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Joachim Gauck

© dapd

Debatte über Gauck: Unterschiedliches Verständnis von Freiheit

Elf namhafte Vertreter der früheren kirchlichen Opposition in der DDR machen gegen den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten mobil. Joachim Gaucks politisches Engagement nach der Diktaturerfahrung geht ihnen nicht weit genug.

Von Matthias Schlegel

Eine Gruppe früherer Vertreter der DDR-Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung aus dem kirchlichen Raum hat am Donnerstag eine Erklärung veröffentlicht, in der sie kritisch Positionen des Bundespräsidenten-Kandidaten Joachim Gauck hinterfragt. Der "Glanz des Unpolitischen", der Gauck umgebe, seine Rolle als "moralische Anstalt" wegen seiner früheren Tätigkeit als Pfarrer in der DDR, verdecke, "dass Gauck seit 1990 eminent politische Positionen übernommen hat", schreiben die Verfasser. Und weiter: "Wenn die Kritik an seinem Wirken als Politiker und öffentliche Person regelmäßig mit dem Argument seiner Diktaturerfahrung abgewehrt wird, entlässt man ihn aus der Verantwortung, die er trägt."

Die Unterzeichner seien wie Gauck auch durch die Diktaturerfahrung gegangen. „Uns hat, anders als ihn, nicht der Mangel an Freiheit am stärksten geprägt, sondern unser Kampf, unser Bemühen um ihre Durchsetzung in der DDR“, erklären sie. „Wenn wir in der DDR in unseren Freiheits-Texten von Frieden, Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung sprachen, haben wir damit auch eine grundsätzliche Kritik an der modernen Industriegesellschaft verbunden.“ Gauck habe „die Erwartungen derjenigen beflügelt, die durch die Beschwörung des Antikommunismus die Freiheit verteidigen wollen.“ Erforderlich sei aber für den künftigen Bundespräsidenten, drängende Fragen der Zukunft zu thematisieren – etwa den Angriff der Finanzmärkte auf die Demokratie abzuwehren oder wachsende Verarmung vieler bei explodierendem Reichtum weniger nicht länger hinzunehmen. Sie wollten diesen Bundespräsidenten daran messen, ob er die Politik dafür in die Verantwortung nehme.

Zu den Unterzeichnern gehören die Mitbegründerin des Friedenskreises Pankow Ruth Misselwitz, die frühere Pastorin und spätere Brandenburger Ausländerbeauftragte Almuth Berger, der langjährige Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer, der einstige Erfurter Propst Heino Falcke, der ehemalige Pfarrer an der Dresdner Kreuzkirche Christof Ziemer und der Mitbegründer des Neuen Forums Sebastian Pflugbeil. Auch Hans-Jochen Tschiche, ein weiterer Mitbegründer des Neuen Forums, der bereits unlängst erklärt hatte, Gauck sei die falsche Person für das Bundespräsidentenamt, hat die Erklärung unterschrieben. Ebenso Heiko Lietz, als Pfarrer in Mecklenburg ein langjähriger Weggefährte Gaucks, sowie der einstige Ost-Berliner Stadtjugendpfarrer Wolfram Hülsemann, der katholische Theologe Joachim Garstecki und der frühere Pfarrer und Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs Edelbert Richter.

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