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Fall Kundus: Jung will nicht zurücktreten

Der von der Bundeswehr Anfang September in der Nähe des nordafghanischen Kundus angeforderte Nato- Luftangriff hat den ehemaligen Verteidigungs- und heutigen Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) in schwere Bedrängnis gebracht. Im Bundestag gab er eine Erklärung ab.

Von Antje Sirleschtov

Hintergrund sind interne Informationen der Bundeswehr zu dem Angriff, bei dem neben Terroristen auch zahlreiche afghanische Zivilisten ums Leben kamen. Die Informationen wurden seit Wochen zurück- und der Staatsanwaltschaft vorenthalten. Jung gab in einer Erklärung vor dem Bundestag am Abend zu, von dem internen Bericht Anfang Oktober zwar erfahren, dessen Inhalte aber nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Auf sein Geheiß sei der Bericht an die Nato weitergeleitet worden. Rücktrittsforderungen lehnte der ehemalige Verteidigungsminister ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor bei einer Pressekonferenz mit dem neuen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Berlin eine Vertrauenserklärung gegenüber Jung vermieden. In einer Sondersitzung des Bundestags-Verteidigungsausschusses soll die Bundesregierung an diesem Freitag zu den Vorgängen Stellung nehmen. Vertreter aller Fraktionen – auch der schwarz-gelben Koalition – bekannten sich zu einem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung. Erwartet wird, dass der Verteidigungsausschuss die Untersuchen durchführen wird. Die Linksfraktion im hessischen Landtag zeigte Jung wegen Strafvereitelung im Amt an.

Der amtierende Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), gab zuvor dem Plenum Informationspannen in seinem Verantwortungsbereich „in der letzten Legislaturperiode“ zu und kündigte eine Untersuchung an. Er selbst habe erst am Mittwoch von dem Bericht über die Vorgänge in Kundus und einem dazugehörigen Video erfahren, sagte Guttenberg. Daraufhin habe er die Rücktrittsgesuche des Bundeswehr-Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und des Staatssekretärs im Verteidigungsministerium, Peter Wichert, angenommen.

Auslöser der Affäre ist ein Bericht von Bundeswehr-Feldjägern, der kurz nach der Bombardierung von zwei entführten Tanklastern nahe Kundus in Nordafghanistan am 4. September an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam übermittelt wurde. Der interne Bericht, über den die „Bild“-Zeitung am Donnerstag berichtete, belegt nicht nur, dass es bei dem Angriff zivile Opfer gegeben hat. Er deutet auch auf schwere Versäumnisse bei der Aufklärung unmittelbar vor dem Bombenabwurf hin. Der frühere Verteidigungsminister Jung hatte Kenntnisse über zivile Opfer bei dem Angriff stets zurückgewiesen. Bei dem Angriff wurden nach Nato-Angaben von Ende Oktober bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt, darunter 30 bis 40 Zivilisten.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Jung vor, Öffentlichkeit und Parlament Informationen „systematisch vorenthalten“ zu haben. Der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi forderte Jung zum Rücktritt auf. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin beschuldigte Jung, im Parlament die Unwahrheit gesagt zu haben. „Sie haben uns alle hinter die Fichte geführt, und das gehört sich nicht in einer Demokratie“, sagte Trittin und bedauerte es, dass Jung nicht „mannhaft“ zu seiner Verantwortung stehen und zurücktreten wolle Jung hatte am Vormittag eine Stellungnahme in der Plenardebatte zunächst abgelehnt. Erst auf Druck der Opposition bat er um einige Stunden Zeit zur Prüfung der Vorgänge.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, lobte Guttenberg für seinen Kurs. Die klaren Worte hätten die Soldaten zu Zeiten Jungs vermisst.

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