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Deutsch-polnische Kooperation: Haltet den Dieb - auch jenseits der Grenze

Deutschland und Polen haben am Donnerstag ein Abkommen zur besseren Zusammenarbeit von Polizei und Zoll geschlossen. Was soll sich ändern – und warum ist das nötig?

Es war ein langer Prozess, bis Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein polnischer Amtskollege Bartlomiej Sienkiewicz am Donnerstag in Zgorzelec das neue Polizeiabkommen zwischen beiden Ländern unterzeichnen konnten. Über Jahre hatte sich kein Regierungspolitiker im Bund und in den ostdeutschen Bundesländern entlang der Grenze zu Polen überhaupt gewagt einzugestehen, dass es seit dem Beitritt Polens zum Schengen-Raum und dem Wegfall der Grenzkontrollen Ende 2007 ein Problem mit Grenzkriminalität gibt. Worüber die Menschen entlang der Oder und Neiße seit langem schimpften, das trauten sich die Politiker lange nicht auszusprechen.

Tatsächlich verzeichneten die Sicherheitsbehörden seit 2007 einen rapiden Anstieg der Kriminalität – mehr Autodiebstähle, mehr aufgebrochene Autos und gestohlene Navigationsgeräte, mehr Wohnungseinbrüche, mehr gestohlene Baufahrzeuge und Landwirtschaftsmaschinen, ja selbst Fahrräder. Und das nicht nur entlang der Grenze, vor allem in Berlin, im Umland, sondern auch im Westen Deutschlands. Brandenburg ist wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wegen seiner Lage und den wichtigsten Ost-West-Transitstrecken nach Polen besonders betroffen. Europaweit tätige und bestens organisierte Banden schleusen in der Hauptstadtregion, in anderen Bundesländern und selbst in Westeuropa gestohlene deutsche Mittel- und Oberklasse-Wagen nach Osteuropa, ja bis nach Zentralasien, Tadschikistan und Usbekistan.

De Maizières Amtsvorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) begann nach langem Drängen aus den ostdeutschen Ländern vor zweieinhalb Jahren die Verhandlungen mit Polen über ein neues Polizeiabkommen. Das alte stammt von 2002. Ein Gemeinsames Zentrum für Deutsch-polnische Polizei- und Zollzusammenarbeit (GZ) an der Autobahn A12 am ehemaligen Grenzübergang Swiecko bei Frankfurt (Oder) gibt es bereits seit 2007, ebenso gemeinsame Streifen entlang der Grenzen. Doch im konkreten Einsatzfall waren den Beamten oft die Hände gebunden. Wenn eine deutsch-polnische Streife in Polen unterwegs war und einen Verdächtigen stellte, konnte der deutsche Beamte nichts tun, er durfte nur festhalten, bis ein polnischer Kollege kam. Und nur der durfte den Verdächtigen durchsuchen, seine Personalien aufnehmen oder ihn festnehmen.

Nach dem neuen Vertrag kann auch der deutsche Polizist dort jemanden bei entsprechendem Verdacht vorläufig festnehmen. Die Streifen bekommen damit erstmals hoheitliche Befugnisse. Und die werden zugleich auf mehr Delikte erweitert, die nach polnischem Recht nur Ordnungswidrigkeiten, in Deutschland aber Straftaten sind wie Fahrerflucht, Tankbetrug, Nötigung im Straßenverkehr oder Fahren ohne Fahrerlaubnis. Für gemeinsame Fahndungsgruppen deutscher und polnischer Beamte soll das Abkommen Rechtssicherheit schaffen. Künftig ist die Bildung gemeinsamer operativer Ermittlungsgruppen zur Bekämpfung von Banden, also der organisierten Kriminalität, wesentlich einfacher geregelt, die Befugnisse werden erweitert. Zudem wurde der territoriale Geltungsbereich des Abkommens erweitert. Künftig gilt als Grenzgebiet auf deutscher Seite nicht nur ein Streifen von 30 bis 50 Kilometern um die Grenzlinie, sondern das gesamte Gebiet der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Auch wenn alle Seiten diesen Vertrag als Fortschritt loben, wurden nicht alle Wünsche der Fachleute insbesondere in den Landesinnenministerien, den Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden erfüllt. Die sogenannte Nacheile in Polen etwa, also die Verfolgung von Verdächtigen durch deutsche Beamte, ist weiterhin nur möglich bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten. Wenn etwa Diebe beim Autoknacken in Berlin beobachtet und verfolgt werden, müssen die Fahnder auf der Brücke in Frankfurt (Oder) nicht halt machen. Anders ist es bei Kontrollen. Entzieht sich ein Autofahrer, flüchtet also, ist „Nacheile und Observation“ samt den neuen Rechten zur Festnahme nicht erlaubt. Auch sogenannte Joint Investigation Teams, kurz JIT, die für einzelne Fälle von Polizei und Staatsanwaltschaft eingerichtet werden, sieht das Polizeiabkommen nicht vor. Direkte Absprachen zwischen den Polizeibehörden einzelner Bundesländer und ihren Nachbar-Wojewodschaften in Polen sind ebenfalls nicht zulässig. Bei den beteiligten Fachleuten heißt es, die Verhandlungen zwischen der föderalen Bundesrepublik und dem zentralstaatlich organisierten Polen seien nicht immer einfach gewesen – wegen der Aufteilung hoheitlicher Rechte.

Bevor das Abkommen in Kraft tritt. müssen noch die Parlamente zustimmen. Die neuen Regelungen werden frühestens 2015 gelten. Sachsen drängt nun auf ein ähnliches Abkommen mit Tschechien.

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