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Update

Bundespräsident in der Kritik: Wulff will sich bei ARD und ZDF erklären

Das Gespräch mit Wulff wird aufgezeichnet und erst bei ARD und ZDF im Netz veröffentlicht und um 20:15 Uhr zeitgleich in beiden Sendern ausgestrahlt. Auch die Bundeskanzlerin hatte den Druck auf Wulff erhöht.

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Das Interview mit dem unter Druck geratenen Bundespräsidenten Christian Wulff findet nicht im Schloss Bellevue statt, sondern im ARD-Hauptstadtstudio. Lediglich zwei Journalisten werden hier den Bundespräsidenten interviewen, Ulrich Deppendorf für die ARD und Bettina Schausten für das ZDF, teilte Elmar Theveßen, Leiter der ZDF-Hauptredaktion "Aktuelles" mit. 

Das Interview werde wie eine Live-Sendung zwischen 17 Uhr und 18 Uhr aufgezeichnet und soll etwa eine Länge von 20 Minuten haben, ausgestrahlt wird das Gespräch dann zeitgleich auf beiden Sendern um 20 Uhr 15. Doch schon ab 19 Uhr soll das Interview auf den jeweiligen Homepages der Sender abzurufen sein. Vertreter der Nachrichtenagenturen sollen schon vorher einen Zugriff haben. Beim Gespräch selbst werden voraussichtlich kein weiteren Vertreter der Presse dabei sein. Die zuvor von der ARD angekündigte schriftliche Erklärung soll es nicht geben.

Dass das Interview nicht live um 20 Uhr 15 ausgestrahlt werde, habe redaktionelle Gründe und sei nicht ungewöhnlich, sagte Theveßen. So könne das Interview entsprechend gekürzt werden, um es ins Abendprogramm einzupassen. Wulff habe allerdings nicht die Möglichkeit, korrigierend in den Beitrag einzugreifen.

ARD und ZDF hatten das Interview mit Wulff bereits nach Bekanntwerden des umstrittenen Privatkredits angefragt und ihre Anfrage nach Weihnachten noch einmal erneuert. "Mittwochvormittag hat das Bundespräsidialamt dann kurzfristig die Zusage gegeben", sagt  Theveßen. Ziel des Interviews soll sein, dass Wulff Stellung zu allen erhobenen Vorwürfen nimmt. "Die Fragen werden vorher nicht mit dem Bundespräsidenten abgesprochen, kein Themenkreis ist vorab ausgeschlossen", sagt Theveßen. Dass Wulff sich im Fernsehen erklären will, wertet Theveßen als Zeichen dafür, dass der Bundespräsident nicht zurücktreten wird.

Der Deutsche Journalisten-Verband hat auf seiner Facebook-Seite die Entscheidung kritisiert, dass nur ARD und ZDF das Interview führen und andere Medienvertreter ausgeschlossen sind. Auch zur Bundespressekonferenz hatte Wulff eine Einladung gehabt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet angesichts der neuen Vorwürfe gegen Bundespräsident Christian Wulff eine weitere persönliche Erklärung vom Staatsoberhaupt. "Die Bundeskanzlerin geht davon aus, dass er sich erklärt“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Mittwoch in Berlin. Erwartungen an eine solche Stellungnahme äußerte er aber nicht. Das wäre "ungehörig".

Streiter betonte, die Kanzlerin schätze Wulffs Arbeit außerordentlich. Das habe sie mehrfach gesagt und "davon hat sie nichts zu widerrufen". Merkel habe "volles Vertrauen", dass Wulff auch weiterhin alle offenen Fragen beantworte. Jeder in einem hohen politischen Amt wisse, dass er Gegenstand der Berichterstattung werden könne, sagte der Vize-Regierungssprecher. Dies bedeute, sich mehr als andere Bürger für Nachforschungen zu öffnen und im Extremfall auch Handlungen im privaten Bereich wie etwa Hausfinanzierungen offen zu legen. Die Pressefreiheit sei "eine große Errungenschaft unserer Demokratie". Deren hohen Wert habe auch Wulff selbst ausdrücklich hervorgehoben.

Streiter verneinte die Frage, ob Merkel den Bundespräsidenten zu einer Stellungnahmen aufgefordert habe. Er wies darauf hin, dass der Präsident ein Verfassungsorgan sei. "Deshalb hat die Bundeskanzlerin jetzt auch nicht jeden Tag zu kommentieren, was der Bundespräsident tut oder nicht tut oder tun sollte."

CSU-Chef Horst Seehofer hat Wulff das Vertrauen der CSU ausgesprochen. Seehofer sagte am Mittwoch im oberbayerischen Wildbad Kreuth am Rande der Klausurtagung der CSU-Bundestags-Landesgruppe, er habe auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen. „Die Sachverhalte, die im Raum stehen, können nur vom Bundespräsidenten bewertet und beantwortet werden.“ Er erklärte: „Die CSU steht zu diesem Bundespräsidenten Christian Wulff, und er hat auch unser Vertrauen.“

Rücktrittsforderungen aus der Union

In Kreisen der Unionsfraktion wird die Situation für den Bundespräsidenten als durchaus kritisch eingeschätzt. Als erste prominente CDU-Politikerin sprach sich nun Vera Lengsfeld offen für einen Rücktritt Wulffs aus. In einem Interview von „Handelsblatt Online“ schlug sie zugleich den früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, als Nachfolger vor. SPD-Chef Sigmar Gabriel schreibt auf seiner Facebook-Seite, dass nachwievor gelte: "Niemand kann sich den zweiten Rücktritt eines Bundespräsidenten innerhalb von zwei Jahren wünschen. Allerdings kann sich auch niemand einen Bundespräsidenten wünschen, der den Eindruck erweckt, er sei seinem Amt weder politisch noch stilistisch gewachsen."

Der Versuch von Bundespräsident Christian Wulff, die Berichterstattung in den Medien über seine Immobilienfinanzierung zu verhindern, hat den Druck auf das Staatsoberhaupt verschärft. Politiker aller Parteien forderten Wulff am Dienstag auf, sich zu erklären. Die Bundesregierung wollte sich zu den Vorfällen ausdrücklich nicht äußern. Im Präsidialamt hieß es lediglich, Wulff nehme seine Amtsgeschäfte wie geplant am Mittwoch wieder auf.

Im Zusammenhang mit dem Mailbox-Anruf bei „Bild“-Chefredakteur Diekmann prüft die Berliner Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen Wulff wegen des Verdachts der Nötigung. Bei der Staatsanwaltschaft Hannover liegen mittlerweile mehr als 20 Anzeigen im Zusammenhang mit dem Privatkredit für Wulffs Haus vor. Einen Anfangsverdacht für eine Straftat gab es nach bisheriger Prüfung nicht. Strafanzeigen sind jederzeit möglich, jeder Bürger kann sie stellen.

Derweil wurde bekannt, dass der Präsident nicht nur im Fall seiner Immobilienaffäre Mitte Dezember Druck auf die „Bild“-Zeitung ausgeübt, sondern noch in weiteren Fällen unliebsame Berichte über seine Person zu verhindern gesucht hat. Die „Welt am Sonntag“ berichtete von einem Versuch, im Sommer 2011 Druck auf einen Reporter der Zeitung auszuüben, der im Umfeld von Wulffs Familie recherchiert hatte.

Nach Bekanntwerden der Telefonanrufe des Präsidenten bei den Spitzen des Springer-Verlages im Dezember wurde gegen Wulff Anzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft erhoben. Die Behörde prüft das Vorliegen eines Anfangsverdachtes.

Spitzenpolitiker aus der Koalition mahnten den Präsidenten, die Vorwürfe rasch aufzuklären. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt legte ihm eine Erklärung zu der versuchten Einflussnahme nahe. Auch die FDP-Spitze forderte das. „Es liegt natürlich an dem Bundespräsidenten selbst, die entstandenen Irritationen aus dem Weg zu räumen. Ich persönlich bin ganz zuversichtlich, dass ihm das gelingen wird“, sagte der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte hingegen, die Entschuldigung Wulffs bei der „Bild“-Zeitung zu akzeptieren. Wulff hatte sich bei „Bild“-Chefredakteur Dieckmann für seinen Drohanruf am 12. Dezember entschuldigt.

Deutlich schärfer kritisierte die Opposition das Staatsoberhaupt. „Die politische Schonfrist geht zu Ende“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. „Wulff hatte drei Wochen Zeit, die Vorwürfe zu entkräften. Das ist ihm nicht gelungen.“ Linksfraktionsvize Ulrich Maurer legte Wulff einen Rücktritt nahe. „Christian Wulff hat das Amt und damit die Bundesrepublik massiv beschädigt“, sagte er. „Das Maß ist voll, der Präsident muss die Konsequenzen ziehen.“ Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn beklagte, Wulff sei „den Anforderungen des Amtes nicht gewachsen“. Die Glaubwürdigkeit des Präsidenten sei beschädigt. Auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte der Grünen-Politiker eine klare Positionierung.

Der ehemalige CDU-Spitzenpolitiker und Ministerpräsident Bernhard Vogel forderte den Schluss der Debatte. „Die Diskussion muss ein Ende finden“, sagte Vogel dem Tagesspiegel, „sonst nimmt das Amt des Präsidenten und das Land Schaden“. Vogel forderte „alle Seiten“ zur Aufklärung auf. Von Wulff erwarte er eine „umfassende Erklärung zu den Vorwürfen, die ihm gemacht werden“. Dies gelte aber auch für die Medien, mit der zögerlichen Publikation ihrer Vorwürfe. „Danach muss Schluss sein“, sagte Vogel. (mit dpa)

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