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Blogger in Aserbaidschan: 17 Monate Haft für Satire

Blogger in Aserbaidschan wurden 17 Monate inhaftiert, weil sie in einem Video die Regierung für die Verschwendung der Öleinnahmen verspotteten.

Die zwei jungen Männer sind auf dem kurzen Videoclip nur schemenhaft im Dunkeln zu erkennen. Plötzlich werden sie von grellem Licht geblendet, sind erst unscharf, dann deutlich zu sehen. „Wir sind zurück“, heißt es in dem gerade auf der Internetplattform Youtube veröffentlichten Videoclip. Die beiden heißen Emin Milli und Adnan Hajizade und leben in Aserbaidschan. Die Dunkelheit steht für 17 Monate Gefängnis, das gleißende Licht für die drei Wochen, die sie nun frei sind.

Das Vergehen der beiden Männer bestand darin, im Internet ihre Ideen mit tausenden geteilt zu haben. In einem Video verspotteten sie die Regierung für die Verschwendung der Öleinnahmen: Der als Esel verkleidete Adnan Hajizade erzählte in einer fiktiven Pressekonferenz, was für tolle Karrierechancen ein Tier seiner Art in Aserbaidschan haben kann. Im Haushaltsbericht der Regierung war der Kauf zweier deutscher Esel mit der Summe von mehr als 60 000 Euro angegeben worden. Kurz nach Veröffentlichung des Videos wurden Milli und Hajizade in eine Schlägerei verwickelt und wegen Körperverletzung sowie Hooliganismus zu zwei beziehungsweise zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Doch der Fall blieb nicht verborgen. Tausende im In- und Ausland setzten sich für die beiden ein. Milli, der in Hamburg und Saarbrücken studiert hat, bekam im Gefängnis Besuch von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Viola von Cramon. EU-Vertreter und der Europarat brachten den Fall zur Sprache. Schließlich erwähnte US-Präsident Barack Obama die beiden Blogger beim Gespräch mit Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew.

Kurz nach der Parlamentswahl im November wurden sie freigelassen, lange bevor Hajizade und Milli ihre Haftstrafen abgesessen hatten. Dies sei einmalig in der Geschichte Aserbaidschans, sagen die beiden. „Unser Fall hat so viel Aufmerksamkeit erregt, weil er für eine neue Phase in diesem Land steht“, erklärt Milli. „Wir sind keine Politiker, wir gehören auch nicht zum politisch engagierten Teil der Gesellschaft.“ Hajizade sagt: „Wir waren harmlose Kinder.“ Er begann 2005 als Erster in Aserbaidschan, seine Ideen in Videoclips zu präsentieren. Milli organisierte Partys für Studenten: „Das klingt einfach. Aber in diesem sozialen Gefüge haben sie keine Möglichkeit, zusammen zu kommen. Dann können sie auch nichts besprechen.“ Junge Leute wohnen bis zur Heirat meist bei den Eltern. An den Unis ist die Kontrolle groß, in Seminaren wird Lesestoff ohne Diskussion heruntergebetet. Milli setzte sich auch für ein Stipendienprogramm ein, mit dem jedes Jahr Studenten ins Ausland geschickt werden. Über Facebook, Twitter und andere Internetplattformen verbreitete er Informationen und Ideen. „Vor meiner Verhaftung konnte ich auf Facebook Nachrichten an 10 000 Menschen verschicken. Die beiden größten Oppositionszeitungen haben nicht mehr als 10 000 Leser“, sagt Milli.

Die Opposition ist in ihrem Spielraum ohnehin schon erheblich beschnitten. Seit der Wahl sitzt kein einziger Oppositionsvertreter mehr im Parlament. Hajizade fürchtet, dass die Regierung die Kontrolle noch verschärfen wird, wenn die Einnahmen aus der Ölförderung sinken: „Sie werden die Oppositionsparteien verbieten. Sie werden alle Zeitungen und Radiostationen schließen und den Zugang zu Facebook und Youtube unterbinden.“ Nach der Unabhängigkeit Anfang der neunziger Jahre habe man sich in Teestuben getroffen, um über Politik zu debattieren. Heute treffe man sich wieder wie zu Sowjetzeiten in Wohnküchen. Außerdem gebe es tausende, die jeden Tag aus politischen oder nichtpolitischen Gründen Ungerechtigkeiten erlebten und durch die Hölle der Gerichte und Gefängnisse müssten.

Doch mit der Festnahme von Milli und Hajizadeh hat sich die Führung der Ex-Sowjetrepublik am Kaspischen Meer verspekuliert, wenn sie andere davon abbringen wollte, aktiv zu werden. Inzwischen bloggen Dutzende Aserbaidschaner und stellen ihre Videos ins Netz. Er müsse sich schon etwas Besonderes einfallen lassen, um einen Unterschied zu machen, sagt Hajizade. Dass die Staatsmacht sie frei gewähren lassen wird, glaubt er nicht. Es könne gut sein, dass sie aufs Neue provoziert würden. Auch Milli geht nicht davon aus, dass die internationale Aufmerksamkeit sie schützen kann. Aber sie zeige anderen im Land, dass es sich lohne, für die Freiheit etwas zu opfern.

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