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© dpa

Internetpolitik: Schwarz-Gelb sucht Nähe zur Netzgemeinde

FDP und CDU starten neue Initiativen zur Netzpolitik. Innenminister de Maizière empfängt Internetaktivisten, die Regierungsfraktionen wollen eine Enquete-Kommission gründen. Die Community aber bleibt skeptisch.

Von Anna Sauerbrey

Die Lieblingsfeinde der Internetgemeinschaft sind schwarz. Da ist das Schreckgespenst „Zensursula“, die ehemalige Familienministerin, die plante, Internetnutzer auf ein Stoppschild umzuleiten, wenn sie kinderpornographische Seiten aufriefen. Und da ist Wolfgang Schäuble, der sich als Innenminister mit der Reform des BKA-Gesetzes unbeliebt machte. Aber auch die FDP hat seit der Bundestagswahl Ansehen verspielt, da sie sich anders als angekündigt nur mäßig gegen Internetsperren und Onlinedurchsuchungen engagierte.

Innenminister empfängt Netzaktivisten

Nun scheint sich die schwarz-gelbe Koalition der „Community“ wieder annähern und mit dem Thema Netzpolitik punkten zu wollen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) lud kürzlich Verbandsvertreter der Internet- und IT-Wirtschaft, aber auch Netzaktivisten und Mitglieder von Bürgerinitiativen zum ersten Gespräch in der Reihe „Perspektiven deutscher Netzpolitik“ ein. Zu Gast waren auch scharfe Kritiker der bisherigen CDU-Netzpolitik, unter anderem der Blogger Markus Beckedahl, ein Vertreter des Chaos Computer Clubs und ein Mitglied des „AK Vorratsdatenspeicherung“, einer Initiative, die zu den Klägern gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht gehört.

Gleichzeitig kündigten Abgeordnete der CDU- und FDP-Fraktionen an, innerhalb der nächsten Wochen eine Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ins Leben rufen zu wollen. Enquete-Kommissionen sollen „Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe“ vorbereiten und sind sowohl mit Abgeordneten als auch mit einvernehmlich von den Fraktionen benannten Sachverständigen besetzt. Die Enquete wäre neben dem Unterausschuss „Neue Medien“ das zweite parlamentarische Gremium, das sich mit Netzpolitik beschäftigt.

CDU und FDP planen Enquete-Kommission

Das Themenspektrum ist laut dem ersten Entwurf breit: Auf zwei Seiten wird eine Vielfalt von Problemen vom Zugang zu Forschungsergebnissen über Urheberrechte bis zum eGovernment aufgeworfen. „Es ist an der Zeit, dass sich die Politik neben dem Tagesgeschäft und aktuellen Fragen grundsätzlich Gedanken darüber macht, wie wir in der Informationsgesellschaft leben wollen“, begründete der junge FDP-Abgeordnete Manuel Höferlin die Initiative. Sogar leise Selbstkritik war zu hören. „Die CDU hat in der Debatte um Internetsperren nicht die richtige Antwort auf vorhandene Probleme gefunden, beispielsweise wie Kinderpornographie wirkungsvoll bekämpft werden kann", räumte Michael Kretschmer (CDU) ein.

Freundlich-skeptische Reaktionen der Netzgemeinschaft

Vertreter der Internetgemeinschaft und der Opposition begrüßten beide Initiativen. „Die neue Bundesregierung lernt aus den Fehlern der alten Bundesregierung“, sagte Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen, und der Blogger Markus Beckedahl sprach von einem „positiven ersten Schritt“. Die grundsätzliche Skepsis der Internetgemeinschaft gegenüber den politischen Absichten der Koalition allerdings scheint ungebrochen. „Es besteht die Gefahr, dass die Koalition sich bequem je nach Thema aussucht, was in der Enquete-Kommission grundsätzlich diskutiert wird, und was man tagesaktuell ohne Rücksicht auf Bedenken entscheiden kann", sagte etwa Beckedahl. Auch die Auswahl der Sachverständigen für die Kommission werden Experten und Mitglieder der Netzgemeinschaft wohl aufmerksam beobachten. „In der letzten Enquete kamen für meinen Geschmack zu viele Internetunternehmer zum Zug", sagte der Politikwissenschaftler Christoph Bieber, Experte für Netzpolitik, mit Bezug auf die letzte Enquete zu diesem Thema, die in den 90er Jahren tagte.

Ähnlich verhalten fiel auch die Bewertung des Treffens mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière aus. „Ob die Veranstaltung irgendwelche konkreten Wirkungen entfalten wird, steht in den Sternen. Immerhin können wir in Zukunft auf eine bessere Einbindung und Beteiligung als in der Vergangenheit hoffen“, schrieb Teilnehmer Patrick Breyer auf der Homepage des AK Vorratsdatenspeicherung. „Spannend wird auch, ob beim nächsten Treffen, wenn es um Urheberrechte geht, auch noch so viele Bürgerrechtler eingeladen werden wie dieses Mal“, meinte Beckedahl. Um das grundsätzliche Vertrauen der Internetaktiven zu gewinnen, ist offenbar noch viel Arbeit nötig.

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