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Bekommt Druck aus der eigenen Partei: Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© imago/Metodi Popow

Update

"Berliner Kreis": Rechter CDU-Flügel greift Merkels Klimapolitik an

Christdemokraten machen den Trump: Der konservative "Berliner Kreis" beklagt eine "moralische Erpressung" und fordert eine Abkehr vom Zwei-Grad-Ziel des Pariser Abkommens.

Kurz nach der Abkehr der USA vom Klimaschutzabkommen hat eine Gruppe von Konservativen in der CDU einem Medienbericht zufolge einen Kurswechsel in der deutschen Klimapolitik gefordert - und damit die Kanzlerin unter Druck gesetzt. Nötig sei ein Ende der „moralischen Erpressung“ durch die Forschung und der „Abschied von deutschen Sonderzielen“ bei der Bekämpfung der Treibhausgase, heißt es in einer Erklärung des „Berliner Kreises“ in der CDU. Zuerst hatte das ARD-Hauptstadtstudio darüber berichtet.

Die Autoren wenden sich gegen einen einseitig negativen Blick auf die Folgen der Erderwärmung. So seien „die mit dem Schmelzen des polaren Meereises verbundenen Chancen (eisfreie Nordpassage, neue Fischfangmöglichkeiten, Rohstoffabbau) vermutlich sogar größer als mögliche negative ökologische Effekte“. Eine "solitäre Rolle des Treibhauseffekts" als Ursache des Klimawandels sei "unwahrscheinlich". Zu den Verfassern gehören etwa der Berliner Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld und seine Düsseldorfer Fraktionskollegin Sylvia Pantel.

US-Präsident Donald Trump hatte den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen am Donnerstag verkündet und dies mit einer stärkeren Berücksichtigung von US-Interessen begründet. International war sein Schritt scharf kritisiert worden. Auch Angela Merkel erklärte, an der Übereinkunft festzuhalten. "Wir brauchen dieses Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren", sagte sie am Freitag. Ziel des Abkommens ist es, die Erderwärmung durch eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen auf unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Das Zwei-Grad-Ziel ist aus Sicht der Autoren „realistisch nicht mehr erreichbar“. Deshalb sei es der falsche Weg, die Lücke durch „aggressive politische Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgase“ noch schließen zu wollen. Das sei „selbst in Deutschland politisch kaum noch durchzusetzen und würde sicherlich auch zu massiven sozialen Verwerfungen führen“. Statt eine Milderung des Klimawandels anzustreben, müsse die Politik vor allem die Anpassung an dessen Folgen in den Blick nehmen.

Der Weltklimarat als "Weltrettungszirkus"?

In dem sechs Seiten langen Papier (hier ein PDF auf Lengsfelds Website) setzen sich die Konservativen auf vielen Ebenen mit der Klimapolitik auseinander. Ein wiederkehrender Vorwurf besteht darin, dass sie die aktuelle Politik für ideologisch gefärbt und unsachlich halten. "Die Öffentlichkeit hat eine objektiver geführte Debatte über die Klima- und Energiepolitik verdient", schreiben sie gleich in ihrem ersten Punkt. "Wissenschaft darf nicht von der Politik instrumentalisiert werden." Klimaforschung dürfe "nicht zu einer Glaubensfrage werden und auch nicht zu einer Arena ideologischer Auseinandersetzungen".

Zentrale Kritik richtet sich gegen den Weltklimarat IPCC. Dieser habe sich "zu einer einflussreichen polit-medial-wissenschaftlichen Supermaschinerie entwickelt", aber sei "beileibe nicht so wissenschaftlich, wie es für ein Beratungsgremium notwendig wäre", behauptet der "Berliner Kreis" in seinem Positionspapier. "Wissenschaft darf aber nicht zu einer Art ‚Weltrettungszirkus‘ werden." "Wissenschaftler müssen mögliche Doppelrollen als Forscher und Aktivisten klar trennen."

Bei den Folgen bleibt das Papier vage

An der deutschen Klimapolitik monieren die Verfasser, dass sie weder Innovationen fördere, noch volkswirtschaftlich erfolgreich sei, weshalb sie nicht als Vorbild dienen könne. Daraus leiten sie die Forderung nach einer Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und einem Stopp des "unkontrollierten Ausbaus" von Wind- und Solarenergie ab, um niedrige Strompreise und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Darüber hinaus wehren sich die Konservativen gegen eine "ideologische Verdammung" der Atomkraft (auch wenn sie am Ausstieg nicht rütteln wollen) sowie moderner Kohle- und Gaskraftwerke. Ordnungspolitisch wünschen sich die "Berliner" mehr Markt und weniger Staat - zugleich plädieren sie für europäische Maßnahmen anstelle eines deutschen Alleingangs.

Vage bleibt das Papier jedoch, wenn es darum geht, wie Klimapolitik künftig gestaltet werden soll. Als mögliches Regulativ nennen die Christdemokraten einen weltweiten Preis für oder eine Besteuerung von Treibhausemissionen, gestehen aber zugleich ein, dass sich das nur schwer umsetzen ließe. Wie eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels aussehen könnte, also die konkrete Umsetzung des von ihnen geforderten Paradigmenwechsels, bleibt ebenfalls offen.

Hendricks für Kooperationen mit US-Bundesstaaten

Sozialdemokraten und Grüne unterstrichen unterdessen am Samstag ihre Ablehnung des amerikanischen Ausstiegs aus dem Pariser Abkommen. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz sprach im „Spiegel“ von einem „sehr kurzfristigen Kalkül“, das Trump bei seiner Entscheidung leitete. Der US-Präsident sei ausgestiegen, weil er Umweltstandards für US-Produkte senken und billiger produzieren wolle. „Es wird nicht aufgehen, weil Trump so eine große Chance zur Modernisierung der amerikanischen Industrie verpasst“, so Schulz. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kündigte im Interview mit "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" an, nun stärker auf Partnerschaften mit einzelnen US-Bundesstaaten zu setzen.

Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt warf der Bundesregierung Versäumnisse in der Klimaschutzpolitik vor. Der CO2-Ausstoß sei in Deutschland noch immer so hoch wie im Jahr 2006, sagte Göring-Eckardt dem Deutschlandfunk. "Das ist eine gravierend schlechte Bilanz." Nur durch einen konsequenten Ausstieg aus der Kohleenergie könnten die deutschen Klimaziele erreicht werden.

Grüne fordern notfalls deutschen Alleingang beim Kohleausstieg

Gemeinsam mit Ko-Spitzenkandidat Cem Özdemir forderte Göring-Eckardt in einem Gastbeitrag für "Spiegel Online" von der Kanzlerin mehr Einsatz beim Klimaschutz. "Wir können nicht warten, bis Trump umschwenkt, wenn das Wasser bis zum Keller des Trump-Towers steht oder sein Ferienresort Mar-a-Lago absäuft." Deutschland habe "unter Merkel acht Jahre nichts getan."

Die Bundesregierung müsse "auf der europäischen Ebene aktiv werden und eine Klimaunion für Europa starten", forderte das Grünen-Spitzenduo. Merkel müsse den G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg nutzen, um den "Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung und die Einführung eines europäischen CO2-Mindestpreises zu verkünden". Notfalls müsse Deutschland hier auch allein vorangehen.

Özdemir nannte die konservativen Christdemokraten in einer ersten Reaktion auf das Positionspapier bei Twitter denn auch "Mini-Trumps". (mit dpa)

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