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Bundesjustizminister Heiko Maas will den umstrittenen Paragrafen zügig abschaffen, die Kanzlerin erst 2018

© Wolfgang Kumm/dpa

Böhmermann und die Folgen: Regierung will sich bei Straftaten gegen ausländische Staaten heraushalten

Die Majestätsbeleidigung soll abgeschafft und die Ermächtigung zur Strafverfolgung auch bei anderen Delikten gestrichen werden, heißt es in einem Entwurf aus dem Justizministerium.

Die Bundesregierung soll sich nach dem Willen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bei der Verfolgung von Straftaten gegen ausländische Staaten künftig ganz heraushalten. Dies geht aus einem Entwurf des Ministeriums zur Abschaffung des Paragrafen 103 hervor, der bisher noch die Beleidigung ausländischer Staatspräsidenten unter Strafe stellt. Wegen dieses Delikts ermittelt derzeit die Mainzer Staatsanwaltschaft gegen den TV-Satiriker Jan Böhmermann, nachdem der türkische Präsident Erdogan ein Strafverfahren verlangt hatte.

Nach dem Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, soll künftig auch bei anderen Delikten wie etwa der „Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten“ oder Angriffen gegen deren Organe und Vertreter auf die so genannte Strafverfolgungsermächtigung verzichtet werden.

Diese Voraussetzung erscheine „entbehrlich“, heißt es in dem Entwurf. „Auch bei einer unmittelbaren Befassung von Staatsanwaltschaften und Gerichten können die guten und ungestörten Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu ausländischen Staaten gewährleistet werden, ohne dass es des mit einer Strafverfolgungsermächtigung verbundenen Eingriffs in die Justiz bedarf“. Auf diese Voraussetzung könne daher bei der Verfolgung von Straftaten gegen ausländische Staaten verzichtet werden. Erhalten bleiben sollen dagegen die Voraussetzungen, dass zu dem fremden Staat diplomatische Beziehungen bestehen müssen sowie das Erfordernis verbürgter Gegenseitigkeit, der betreffende Staat also über vergleichbare Strafvorschriften verfügen muss. Auch soll das Verfahren weiterhin erst auf ein ausländisches Strafverlangen hin geführt werden.

Die SPD macht Druck

Bisher ist Staatsanwaltschaften die Verfolgung dieser Delikte nur möglich, wenn die Regierung dies ausdrücklich genehmigt. Hintergrund ist, dass die Bundesregierung selbst beurteilen soll, ob sie strafrechtliche Ermittlungen zum Schutz ihrer auswärtigen Beziehungen benötigt. Im Fall Böhmermann hatte die Bundesregierung die Ermächtigung am 15. April gegen die Stimmen der SPD-geführten Ministerien erteilt und damit erhebliche Kritik auf sich gezogen. Verfahren wegen dieser Delikte sind selten. 2007 gab es ein Urteil wegen Beleidigung der damaligen Schweizer Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, 2008 wegen Verbrennung der chinesischen Flagge.

Paragraf 103 soll künftig ganz entfallen. Der Tatbestand bestraft die Beleidigung ausländischer Staatschefs mit bis zu drei Jahren, bei Verleumdungen sogar bis zu fünf Jahren. Die „einfache“ Beleidigung, wie sie in Deutschland jeder gegen jeden zur Anzeige bringen kann, wird dagegen nur mit bis zu einem Jahr Haft oder Geldstrafe bedroht. „Dieser erhöhten Strafandrohung bedarf es nicht“, stellt der Regierungsentwurf fest. Für den Ehrenschutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten erschienen die einfachen Beleidigungsdelikte ausreichend. Auch andere Staaten wie Frankreich, Schweden und Finnland hätten solche Strafvorschriften abgeschafft. „Eine Verschlechterung der der Beziehung zu ausländischen Staaten ist nicht zu befürchten“. Auch erfordere das Völkerrecht keinen besonderen Ehrenschutz für ausländische Repräsentanten.

Die SPD dringt auf Eile und will den Entwurf zügig verabschieden. Dem Verfahren gegen den Satiriker Böhmermann würde damit im Hinblick auf Paragraf 103 der Boden entzogen werden. Übrig blieben Ermittlungen und eine mögliche Anklage wegen einfacher Beleidigung, für die Erdogan bei der Mainzer Staatsanwaltschaft ebenfalls einen Strafantrag stellen ließ.  Die Frage, wann die geänderte Fassung des Strafgesetzbuchs in Kraft treten soll, lässt der Entwurf ausdrücklich offen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den umstrittenen Paragrafen erst 2018 abschaffen. 

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