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Geschönter Lebenslauf: Die Bundestagsabgeordnete Petra Hinz (SPD)

© dpa/Sven Hoppe

Update

Bundestag: Lügen im Lebenslauf: SPD-Abgeordnete Hinz legt Mandat nieder

Kein Abitur, keine juristischen Examina: Seit 2005 sitzt Petra Hinz für die SPD im Bundestag. Nun gibt sie zu, ihre Vita geschönt zu haben - und gibt ihr Mandat zurück.

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Die langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz hat wesentliche Teile ihres Lebenslaufes erfunden. Sie habe keine allgemeine Hochschulreife erworben, kein Studium der Rechtswissenschaften absolviert und auch keine Juristischen Staatsexamina abgelegt, teilte der Anwalt der SPD-Politikerin mit, nachdem das Essener "Informer Magazine" die Angaben der Parlamentarierin hinterfragt hatte. Am Mittwoch kündigte sie an, ihr Mandat zurückzugeben, wie der Journalist Pascal Hesse vom "Informer Magazine" auf Facebook berichtete.

Zuvor hatten führende Genossen aus ihrem Essener Unterbezirk und der SPD-Bundestagsfraktion diesen Schritt gefordert.

Hesse zitierte aus einer Erklärung der Anwälte der Politikerin: "Im Auftrag unserer Mandantin Frau Petra Hinz, MdB, teilen wir mit, dass sich Frau Hinz entschieden hat, auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag zu verzichten. Sie hat den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Norbert Lammert, über diesen Entschluss in Kenntnis gesetzt und ihn um einen schnellstmöglichen persönlichen Termin gebeten, um ihm gegenüber diesen Verzicht zu erklären. Der Verzicht wird gemäß § 46 Absatz 3 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes im Zeitpunkt der Erklärung gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestages wirksam."

Zuvor hatte ein Anwalt von Hinz erklärt: "In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit“, heißt es in der Erklärung des Anwalts, die inzwischen auch auf der Internetseite der Essener SPD-Politikerin zu finden ist.

Auf der Website des Deutschen Bundestags war der Lebenslauf am Mittwoch zunächst noch in der alten Fassung zu finden. Kurz vor 11 Uhr erschien dann eine geänderte Version.

Der geschönte Lebenslauf von Petra Hinz auf der Website des Bundestags
Der geschönte Lebenslauf von Petra Hinz auf der Website des Bundestags

© /Deutscher Bundestag

Nach Angaben ihres Anwalts hat Hinz im Jahr 1983 am heutigen Erich-Brost-Berufskolleg der Stadt Essen die Fachhochschulreife erworben. "Mitte der 1990er Jahre unternahm sie den Versuch, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachzuholen und so zumindest einen Teil ihrer biografischen Falschangaben zu heilen", heißt es weiter. Aus Zeitgründen habe sie dies jedoch bereits nach etwa einem Jahr wieder aufgeben müssen.

"Es ist klarzustellen, dass Frau Hinz zu keinem Zeitpunkt rechtsberatend tätig war", schrieb der Anwalt in der Erklärung. Die Angestelltentätigkeit in den Jahren 1999 bis 2003 sei nicht juristischer Natur gewesen. "Das politische Engagement von Frau Hinz war und ist von Aufrichtigkeit und Integrität geprägt. Sie ist daher sehr bestürzt, nicht die Courage aufgebracht zu haben, für ihr Fehlverhalten geradezustehen", heißt es in der Erklärung weiter.

In einem Leistungssystem, in dem man nur etwas werden kann, wenn auf Abschlusszeugnissen die richtigen Zahlen stehen, erzeugt natürlich Minderwertigkeitsgefühle. Das trifft auch die, die ihr Abi mit 1,0 machen wollten und nur 1,2 geschafft haben und nun nicht Medizin studieren können, obwohl sie möglicherweise die besseren Ärzte werden könnten. Das System muss sich ändern, nicht die Menschen.

schreibt NutzerIn BerlinPilot

Hinz bitte ihre Wegbegleiter, Mitarbeiter, Freunde, "all die Menschen, die ihr vertraut haben, und auch die allgemeine Öffentlichkeit von ganzem Herzen um Entschuldigung". Die SPD-Politikerin gehört dem Deutschen Bundestag seit 2005 an. Am Montag hatte sie laut einem Bericht der "WAZ" angekündigt, 2017 nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Auch ihr Amt als stellvertretende Essener SPD-Vorsitzende gab sie zu Wochenbeginn ab.

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Am Mittwoch löschte Hinz ihre Accounts in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter. Auf ihrer Internetseite entfernte sie alle Angaben zu ihrer Biographie.

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte von Hinz sofortige Konsequenzen gefordert. Sie müsse "jetzt alles Erforderliche tun, um weiteren Schaden von der Politik und ihren Kolleginnen und Kollegen, aber auch von sich selbst, abzuwenden", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Christine Lambrecht. Die Fraktion habe Hinz ein persönliches Gespräch angeboten, um über die "hierzu notwendigen Schritte" zu reden. Die Bundestagsfraktion sei überrascht und enttäuscht über das Eingeständnis von Hinz, in ihrer Biografie falsche Angaben gemacht zu haben. "Gerade in der SPD zählen nicht Hochschul- und Studienabschlüsse, sehr wohl aber Vertrauen und Glaubwürdigkeit."

SPD in Essen: "Wir sind schockiert"

Der Essener SPD-Vorsitzende Thomas Kutschaty hatte Hinz zum „unverzüglichen“ Verzicht auf ihr Bundestagsmandat aufgefordert. "Wir alle sind schockiert, dass Petra Hinz uns 30 Jahre lang eine falsche Biografie aufgetischt hat", sagte er. "Unbestritten war sie eine hochengagierte und bürgernahe Abgeordnete in Essen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind stolz darauf, dass bei uns gerade kein Abitur und kein Hochschulstudium erwartet werden, um ein Mandat auszuüben. Was wir allerdings von unseren Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern erwarten ist Glaubwürdigkeit und Integrität. Dieses Vertrauen hat Petra Hinz gegenüber unseren Mitgliedern sowie den Bürgerinnen und Bürgern verspielt. Sie hat damit sich selbst aber auch der SPD großen Schaden zugefügt."

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Der nordrhein-westfälische Justizminister Kutschaty ist erst seit gut zwei Monaten neuer Vorsitzender der Essener SPD. Seine Vorgängerin Britta Altenkamp war im Februar von dem Spitzenamt zurückgetreten, nachdem drei Ortsvereine der Essener SPD für Empörung gesorgt hatten. Die Parteigliederungen aus dem Essener Norden hatten der Stadtverwaltung vorgeworfen, bei der Unterbringung von Flüchtlingen benachteilige sie die sozial schwächeren Bezirke im Norden. Erst nach öffentlichen Protesten verzichteten die Ortsvereine auf eine geplante Demo gegen neue Flüchtlingsunterkünfte. (mit dpa)

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