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Und wer liest heimlich mit?

© dpa

Debatte um russische Cyber-Angriffe: CSU: Desinformation muss Straftatbestand werden

Innenpolitiker fürchten den Einfluss russischer Hacker und Medien auf den Bundestagswahlkampf. Ob Russland auch Akten des NSA-Untersuchungsausschusses an Wikileaks weitergab, ist aber umstritten.

Auch Deutschland muss sich nach Ansicht von Innenpolitikern und Sicherheitsexperten auf eine Einflussnahme Russlands im kommenden Wahlkampf einstellen. „Die Gefahr ist sehr groß, dass Hackerangriffe auf Parteien und Fraktionen und Desinformationskampagnen zunehmen werden“, sagte der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer dem Tagesspiegel. Mayer ist Mitglied im NSA- Untersuchungsausschuss, der möglicherweise ebenfalls Ziel eines russischen Hackerangriffes wurde.

Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gehen deutsche Sicherheitsbehörden davon aus, dass die mehr als 2400 kürzlich bei Wikileaks veröffentlichten Akten des Ausschusses 2015 bei einem russischen Hackerangriff auf den Bundestag gestohlen wurden. Russische Desinformationskampagnen gab es ebenfalls bereits – etwa die aus Moskau verbreiteten Berichte, wonach die Bundesregierung die angebliche Vergewaltigung eines Berliner Mädchens Lisa mit russlanddeutschem Hintergrund vertuschen wollte.

Auch Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen warnt, dass die russischen Aktivitäten im Wahljahr zunehmen könnten. Deutsche Politiker könnten etwa mittels gehackter Informationen gezielt diskreditiert werden, sagte Maaßen. Wie man dem begegnen könnte, ist unklar.

Aus Sicht Mayers muss zunächst einmal geklärt werden, „wer auf Seiten der Sicherheitsbehörden zuständig ist“. Im Falle von Desinformationskampagnen fehle auch eine rechtliche Grundlage zur Strafverfolgung: „Damit müssen wir uns dringend auseinandersetzen und einen entsprechenden Straftatbestand schaffen.“ Dann müsse das Internet verstärkt auf sogenannte Fake-Kampagnen – also die Verbreitung von Falschmeldungen – durchsucht und überprüft werden. Dafür allerdings wäre ein erheblicher Personaleinsatz nötig.

Opposition hat Zweifel bei NSA-Akten

Die Opposition hat Zweifel an den jüngsten aus Sicherheitskreisen geäußerten Vermutungen zum Ausmaß russischer Hackerangriffe und Kampagnen. „Grundsätzlich muss man die Gefahr solcher Angriffe auch mit Blick auf den Bundestagswahlkampf sehr ernst nehmen“, sagte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz dem Tagesspiegel.

Er sieht außerdem gravierende Sicherheitslücken im IT-Bereich in Deutschland. Ob Bundestag, Sicherheitsbehörden oder Medien, Verschlüsselungstechnologien würden kaum genutzt. „Hier müssen wir dringend etwas tun.“ Im Fall der von Wikileaks veröffentlichten Akten aus dem NSA-Ausschuss sei er aber skeptisch, ob tatsächlich Russland verantwortlich sei: „Als der Hackerangriff 2015 untersucht wurde, hieß es ausdrücklich, der Untersuchungsausschuss sei nicht betroffen“, erklärt Notz, der Obmann seiner Partei im NSA-Ausschuss ist.

André Hahn, Vertreter der Linkspartei im NSA-Ausschuss, sagte dem Tagesspiegel, es gebe diverse Möglichkeiten, wie die Akten an Wikileaks gelangt sein könnten. Eine russische Einflussnahme auf den Bundestags-Wahlkampf hält er sogar für „absurd“: „Ich sehe hier eher den Versuch, damit von innenpolitischen Problemen abzulenken.“

Die Bundesregierung hatte nach dem „Fall Lisa“ den BND und Verfassungsschutz beauftragt, russische Aktivitäten in und gegen Deutschland zu analysieren. Ihr Bericht ist offenbar fertig. Ob auch schon Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden, ist bisher aber nicht bekannt.

Republikaner glauben nicht an russischen Hackerangriff

In den USA verdichten sich indes die Verdachtsmomente gegen Russland. Die „Washington Post“ berichtete am Wohnende, aus internen CIA-Unterlagen gehe hervor, dass Insider mit Verbindungen nach Moskau die Enthüllungsplattform Wikileaks mit gehackten E-Mails der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton versorgt hätten. Es sei „allgemeiner Konsens“ in Geheimdienstkreisen, dass es Russlands Ziel gewesen sei, „Trump zur Wahl zu verhelfen“, zitierte die Zeitung einen ranghohen US-Beamten.

Die „New York Times“ berichtete, US-Geheimdienste gingen „mit hoher Sicherheit“ davon aus, dass russische Hacker in die Computersysteme sowohl der Republikaner als auch der Demokraten eingedrungen seien. Sie hätten aber „auffallenderweise“ nur die von den Demokraten gestohlenen Informationen an die Öffentlichkeit gebracht.

Der US-Geheimdienstkoordinator James Clapper sowie das Heimatschutzministerium hatten die russische Regierung bereits Anfang Oktober beschuldigt, hinter den Hackerangriffen zu stecken. Moskau wies dies als „Unsinn“ zurück. Auch die US-Republikaner streiten die Hacker-Angriff ab: „Das ist nicht passiert“, sagte Partei-Sprecher Spicer. Trumps Team rügte die Rückschlüsse der Geheimdienstler. „Dies sind dieselben Leute, die gesagt haben, Saddam Hussein habe Massenvernichtungswaffen“, hieß es in einer Erklärung vom Freitagabend. Der scheidende US-Präsident Barack Obama will die Vorgänge noch vor dem Ende seiner Amtszeit am 20. Januar aufklären lassen.

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