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Update

Bundespräsident in Bedrängnis: Wulffs Anwälte wollen Medienanfragen veröffentlichen

Die Anwälte von Bundespräsident Christian Wulff wollen weitere Journalistenfragen und die Antworten darauf in der Kredit- und Medienaffäre veröffentlichen. Die Mehrheit der Bürger sieht Wulff durch die Affäre dauerhaft beschädigt.

Diesen Auftrag habe der Bundespräsident gegeben, teilte Rechtsanwalt Gernot Lehr am Freitag mit. Damit solle die zusammenfassende Stellungnahme ergänzt werden, die nach dem Fernsehinterview Wulffs am 4. Januar erfolgte.

Voraussetzung sei, dass die Medien die Veröffentlichung freigegeben haben und keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Die Veröffentlichung werde „in der kommenden Woche schnellstmöglich erfolgen“.

Fast drei Viertel der Bürger halten Bundespräsident Christian Wulff durch seine Kredit- und Medienaffäre für dauerhaft beschädigt. Nach dem am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer sind 72 Prozent der Befragten dieser Ansicht. Dennoch sprechen sich in der repräsentativen Umfrage 50 Prozent für seinen Verbleib im Amt aus, 44 Prozent sind für seinen Rücktritt.

CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe bekräftigte am Freitag noch einmal seine Unterstützung für Wulff. Dem Sender NDR Info sagte Gröhe, es sei nicht leicht, nach den letzen Wochen erschüttertes Vertrauen zurückzugewinnen. „Ich traue es ihm zu und wünsche es ihm von Herzen. Ich glaube auch, dass es gut für unser Land wäre, und dass viele in unserem Land sagen, dass er eine zweite Chance verdient.“

Wulff steht weiter massiv unter Druck. Neben der Kredit- und Medienaffäre wurden am Freitag neue Vorwürfe gegen ihn laut: Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, soll Wulff in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident dienstlich erworbene Bonusmeilen der Lufthansa unerlaubt für Privatflüge eingesetzt haben. Im Fokus der Nachforschungen steht eine Urlaubsreise in die USA vom April 2007. Wie die „Bild“ berichtet, sollen der damalige niedersächsische Ministerpräsident, seine heutige Ehefrau Bettina und deren Sohn während des Fluges von Miami nach Frankfurt ein Upgrade von der Economy-Class in die Business-Class erhalten haben. Dafür soll Wulff nach Angaben seines Anwalts privat erworbene Bonusmeilen eingesetzt haben. Laut Zeitung hätte Wulff für dieses Upgrade 210.000 Bonusmeilen mit seiner Lufthansa-Kreditkarte umsetzen müssen. Nun stellt sich die Frage, ob der spätere Präsident die Meilen privat erworben hat. Dafür hätte er etwa die Entfernung von 420 Flügen zwischen Hannover und München zurücklegen müssen.

Der Rückhalt für Wulff aus den eigenen Reihen schwindet

Auf Anfrage des Blattes soll Wulffs Rechtsanwalt Gernot Lehr zunächst bestritten haben, dass es eine solche Umbuchung gegeben habe. Auf Nachfragen der Zeitung habe Wulffs Anwalt die ursprüngliche Stellungnahme später um den zusätzlichen Hinweis ergänzt: „Das Meilenkonto besteht seit Ende der 80er-Jahre. Herr Wulff nutzt für alle privaten Ausgaben ausschließlich die Kreditkarte der Lufthansa.“ Der Lufthansa zufolge bestehe das Bonusmeilen-Programm „Miles & More“ jedoch erst seit 1993. Eine „Miles & More“-Kreditkarte gibt es demnach erst seit 1999.

Über mögliche Nachfolger des Präsidenten wird bereits diskutiert. Dabei liegt der DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck in der Gunst der Deutschen ganz weit vorne. Der Politikwissenschaftler Gerd Langguth glaubt aber nicht an eine Benennung Gaucks durch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der 71-Jährige war bereits bei der Wahl 2010 als Kandidat von SPD und Grünen unterlegen, nachdem die Kanzlerin sich mit den Regierungsparteien auf Wulff festgelegt hatte. „Merkel bleibt in der Kontinuität ihrer Entscheidungen. Ihr Nein zu Gauck vor zwei Jahren hat auch weiterhin Bestand“, zeigte sich Langguth überzeugt.

Der Rückhalt für Wulff in den eigenen Reihen schwindet. Am Donnerstag forderte ein weiterer CDU-Bundestagsabgeordneter indirekt seinen Rücktritt. „Aufgrund der unwürdigen Diskussion der vergangenen Wochen müssen Konsequenzen gezogen werden“, sagte der Brandenburger Parlamentarier Hans- Georg von der Marwitz dem Tagesspiegel. Ähnlich hatte sich der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann geäußert. „Mein persönlicher Rat an ihn wäre, dass er sich das nicht länger zumutet, sich, seiner Familie und dem Amt“. Ein Ende mit Schrecken sei besser als ein Schrecken ohne Ende. Unions-Fraktionschef Volker Kauder trat Spekulationen über etwaige Nachfolger Wulffs als Bundespräsident entgegen: „Das ist Quatsch, der sich nicht toppen lässt“, sagte er den „Kieler Nachrichten“. Aus Sicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Mathias Middelberg sind Forderung nach einem Rücktritt nicht gerechtfertigt. Die schlechten Umfragewerte seien durch ein „Pressefeuerwerk“ zustande gekommenen und könnten sich schnell ändern, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“.

Überschattet von der Affäre begrüßte Wulff am Donnerstag verdiente Bürger, Vertreter des öffentlichen Lebens und das Bundeskabinett im Schloss Bellevue. Aus Protest gegen die ihrer Ansicht nach unzureichende Aufklärung der Affäre durch Wulff sagten sowohl Transparency International als auch der Deutsche Journalisten-Verband ihre Teilnahme am Neujahrsempfang ab. Wulff habe seine Zusagen zur Transparenz nicht eingehalten, hieß es. Der traditionelle Empfang des Staatsoberhauptes war die erste öffentliche Begegnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Wulff seit Beginn der Affäre.

Im Streit um den Bruch des Versprechens von Wulff, 400 Fragen und Antworten zur Affäre zugänglich zu machen, haben am Donnerstag mehrere Medien gegenüber Wulffs Rechtsanwalt Gernot Lehr in eine Veröffentlichung eingewilligt, darunter „Bild“ und „Spiegel“. Der Tagesspiegel hatte eine Einwilligung bereits tags zuvor erteilt. Lehr hatte erklärt, neben seiner Schweigepflicht hinderten ihn die Rechte der Journalisten, die Fragen zu veröffentlichen. Laut „FAZ“ hat Lehr dem Blatt aber schon am 23. Dezember den Mailwechsel mit einem „Welt“-Redakteur weitergeleitet. (Tsp/dpa)

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