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Die SPD steht unter Druck im Fall Edathy.

© dpa

Der Fall Edathy: Gabriel: "Anstrengende Lage für Koalition"

Kanzlerin Angela Merkel will SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nicht offen angreifen, aber sie fordert die Klärung aller offenen Fragen. Der SPD-Chef verteidigt Oppermann und verweist auf das morgige Sechs-Augen-Gespräch der Parteichefs. Doch nicht nur die große Koalition ist wegen des Falles Edathy in Schwierigkeiten.

Es gibt derzeit nichts Dringlicheres als dieses Thema: Sebastian Edathy. Der Koalitionsausschuss, an dem normalerweise auch die Generalsekretäre der Parteien sowie die Fraktionschefs teilnehmen, ist zu einem Sechs-Augen-Gespräch zwischen den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) geschrumpft. Wobei man da wohl eher von gewachsen sprechen kann. Denn nun ist es ein echtes Krisentreffen, und es dürfte auch weniger um den konkreten Fall Edathy gehen als vielmehr um die zahlreichen Konsequenzen daraus: personelle und vor allem atmosphärische.

Die Union ist erbost über die SPD. Sie fordert offiziell Aufklärung, meint aber vor allem personelle Konsequenzen. Im Blickpunkt dabei: Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef. Ihm werfen sie vor, dass er mit seiner Veröffentlichung den mittlerweile Ex-Agrarminister Hans-Peter Friedrich in eine ausweglose Situation gebracht hat. Außerdem halten sie Oppermanns Kontaktaufnahme mit BKA-Chef Jörg Ziercke für unangemessen. Die CSU wirft Oppermann vor, dadurch Ziercke zum Rechtsbruch aufgefordert zu haben. Da aus dem Koalitionsausschuss nun ein Dreier-Gipfel geworden ist, wird auch Oppermann nicht daran teilnehmen.

Merkel will die Vorgänge um Oppermann nicht näher kommentieren. Aber über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ließ sie ausrichten, dass alle "im Raum stehenden Fragen umfassend geklärt werden müssen". Wie genau die Klärung erfolgen soll, sagte Seibert nicht. Aber für die Kanzlerin sei eines wichtig: "Jeder Minister ist Diener des Rechtsstaates." Es sei wichtig, das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat zu wahren. Seibert betonte, dass man im Bundeskanzleramt erst durch die Berichterstattung von dem Fall Edathy erfahren habe. Nur für einen trifft das nicht zu: Klaus-Dieter Fritsche. Der ist Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, aber zuvor war er Innen-Staatssekretär und derjenige, der über das BKA von den Vorermittlungen erfahren hatte und den damaligen Innenminister Friedrich informiert hatte. Seibert sah sich am Mittag in der Bundespressekonferenz genötigt, Merkels Stellvertreter, Sigmar Gabriel "volles Vertrauen" auszusprechen, was für einige Erheiterung sorgte. Denn bereits häufiger, drohte demjenigem im Anschluss an diese Vertrauensbekundung größeres Ungemach.

Gabriel selbst sieht die Koalition in einer "anstrengenden Lage". Der SPD-Chef verteidigte seinen Fraktionsvorsitzenden. Oppermann habe sich "absolut korrekt und einwandfrei" verhalten. "Er hat das getan, was man erwarten kann, zumal von einem Fraktionsvorsitzenden: Er hat offen und transparent informiert." Die große Koalition habe bisher vertrauensvoll zusammengearbeitet. "Und ich will diese vertrauensvolle und belastbare Zusammenarbeit fortsetzen." Gabriel wies Verdächtigungen, er, Oppermann oder Frank-Walter Steinmeier hätten Edathy informiert zurück. Der SPD-Chef kritisierte das Verhalten von Edathy scharf. Es handele sich um „seltsames und nicht zu rechtfertigendes Material“. SPD-Präsidium und Vorstand hätten sich „entsetzt und fassungslos über diese Handlungen“ gezeigt. „Sein Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag war damit unvermeidbar“, sagte Gabriel mit Blick auf die Aufgabe des Mandats.

Auch SPD-Vize Ralf Stegner lehnt einen Rücktritt Oppermanns ab. "Dass es Unmut bei der Union gibt, kann man nachvollziehen", sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. Aber das berechtige nicht zu Forderungen nach personellen Konsequenzen bei der SPD. "Die SPD-Spitze hat sich korrekt verhalten. Die Wahrheit nicht zu sagen, war keine Option", sagte Stegner.

Doch nicht nur auf politischer Ebene schlägt der Fall Edathy hohe Wellen. Auch BKA-Chef Ziercke muss wegen seines Telefonats mit Oppermann mit Konsequenzen rechnen. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden prüft Ermittlungen gegen Ziercke wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Oberstaatsanwalt Hartmut Frese sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es sei eine Anzeige gegen Ziercke eingegangen, die am Montag an die zuständige Abteilung weitergeleitet worden sei. Wie lange die Prüfung dauern werde, könne er nicht sagen. Die Anzeige sei bereits vergangene Woche per Mail eingetroffen und stamme nicht aus der Politik. Zuvor habe seine Behörde keinen Grund für eine entsprechende Vorprüfung gesehen.

Auch auf juristischem Gebiet kann der Fall Folgen haben. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte an, über eine Gesetzesänderung im Jugendschutzrecht nachzudenken. Die Staatsanwaltschaft Hannover bewertet das von Edathy bestellte Material selbst als "Grenzfall".

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