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Die Bundesautobahngesellschaft ist umstritten.

© Federico Gambarini/dpa

Bundesautobahngesellschaft: Im Bundestag wachsen die Zweifel

Die Bundesregierung hat Großes vor mit der Autobahngesellschaft. Nun prüft der Bundestag das Vorhaben - die Exekutive darf sich auf deutliche Abstriche einstellen.

Es ist das vielleicht größte Gesetzgebungsvorhaben der ganzen Wahlperiode – und es kommt ganz zum Schluss. In vier Monaten wir der Bundestag seine Arbeit einstellen, dann ist Wahlkampf. Eigentlich wenig Zeit für große Vorhaben. Nicht allen Beteiligten ist ganz wohl dabei. „Es ist ein fahrlässiges, schlechtes Setting“, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Anja Hajduk, mit Blick auf die Bundestagsdrucksachen 18/11131 und 18/11135. Hinter diesen Nummern verstecken sich das Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und das damit verbundene Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, das immerhin 13 Verfassungsartikel betrifft. Drei Jahre lang hatten die Regierungen von Bund und Ländern verhandelt, im Dezember gelang dann in einer Nachtsitzung im Kanzleramt die Einigung.

Kern des Pakets ist neben dem neuen Finanzausgleich die Gründung der Infrastrukturgesellschaft des Bundes, bekannter unter den Namen Bundesautobahngesellschaft. In ihr wird die Planung, der Bau und die Verwaltung der großen Fernstraßen künftig beim Bund zentralisiert, bisher machen das die Länder im Auftrag des Bundes. Dieses Zentralisierungsvorhaben  hat zwar mit Finanzausgleich wenig zu tun, aber sie war die Bedingung der Bundesregierung, den Ländervorschlag beim Finanzausgleich mitzutragen – ein „Erpressungsmanöver“ nennt es der Linken-Finanzpolitiker Axel Troost.

"Nicht einfach durchwinken"

An den Verhandlungen über das Paket - „eine der einschneidendsten Veränderungen im föderalen Gefüge Deutschlands für die nächsten Jahrzehnte", sagt SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider – war der Bundestag bis vorigen Donnerstag, als die erste Lesung über die Bühne ging, nicht beteiligt. Kein Wunder, dass nicht nur die Grüne Hajduk sauer ist, sondern der Unmut quer durch alle Fraktionen reicht. Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs appelliert an seine Kollegen: „Es kann nicht angehen, dass zwischen Ministerpräsidenten und Bundesregierung jahrelang diskutiert wird und wir das hier einfach durchwinken.“ Im März steht nun ein Anhörungsmarathon mit mehr als 50 Gutachtern an, dann folgt die Ausschussphase, dann die Beschlussfassung im Parlament – absehbar nicht vor Juni. Die letzte Bundesratssitzung vor dem Sommer ist am 7. Juli. Doch auch in den Ländern herrscht Unmut. Der Bundesrat ist der Meinung, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Januar die Vereinbarungen vom Dezember nicht immer ganz korrekt abbildet. Insofern dürften auch die Positionen der Länder schon jetzt im Gesetzgebungsverfahren eine Rolle spielen, will die schwarz-rote Koalition nicht riskieren, dass das Paket am Ende gar nicht durchkommt vor der Wahl.

Privat organisiert - parlamentarisch kontrolliert

Der Vorschlag für den neuen Finanzausgleich, der weitgehend dem Beschluss der Ministerpräsidenten vom Dezember 2015 entspricht, dürfte trotz einiger Bedenken im Bundestag weitgehend durchkommen. Der Streit wird sich in den kommenden Wochen und Monaten vor allem auf die Autobahngesellschaft konzentrieren. Drei Fragen stehen im Mittelpunkt: Welche Organisationsform bekommt sie? Wie weit darf sie eigene Schulden aufnehmen? Und wie weit wird es möglich sein, größere Teilstücke des Autobahnnetzes zu privatisieren? In allen drei Punkten wird die Bundesregierung, wie es aussieht, Positionen räumen müssen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte mit den Ländern vereinbart, dass die Gesellschaft privatrechtlich organisiert wird. Zunächst als GmbH, doch lässt der Gesetzentwurf den Weg zur Aktiengesellschaft offen. Damit würden freilich, so wie jetzt bei der Deutschen Bahn, die Mitbestimmungsmöglichkeiten des Bundestags gering sein und die Kontrollrechte des Bundesrechnungshofs wären deutlich beschnitten. Die SPD-Haushaltspolitikerin Bettina Hagedorn sagt zur Möglichkeit einer Bundesautobahn-AG: „Niemand im Parlament will ein solches intransparentes Monstrum.“ Die Sozialdemokraten wollen daher versuchen, statt der privatrechtlichen Form eine Anstalt öffentlichen Rechts durchzusetzen. Da dürfte Schäuble sich querstellen. Mindestens soll laut Hagedorn die GmbH dann aber in einer Form ausgestaltet werden, die mehr Transparenz und Parlamentskontrolle garantiert als nach der Regierungsvorlage.

Gegen Privatisierungsversuche

Zudem wächst der Widerstand, die neue Autobahngesellschaft dazu zu nutzen, sehr große Teilstrecken im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) auf Jahrzehnte hinaus an Konsortien von Baukonzernen und Finanzinvestoren zu vergeben. Für solche großen ÖPP-Vorhaben gibt es vor allem Sympathien im Bundesverkehrsministerium, das schon jetzt stark auf ÖPP setzt, wenn auch in kleinerer Form. Auch eine Kommission, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingesetzt hatte, empfahl diese Form der Privatisierung auf Zeit vor zwei Jahren. Der Bundesrechnungshof warnt jedoch davor und verweist zur Abschreckung auf das Beispiel Frankreich, wo das Autobahnnetz – wiewohl formell weiter in Staatseigentum – praktisch von drei Großkonzernen betrieben wird. Die Umsatzrenditen liegen bei mehr als 20 Prozent. Kein Wunder, dass sich auch Unternehmen und Versicherungen in Deutschland für solche „funktionalen“ Privatisierungen erwärmen, bei denen die Einnahmen aus einer Pkw-Maut (die ja nicht vom Tisch ist) direkt an die Betreiber fließen würden. Der Bundesrat fordert „zur Sicherung des staatlichen Einflusses“, dass weder das Gesamtnetz noch Teilnetze (also größere zusammenhängende Strecken) an private Investoren vergeben werden dürfen, dass die Laufzeit bei ÖPP-Projekten 30 Jahre nicht überschreitet und sie der „Maßgabe der Wirtschaftlichkeit“ verpflichtet sein müssen. Laut Rechnungshof sind ÖPP-Projekte wegen höherer Finanzierungskosten jedoch oft teurer als der konventionelle Weg für den Bau und die Instandhaltung von Straßen über eine staatliche Finanzierung. Die SPD-Fraktion rückt nun von der ÖPP-Idee ab. Solche großen Privatisierungen solle es nicht geben, sagt Hagedorn.

"Es ist nicht beabsichtigt..."

Bei den Grünen herrscht jedoch Skepsis. Zwar schrieb Finanz-Staatssekretär Jens Spahn auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Sven-Christian Kindler vor einigen Tagen: „Es ist nicht beabsichtigt, größere Netze zum Betrieb an einen Betreiber oder ein Betreiberkonsortium zu vergeben.“ Kindler reicht das aber nicht. „Es ist völlig unerheblich, ob die Bundesregierung das beabsichtig oder nicht“, sagt er. „Dieser Gesetzesentwurf ermöglicht die Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür." Er fordert deshalb einen gesetzlichen Ausschluss dieser Möglichkeit.

Bleibt die Frage nach den Verschuldungsmöglichkeiten der Autobahngesellschaft. Nach dem bisherigen Gesetzentwurf ist eine Kreditaufnahme in der Anfangsphase nicht möglich, wohl aber später. Das würde die Möglichkeit eröffnen, über die Gesellschaft am Bundeshaushalt vorbei Schulden zu machen (oder auch Schulden zu übertragen) und damit die Schuldenbremse des Grundgesetzes und auch die Euro-Schuldengrenze zu umgehen. Zudem lehnt die Bundesregierung es in ihrer Reaktion auf die Bundesratsforderungen ab, der Gesellschaft eine (von den Ländern geforderte) Staatsgarantie für die Kapitalaufnahme zu gewähren – was einerseits die Kreditkosten drücken würde, andererseits aber auch zur Anrechnung auf die Schuldenbremse führen würde. Altschulden zu übertragen sei „nicht beabsichtigt“, fügte die Bundesregierung hinzu.

Im Bundestag wird die Schuldenaufnahme durch die Gesellschaft querbeet kritisch gesehen. „Ein Schattenhaushalt geht gar nicht“, sagt etwa Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus. Finanzminister Schäuble äußerte zwar vorige Woche im Bundestag, dass er „nicht sehe, dass die Gesellschaft eine Ermächtigung zur Aufnahme von Krediten erhalten wird“. Allerdings heißt es im Schreiben von Spahn nur wenige Tage zuvor noch, ein „gesetzlicher Ausschluss der Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft“ sei im Gesetzentwurf „nicht vorgesehen“. Hat Schäuble hier also, angesichts des Unmuts in den Fraktionen, schon vorgegriffen? Wie auch immer – in dem Gesetzespaket steckt  noch Musik.

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