvorsitzende Anton Hofreiter (Grüne) zeigte sich verärgert und sprach von einer „Missachtung des Ausschusses“. Er spottete: „Dass die beiden die Abgeordneten immer wieder darauf hingewiesen haben, dass es sich bei BER um ein Großprojekt handelt, verblüffte alle. Schließlich dachten wir, es handele sich um ein Einfamilienhaus.“

Wird die Verschiebung der Flughafeneröffnung politische Konsequenzen haben?

Das hängt maßgeblich davon ab, wer letztlich die Verantwortung für die neuerliche Verschiebung übernehmen muss. Im politischen Raum schielen einige jetzt Richtung Flughafenchef Rainer Schwarz. Aber Rücktrittsforderungen an Platzeck, Wowereit und Co. sind bisher kaum und wenn, dann nur verhalten zu vernehmen. Wer von den Großen sollte auch ernsthaft Rücktrittsforderungen erheben? Die SPD kann schlecht den Rücktritt von Ramsauer fordern, da sie mit zwei Ministern selbst maßgeblich beteiligt ist. Umgekehrt kann die CDU nicht Wowereit oder Platzeck für unfähig und nicht haltbar erklären, weil CSU-Minister Ramsauer auch mitbeteiligt ist. Interessanterweise sind es vor allem die FDP- und CDU-Verkehrspolitiker, die zwar nicht offen, aber hinter vorgehaltener Hand vor allem das Verkehrsministerium kritisch in den Blick nehmen.

In Brandenburg schießt sich indes die Opposition aus CDU, FDP und Grünen im Landtag auf Ministerpräsident Platzeck und die anderen Landesvertreter im BER-Aufsichtsrat ein. Der Vorwurf: Sie hätten ihre Kontrollpflicht vernachlässigt. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), der den BER-Projektausschuss leitet, wies dies zurück: „Aufsichtsräte sind keine Bauleiter.“ Über die dramatische Entwicklung sei der Aufsichtsrat nicht von der Geschäftsführung informiert worden, obwohl nach der letzten Verschiebung 2010 die „Prüfintensität deutlich ausgeweitet“ worden sei.

Brandenburgs Regierung hat ein Auswechseln des BER-Managements erwogen, aber verworfen. Es gibt erste Forderungen nach einer Sondersitzung des Landtages und nach einem Untersuchungsausschuss. Während Wowereit am Donnerstag im Abgeordnetenhaus eine Regierungserklärung geben will, plant Platzeck eine solche bislang nicht.

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