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Im Mittelpunkt. Alexander Van der Bellen

© imago/Eibner Europa

Bundespräsidentenwahl in Österreich: Die Zeit der Rechtspopulisten kann noch kommen

Mit der Wahl Alexander Van der Bellens wollten die Österreicher einen Bundespräsidenten der FPÖ verhindern. Die setzt nun auf eine frühe Nationalratswahl.

Alexander Van der Bellen war sichtlich stolz über das Ergebnis. Er habe mit „einem der größten Abstände aller Stichwahlen“ gewonnen, stellte der nächste österreichische Bundespräsident bei seinem ersten Auftritt im ORF fest. Sein Sieg bei der Bundespräsidentenwahl am Sonntag fiel mit 53,3 zu 46,7 Prozent gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer klarer aus als von allen erwartet, einschließlich ihm selbst.

Der formal unabhängige, de facto aber grüne Kandidat legte in ganz Österreich um knapp drei Prozent im Vergleich zu seinem Erfolg in der ersten Stichwahl im Mai zu. Diese hatte das Verfassungsgericht auf Antrag der FPÖ wegen Formfehlern annulliert. Nach den Entscheidungen für den Brexit und US-Präsident Donald Trump schien eine ähnliche populistische Überraschung in Österreich mit Norbert Hofer auch möglich. Doch es kam anders: Van der Bellen wird nicht nur erster Bundespräsident der Grünen. Er ist auch der Erste, der nicht einer der seit Generationen in Österreich dominierenden Großparteien SPÖ oder ÖVP angehört.

Als häufigstes Motiv nannten Van der Bellens Wähler in Nachwahlbefragungen, dass er „Österreich im Ausland am besten vertritt“. Der ORF-Wahlforscher Peter Filzmaier interpretierte diese Antwort so, dass das entscheidende Motiv für die Mehrheit die „Verhinderung Hofers“ gewesen sei. Der Wunsch nach Van der Bellen persönlich habe deutlich weniger eine Rolle gespielt, seine Sympathiewerte seien kaum besser als die Hofers. Zweiter Wahlgrund für „VdB“ war seine Pro-EU-Einstellung. Sie ist die wichtigste sachliche Differenz zu Hofer, der wie seine FPÖ sehr EU-kritisch ist. Van der Bellen konnte somit sein Potenzial in der Linken und etwa der Hälfte des bürgerlichen Lagers weitgehend ausschöpfen.

Die wichtigsten Motive der Hofer-Wähler waren, dass er „die Sorgen der Menschen versteht“ und „kompetent“ sei. Als drittes Motiv gilt, dass er „gegen das bestehende politische System“ auftrete. Damit hat eine knappe Mehrheit der Österreicher dem nicht nur EU-weiten Trend der Anti-Establishment-Bewegung deutlicher widerstanden, als von Medien und Politik im In- und Ausland befürchtet. Die FPÖ deutete, anhand dieser Ergebnisse wohl nicht ganz falsch, die Wahl als einen Erfolg der „Angstkampagne“ des gegnerischen Lagers.

Das nächste Ziel der FPÖ ist die Nationalratswahl

„Ich bin unendlich traurig, dass es nicht geklappt hat“, gab Hofer im ersten TV-Auftritt zu. Doch nächstes Ziel der FPÖ sei die nächste Nationalratswahl. Die wäre regulär 2018 fällig. Doch wenn die rot-schwarze Koalition sich nicht dramatisch zusammenrauft, wird schon 2017 gewählt. Die jetzigen Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP würden dann wohl willige Partner der FPÖ werden wollen, die in allen Umfragen führt.

Auch die SPÖ biedert sich ihr jetzt an: Das zeigte sich vor zwei Wochen, als SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern das Dauer-Dogma der Verteufelung der FPÖ als regierungsunwürdige Nazi-Partei über Bord warf. Dafür bekam Kern aus allen Ecken der SPÖ Zustimmung, nicht zuletzt von dem im Mai aus dem Amt geschiedenen Bundespräsidenten Heinz Fischer. So wie dieser will übrigens auch Van der Bellen sein Amt ausüben: eher hinter den Kulissen vermittelnd als in der Öffentlichkeit agierend. Mit vielleicht weniger exotischen Dienstreisen.

Während Kern fast einen Parteifreund in die Hofburg gebracht hat, ist die ÖVP der größte Verlierer der Wahl. Sie ist total gespalten. Nachdem ihr Kandidat in der ersten Runde nur den kläglichen vierten Platz geschafft hatte, hatte die ÖVP-Führung Neutralität vereinbart. Weil Obmann Reinhold Mitterlehner sich trotzdem als Van-der-Bellen-Wähler outete, verhöhnte ihn zuletzt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als „Selbstmordattentäter“. Laut Wählerbefragung hat sich je die Hälfte der ÖVP-Anhänger für einen der beiden Kandidaten entschieden.

Strache selbst muss nun darauf achten, dass ihm Hofer nicht den Rang abläuft: Der gilt nun als das freundlichere Gesicht der FPÖ. Und hätte wohl mehr Chancen, von Staatsoberhaupt Van der Bellen als Kanzler einer FPÖ-Koalition vereidigt zu werden als Strache. Den hatte der neue Bundespräsident im Wahlkampf als Kanzler noch ausgeschlossen. Auch wenn heute die meisten davon ausgehen, das dieses formal mögliche Veto des Bundespräsidenten nicht Bestand haben wird.

Doch Hofer ist jetzt auf dem Sprung. Er werde für den Nationalrat kandidieren und vielleicht bei der Bundespräsidentenwahl 2022 wieder. „In mir wurde ein Bär geweckt“, sagte Hofer.

Reinhard Frauscher

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