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Gibt es da Ähnlichkeiten? Yes, findet offenbar in Atlanta jemand und hat ein entsprechendes Plakat an eine Unterführung des Northbound Buford Highway geklebt.

© dpa

Der neue US-Präsident: Trump taugt nicht zum Schreckensherrscher

Donald Trump tritt auf wie ein Volkstribun, er spricht permanent zu den Massen und hat die "Great-again"-Größenwahnparole verinnerlicht. Verbrecherisch ist das aber nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Alle Welt wartet auf die Rede, die Donald Trump zu seiner Amtseinführung als Präsident der Vereinigten Staaten halten wird. Es wird eine Rede sein, nicht das Getwittere, mit dem er die Welt bislang in Atem gehalten hat. Ob kurz oder lang, die Welt wartet darauf, und ein wenig sieht es so aus, als ob die Welt, zumal das Europa der Union, erst jetzt recht gewahr würden, dass die Vereinigten Staaten die Vor- und Führungsmacht der freien Welt sind. Unvorstellbar, dass sie unter einem Präsidenten Trump diese Rolle aufgeben könnten, vor allem aber: unwünschbar. Aber tatsächlich unvorstellbar?

Schon dieser Gedanke, der nur einen Aspekt der bislang in Twitterbotschaften und einigen wenigen Zeitungsinterviews verbreiteten Ansichten Trumps beleuchtet, zeigt, dass der zunehmend angestellte Vergleich mit den autoritären Herrschern des 20. Jahrhunderts hinkt.

Der renommierte Osteuropa-Historiker Timothy Snyder hat ihn gar mit Blick auf Hitler gezogen. Es ist ein Vergleich, der sich – wenn überhaupt – auf den Stil beziehen kann, auf die Art und Weise, wie Trump kommuniziert. Trump verachtet die etablierten Medien als Kommunikationskanäle. Das ändert sich gerade insofern, als er als unmittelbar vor der Pforte des Weißen Hauses stehender Beinahe-Präsident gar nicht anders kann, als mit den Medien zu reden. Aber noch ist nicht deutlich, ob Trump sie zur Verbreitung von Ideen und Überzeugungen nutzen will, ob er je einen Grundsatzbeitrag liefern wird, wie es Präsidenten vor ihm getan haben.

Diffuser Volkswille wird in ihm zum Programm

Trump spricht zu den Massen, idealiter zum Volk, und es fällt auf, wie sehr er bislang betont, wie viele Tausend Zuhörer er hier und wie viele dort mobilisieren konnte, während seiner Kampagne, die als eine einzige, fortlaufende Massenansprache angelegt war.

Wer zum Volk spricht, wer vom Volk weniger ge- als vielmehr erwählt wird, ist der Volkstribun. Er bedarf keiner Wahlen und keiner Abstimmungen. In ihm findet der diffuse Wille des Volkes zu einem einheitlichen Ziel. „Make America great again“, ist Trumps Parole. Er verkörpert dieses Ziel in all seinem Tun, nicht allein im Handeln, sondern in seinem ganzen Sein. Da scheinen Parallelen zu Hitler auf, mehr noch zu Mussolini, der dem Mann aus Braunau um elf Jahre Machtausübung voraus war und ihm stets als Rollenmodell diente.

Stalin, der dritte große Diktator jener Jahrzehnte, herrschte durch die Bürokratie, willkürlich und allgewaltig, aber ungreifbar und fern wie einst der Zar. Die faschistischen Regime hingegen suchten den unmittelbaren Kontakt zum Volk, mochte es auch zunehmend handverlesen sein wie bei den Massenversammlungen der Nazis. Ob Trump seine Anhänger eigens per Bus herankarren ließ, ist unerheblich: Die Botschaft, die von seinen Versammlungen ausging und gezielt verbreitet wurde, war, dass da „das“ Volk versammelt ist und im Redner endlich „seine“ Stimme gefunden hat.

So ähnlich hat das Hitler auch inszeniert. Beim „Reichsparteitag“ 1936, bereits auf einem Höhepunkt seiner Beliebtheit, sprach er die merkwürdigen Sätze: „Das ist das Wunder unserer Zeit, dass ihr mich gefunden habt – dass ihr mich gefunden habt unter so vielen Millionen! Und dass ich euch gefunden habe, das ist Deutschlands Glück!“ So etwas würde Trump gewiss nicht sagen. Es war 1936 auch dem Zeitstil geschuldet; Volksfrontregierungen dieser Zeit haben vergleichbar Pathetisches von sich gegeben. Aber der Kern dieser Sätze, die Betonung einer besonderen Beziehung von Volk und Führer, ist nirgends fremd, wo einer den Volkstribun gibt und sich vom Volkswillen getragen wähnt.

Die Öffentlichkeit ist wachsam, das ist gut

Trump wird womöglich falsch eingeschätzt. Die Washingtonologen – man wird den Terminus analog den „Kremologen“ von einst wohl einführen müssen – tappen im Nebel. Unterschätzt aber wird Trump nicht. Das ist ein weiterer, großer Unterschied insbesondere zu Hitler. Hitler wurde geradezu systematisch unterschätzt. Als er 1925 „Mein Kampf“ veröffentlichte, schrieb die „Frankfurter Zeitung", neben dem "Berliner Tageblatt" ein liberales Leitmedium der Weimarer Demokratie, eine vernichtende Rezension. Sie endete mit den Worten: „Die Zeit ist weitergeschritten; Hitler aber ist - vollends nach diesem Selbstbekenntnis – erledigt.“ Selten war eine Prognose so falsch.

Trump ist nicht Hitler. Er mag seine Ziele nach Western-Manier kundtun – verbrecherisch ist keines. Diesen grundsätzlichen Unterschied gilt es zu betonen. Dass die Öffentlichkeit beunruhigt ist, ist ein gutes Zeichen: Sie ist wachsam. Hitler konnte seine grauenhaftesten Absichten offen verkünden, und fast niemand hat sie ernst genommen – bis er sie verwirklichte. Trump verkündet bislang eher wirres Zeug. Seine Absichten bleiben im Unklaren. Im Interview mit der „Bild“-Zeitung, das so hohe Wellen schlug, eben weil man nicht recht schlau daraus wurde, findet sich nebenbei der bezeichnende Satz: „Wer spielt Karten schon so, dass er jedem zeigt, was er auf der Hand hat, bevor er ausspielt?“ In die Karten gucken lassen will Trump sich nicht. Seine Absichten werden wir selbst herausfinden müssen; umso eher, je stärker die Länder des freiheitlichen Europa zu ihren gemeinsamen Werten stehen und für sie sprechen. Für sie – und für sich.

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