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Rede und Antwort. Innenminister Friedrich stellt sich der Presse – weil er will, aber auch, weil er muss. So galt es bisher. Doch jetzt zweifelt auch das Bundesverwaltungsgericht an, ob das Berliner Landespresserecht wirklich dazu verpflichtet. Foto:Thomas Peter/Reuters

© REUTERS

Wegweisendes Urteil: Bleibende Fragen zum Auskunftsrecht der Presse

Wie Juristen von Minister Hans-Peter Friedrich vor Gericht das Presse-Auskunftsrecht stutzen wollen.

Zuletzt traf es Peer Steinbrück, oder besser: das Ministerium, dem er einst vorstand. Das Bundesfinanzministerium sollte einem Journalisten Auskunft darüber geben, welche Beraterhonorare es an eine Anwaltskanzlei gezahlt hatte, bei der der heutige SPD-Kanzlerkandidat später als Redner auftrat. Die Behörde von Minister Wolfgang Schäuble (CDU) weigerte sich, wurde aber im Dezember in einem Eilverfahren vom Berliner Verwaltungsgericht zur Auskunft verurteilt. Der Journalist hatte das Recht auf seiner Seite, in solchen Fällen ist es regelmäßig das Berliner Landespressegesetz. Demnach sind Behörden verpflichtet, Journalisten Auskünfte zu erteilen.

Freiwillig und zu angenehmen Themen reden die Ministerien gerne. Doch bei der Recherche harter Fakten muss man manchmal streiten. Nach dem Willen des Innenministeriums soll es nun für Bundesbehörden vorbei sein mit der presserechtlichen Auskunftspflicht – und das Bundesverwaltungsgericht könnte dem folgen. Am 20. Februar urteilen die Leipziger Richter über das Auskunftsersuchen eines Journalisten gegen den Bundesnachrichtendienst. Er will wissen, wie viele von dessen früheren Mitarbeitern durch eine Nazi-Vergangenheit belastet waren. Der BND hatte die Anfrage schleifen lassen und verteidigt sich nun damit, die Antwort verlange zu viel Aufwand. Zur Aufarbeitung der Vergangenheit sei eine Historikerkommission beauftragt.

Wie das Gericht jetzt mitteilte, soll in dem Verfahren neben diesen Problemen jedoch auch grundsätzlich zu klären sein, ob Bundesbehörden überhaupt durch landesrechtliche (Presse-)gesetze zur Auskunft verpflichtet werden können. Sprecher Wolfgang Bier sagte, dass es gegen den föderalen Aufbau der Bundesrepublik verstoßen könne, wenn Bundesbehörden gezwungen wären, Landesgesetze zu vollziehen. Eine nicht nur für Journalisten, sondern auch für juristische Praktiker überraschende Ansicht: Bisher haben die Gerichte diese Ansprüche unterstützt, wenn es Streit gab. Fielen sie weg, wäre die Möglichkeit, in Bundesbehörden an Informationen zu kommen, erheblich eingeschränkt. Das beträfe nicht nur Kanzleramt und Ministerien, sondern auch etwa Präsidialamt, Kartellamt oder Bundesrechnungshof. Ein deutlicher Rückschritt in Sachen Transparenz.

Der überraschende Vorstoß kommt aus dem Innenministerium von Minister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dort angesiedelt ist der „Vertreter des Bundesinteresses“ in Rechtsstreitigkeiten vor dem höchsten Verwaltungsgericht, der auch an dem BND-Verfahren beteiligt ist. In seiner Stellungnahme zu dem Verfahren, die im Wesentlichen von der Verfassungsabteilung in Friedrichs Ministerium diktiert wurde, kommen Journalisten schlecht weg, wenn sie vom Bund Informationen wollen. Nicht nur entfalle der Anspruch nach dem (Berliner) Landespressegesetz – das es wortgleich oder ähnlich in allen Bundesländern gibt –, sondern es gebe auch nach dem Grundgesetz kein einklagbares Auskunftsrecht.

Der Berliner Anwalt des in Leipzig klagenden Journalisten, Christoph Partsch, spricht von einer „rechtspolitischen Bombe“. Schließen sich die Richter der neuen Auffassung an, könnten Journalisten Auskünfte vom Bund nur noch nach dem 2006 erlassenen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) verlangen. Dieser Weg ist komplizierter, das Gesetz enthält viele Ausnahmen, auch für den BND; Eilverfahren, wie sie bei Recherchen zu aktuellen Themen nötig werden, etwa im Steinbrück-Fall, gehören hier noch nicht zur anerkannten Praxis der Gerichte. Ohnehin ist die Rechtsprechung bisher dürftig. Mitunter gilt es in den Ministerien, etwa im Justizministerium, auch als Affront, wenn Journalisten neben Anfragen auch noch IFG-Anträge stellen.

Dass die Leipziger Richter in ihrem Urteil doch noch ein Verfassungsrecht auf Information durch staatliche Stellen erkennen, dürfte unwahrscheinlich sein; bisher hatte das Gericht dies immer abgelehnt, und auch das Bundesverfassungsgericht, das der Kläger nach einer Niederlage noch anrufen könnte, hat wenig Neigung in diese Richtung gezeigt.

Die Stellungnahme vom „Vertreter des Bundesinteresses“ könnte in Leipzig dagegen auf fruchtbaren Boden fallen. Das zwölfseitige Gutachten beruft sich auf einen Aufsatz des Rechtswissenschaftlers Jan Hecker, den dieser 2006 in einer Fachzeitschrift veröffentlicht hatte. Darin wendet sich der Jurist gegen die herrschende Auffassung im Presserecht und die Urteile des Berlin-Brandenburger Oberverwaltungsgerichts dazu.

Hecker ist Professor an der Europa-Universität in Frankfurt/Oder – und seit 2011 selbst Richter am Bundesverwaltungsgericht. Dort gehört er genau jenem Senat an, der jetzt über die Pressesache entscheiden muss. Und im Bundesinnenministerium, das die Hecker-Linie in dem Rechtsstreit vorgegeben hat, ist der Wissenschaftler ebenfalls gut bekannt. Er war vor seiner Richterernennung dort zwölf Jahre als Beamter tätig.

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