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Euro-Seminar im Adlon: Thilo Sarrazin stellt sein Buch vor.

© Sören Stache/dpa

Buchvorstellung: Thilo Sarrazin: Viel Biedermann, wenig Brandstifter

Der Berliner Ex-Finanzsenator und frühere Bundesbanker Thilo Sarrazin stellte am Dienstag sein neues Buch zum Euro vor. Sebastian Schneider war dabei.

Als die ersten schon mit geschlossenen Augen dösen, sagt Thilo Sarrazin den ehrlichsten Satz des Vormittags: „Wirkliche Wahrheiten sind niemals neu.“ In der Hitze vor dem Hotel Adlon in Berlin demonstriert eine Handvoll Menschen gegen Rassismus, drinnen sitzen 200 Journalisten. Sarrazin stellt hier sein neues Buch „Europa braucht den Euro nicht“ vor. Er versucht darin zu belegen, dass der Euro Deutschland so gut wie nichts gebracht, aber viel zu viel gekostet habe. Griechenland sei ein hoffnungsloser Fall; wer sich nicht aus eigener Kraft retten könne, müsse aus dem Euro aussteigen.

Sarrazins Zuhörer aber warten an diesem Tag auf ein paar Schlagzeilen in Leuchtbuchstaben, darauf, dass er ihnen etwas Unverschämtes liefert, vielleicht über faule Südeuropäer oder den Holocaust. Dass er sich warm redet, getrieben von der Lust am vermeintlichen Tabubruch. Aber dann sitzt in diesem kühlen Saal mit schweren Teppichböden und mächtigen Kronleuchtern ein stocknüchterner, mittelgroßer Mann, grauer Anzug, blaue Krawatte, und sagt Sätze wie: „Das Schicksal Europas ist nicht an die Existenz einer gemeinsamen Währung gebunden.“

Bereits Thilo Sarrazins voriges Buch hatte eine starke Debatte ausgelöst:

Mit seinem Vorgängerbuch „Deutschland schafft sich ab“ hatte der 67-Jährige geschickt ins Wespennest der Ressentiments gegen Migranten gestochen, er hat damit bis heute geschätzt vier Millionen Euro verdient. Für sein neues Buch kehrte der ehemalige Finanzsenator und Bundesbanker zu seinem Fach zurück. Sarrazin hat schon mal über den Euro geschrieben, 1996 war das, das Buch hieß „Der Euro: Chance oder Abenteuer?“ und verkaufte sich mittelmäßig. Heute versteht er mehr vom Geschäft: Ein Vorabdruck im „Focus“, Streitgespräche bei Günther Jauch. Der Lohn: 250 000 Vorbestellungen, die Startauflage von 350 000 Exemplaren dürfte sich mühelos verkaufen. Pro Exemplar verdient Sarrazin geschätzt 2,29 Euro – die nächste Million dürfte ihm sicher sein.

An diesem langen Vormittag doziert Thilo Sarrazin auf seinem Podest fast eine Stunde lang über sein Werk. Er liest daraus vor, als verkünde er die Jahresbilanz der städtischen Wasserwerke. Irgendwann rutscht ihm ein kleines Gähnen heraus, später klingelt sein Handy.

Der Ökonom Stefan Homberg neben Sarrazin ereifert sich, die Medien seien voll mit „Jammerbeiträgen“ über Griechenland. Deutschlands Schuldenpolitik sei unverantwortlich. Und Sarrazin sagt über die europäische Währungsunion, mit Verträgen sei es wie mit Blumen und jungen Mädchen. „Alles hat seine Zeit.“

Die Lösung? Vielleicht ein europäischer Zentralstaat, der aber sei die nächsten 50 Jahre nicht realistisch. „Wenn alle Vertragspartner Deutsche oder Österreicher gewesen wären, hätte Maastricht wahrscheinlich funktioniert“, sagt Sarrazin. Wie schon Beckenbauer wusste: „Die Schweden sind keine Holländer.“

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