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Wie geht es weiter beim Finanzausgleich?

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Bund und Länder reden über Finanzausgleich: Das große Rechnen

Bis Juni wollen Bund und Länder sich über einen neuen Finanzausgleich verständigen. Doch die Verhandlungen sind kompliziert, und die Nervosität unter den Beteiligten wächst. Ein Überblick.

Alle reden vom „Soli“ – doch im Grunde haben ihn alle schon abgeschrieben. Zwar pochen vor allem sozialdemokratische Politiker darauf, dass der Bund das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag auch nach 2019, wenn der Solidarpakt für den Osten ausläuft, sich mit den Ländern teilen müsse. Doch in Wirklichkeit wird bereits über andere Modelle geredet, wie man in den seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen um den Bund-Länder-Finanzausgleich weiterkommen kann. Die Zeit drängt, die Ministerpräsidentenkonferenz im Juni gilt als spätester Zeitpunkt für eine Lösung, will man mit dem Thema nicht in die Wahlkämpfe des kommenden Jahres geraten. Die künftige Verteilung der „Soli“-Mittel galt bis vor kurzem als entscheidender Ausgangspunkt. Denn Veränderungen beim Finanzausgleich zwischen den Ländern, wie sie vor allem Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, aber auch Nordrhein-Westfalen fordern, ziehen im komplexen föderalen Geldverteilungsmechanismus mit seinen vier Stufen schnell Änderungen bei der Mittelverteilung zwischen Bund und Ländern nach sich.

 Es geht um ein Volumen von zehn Milliarden Euro

Und eine Teilung der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag brächte den Ländern ab 2020 etwa zehn Milliarden Euro jährlich. Bisher fließt die Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer allein dem Bund zu. Die Unionsführung hat sich mittlerweile freilich, entgegen den Vorstellungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dafür entschieden, dass der „Soli“ erstens nicht mit den Ländern geteilt und zweitens nach 2020 abgeschmolzen werden soll. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dürfte von diesem für die Länder ungünstigen Beschluss nicht mehr abzubringen sein. Einige Sozialdemokraten führen noch Nachhutgefechte und beharren auf der ursprünglich mit Schäuble ins Auge gefassten Lösung. So schlug der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider dieser Tage vor, die Einnahmen zu halbieren und den Länderanteil nach den Einwohnerzahlen zu verteilen, wobei für den Osten eine höhere Zuteilung vorzusehen sei. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) nennt das einen Schritt in die richtige Richtung. Das ist er insofern, als der Druck auf das Kanzleramt und das Bundesfinanzministerium wächst, den von SPD-Seite erwarteten Alternativvorschlag zu machen. Offiziell liegt noch nichts  Schriftliches vor.

 Drei Modelle

Doch wird hinter den Kulissen über drei Modelle geredet. Eines hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im März vorgestellt. Er will im Juni zum Abschluss kommen, um im beginnenden Landtagswahlkampf mit einem Ergebnis zu punkten, das ihn erstens als ehrlichen Makler im Bund-Länder-Streit zeigen soll und das zweitens für das Land annehmbar ist. Daneben gibt es Vorstellungen im Bundesfinanzministerium, die, was die Komponenten betrifft, in eine ähnliche Richtung gehen wie das Stuttgarter Modell. Und drittens bemüht sich dem Vernehmen nach der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), in den sozialdemokratisch geführten Ländern einen Konsens zu schaffen - der mutmaßlich mit den Ideen von Kretschmann und aus Schäubles Ressort Schnittmengen hat. Im Grunde geht es jetzt nur noch darum, was Kretschmann so formuliert: „Jeder kann jetzt an der Schraube drehen, von der er meint, dass er dann besser wegkommt.“ Das große Rechnen hat begonnen.

 Umsatzsteuer im Mittelpunkt

Der „Soli“ spielt darin keine Rolle mehr. Statt dessen ist offenbar geplant, den Ländern einen größeren Anteil an der Umsatzsteuer zu geben – so verfuhr man auch vor 20 Jahren, als es schon einmal darum ging, den Finanzausgleich neu zu justieren. Um die widerspenstige nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) einzubinden, die ihr Land gern als Zahlerland präsentieren möchte, soll die Verteilung der Umsatzsteueranteile der Länder neu geregelt werden. Im Umsatzsteuerausgleich (der zweiten Stufe des Systems) gibt NRW ab, im Länderfinanzausgleich - der dritten Stufe, die in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wird -  ist das Land jedoch im Nehmerlager. Im Saldo ist NRW Zahlerland (siehe Grafik), und wird dieser Umsatzsteuerausgleich noch zugunsten des einwohnerstärksten Landes verändert, bekäme dieser Status aus Düsseldorfer Sicht eine zukunftsfeste Form. Die Kernfrage ist, wie weit die Umsatzsteuer nach Einwohnern und wie stark nach Finanzkraft verteilt wird. Bisher ist das Verhältnis 87 zu 13. Das Bundesfinanzministerium würde wohl nur nach Einwohnern verteilen, das Stuttgarter Modell sieht eine Finanzkraftquote von sieben Prozent vor, von Scholz heißt es, dass auch er eine niedrigere Quote vorschlägt. In allen Fällen, wenn auch unterschiedlich stark, würden die ostdeutschen Länder verlieren. Insgesamt würde zudem das Volumen des Länderfinanzausgleichs vergrößert (was vor allem Bayern ablehnt), die regionalen Divergenzen träten noch stärker als bisher zutage.

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat klargestellt, dass die ostdeutschen Regierungschefs sich hier nicht überrollen lassen werden. Ihnen kommt der Status quo entgegen, also haben sie Zeit. Tillich will vor allem klare Verhältnisse, in denen Zuschüsse des Bundes in Richtung Osten eine möglichst kleine Rolle spielen. „Wir wollen keine Bittsteller sein, sondern fordern auch für die Zukunft ein regelbezogenes System der Finanzbeziehungen.“ Die Zahlerländer und auch der Bund streben aber exakt das Gegenteil an: mehr Bundesgeld für den Osten insgesamt (über eine neue Zuweisung, mit der dann auch eine Fortführung des „Soli“ erklärt werden könnte) oder zumindest für die Hauptstadt Berlin, die dann weniger aus dem Länderfinanzausgleich bekäme (was in Berlin jedoch auf Ablehnung stößt).

 Einbeziehung der Kommunen

Der Ausweg hier hieße, die kommunale Finanzkraft stärker als bisher im Länderfinanzausgleich zu berücksichtigen. Im Bundesfinanzministerium geht man so weit, sie zu hundert Prozent einzubeziehen (derzeit liegt die Quote bei 64 Prozent). Das würde dem Osten, wo die Kommunen extrem finanzschwach sind, immens helfen; vor allem Baden-Württemberg und Bayern, aber auch Hessen lehnen das jedoch strikt ab. Kretschmann müsste fürchten, dass ausgerechnet im Landtagswahlkampf eine Debatte beginnen würde, ob die vergleichsweise moderaten Kommunalsteuern in Baden-Württemberg erhöht werden sollten, um die höhere Einbeziehung zu finanzieren. Im Gespräch ist auch eine Verringerung der besonderen Einwohnerwertungen – von denen profitieren vor allem die Stadtstaaten, die dann Abstriche machen müssten zugunsten zahlender Länder.  Diese wiederum könnten auch besser gestellt werden, indem die Finanzausgleichsmasse gedeckelt wird – was wiederum den Bundesetat belasten würde.  

Kretschmann betont angesichts all dieser Überlegungen, es könne nicht Sinn des Finanzausgleichs sein, „dass man den Motor schwächt“. Und der brummt aus einer Sicht nicht zuletzt in Stuttgart. Sein Land konkurriere „doch nicht mit Mecklenburg-Vorpommern, sondern mit Kalifornien, Singapur und Südkorea“. Dass das seine Kollegen in den strukturschwächeren Ländern überzeugt, daran darf man Zweifel haben. So wächst in Baden-Württemberg die Nervosität, aber nicht nur dort. Es ist ein Pokerspiel, dessen letzte Runde naht. Doch angesichts der Gemengelage ist völlig unsicher, ob sie tatsächlich im Juni stattfinden wird.

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