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DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN BAKU UND BERLIN: Neuer Tiefpunkt

Vor dem Eurovision Song Contest (ESC) in Baku gibt es aus Sicht der aserbaidschanischen Führung nur zwei Länder, die Probleme machen: der Iran – und Deutschland. So sieht es zumindest Präsidentenberater Ali Hasanov.

Vor dem Eurovision Song Contest (ESC) in Baku gibt es aus Sicht der aserbaidschanischen Führung nur zwei Länder, die Probleme machen: der Iran – und Deutschland. So sieht es zumindest Präsidentenberater Ali Hasanov. Die Beziehungen des Landes zum großen Nachbarn im Süden sind aus verschiedenen Gründen gespannt. Der Iran habe Aserbaidschan vorgeworfen, der ESC könne für eine Schwulenparade genutzt werden, berichtete Hasanov kürzlich. Größer noch ist der Ärger über Deutschland. Die Medien versagten oft darin, ein vollständiges Bild seines Landes zu zeichnen, kritisierte er. „Wir können diese Art der Fehlinformation aber nicht zulassen.“ Prompt warf die aserbaidschanische Botschaft in Berlin Deutschland eine „systematische Kampagne gegen Aserbaidschan“ vor, welche „voll von Verleumdungen und Täuschungen“ sei. Daran beteilige sich auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP). Kurz darauf legte die Zeitung der Regierungspartei nach und veröffentlichte eine Fotomontage, die Löning und den deutschen Botschafter in Baku, Herbert Quelle, neben aserbaidschanischen Oppositionellen und an der Seite von Adolf Hitler zeigte.

Der Streit markierte einen neuen Tiefpunkt in den Beziehungen beider Länder. Die Bundesregierung wies die Vorwürfe zurück. Es sei Lönings Aufgabe, „Defizite bei der Einhaltung von Menschen- und Grundrechten und bei der Pressefreiheit weltweit anzusprechen“, hieß es im Auswärtigen Amt.

Das Regime des autoritär regierenden Staatschefs Ilham Aliyev (Foto) wollte den ESC, dessen Finale am 26. Mai in der Stadt am Kaspischen Meer stattfindet, dazu nutzen, sich als gleichberechtigter Partner des Westens zu präsentieren und Baku als eine glitzernde, aufstrebende Metropole darzustellen. Doch die Journalisten, die vor dem ESC nach Baku reisten,

schrieben auch über Zwangsräumungen von Häusern und über die Unterdrückung politischer Gegner.

Aus aserbaidschanischer Sicht kann eine solche Berichterstattung nur gesteuert sein – offenbar weil die eigene Erfahrung mit von oben gelenkten regierungstreuen Medien dies lehrt.

Anders als in der Debatte um die Fußball-EM in der Ukraine wird in Deutschland allerdings keineswegs ein Boykott des

Gesangswettbewerbs in Baku gefordert.
Auch der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Löning sprach sich ausdrücklich gegen einen Boykott aus. Bürgerrechtler und regierungskritische Journalisten in Baku fürchten unterdessen schon die Zeit nach dem Eurovision Song Contest, wenn das Land nicht mehr im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit steht. „Nach dem ESC könnte unser Land ein zweites Weißrussland werden“, sagt einer von ihnen. cvs

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