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Nie wieder Judenhass! - Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin. Auch die AFD war da.

© Kai-Uwe Heinrich

Die AfD und Israel: Der Rechtspopulismus enthält unverkennbare braune Spuren

Die populistische Rechte in Deutschland versucht, die von ihr alarmierten Demokraten einzulullen. Da wundert es nicht, dass sie auch Kontakte zu Politikern in Israel sucht. Ein Gastbeitrag.

"Die verspätete Nation" – das waren die Deutschen, die im europäischen Vergleich erst spät ihren Nationalstaat gründeten. Und verspätet kommt die Nation nun an einem neuen Ziel an: Deutschland hat sich „normalisiert“ und europäisiert. Lange haben die Bundesrepublikaner auf dem Hintergrund der Geschichte des Dritten Reichs und des Holocaust sich gehütet, Parteien, die rechts von der CSU stehen, gedeihen zu lassen. Nach dem Verbot der SRP (1952) kamen rechtsradikale Parteien – wie NPD, Republikaner, DVU – bislang nicht in den Bundestag, anders als in den Ländern um Deutschland herum, inklusive Österreich. Doch jetzt scheint sich die Bundesrepublik an die europäische Umgebung angepasst zu haben: Die Fünf-Prozent Hürde ist nicht nur bei Landtagswahlen, sondern wird zum ersten Mal wohl auch bei den nächsten Bundestagswahlen überwunden. Die neue europäische Normalität hat Deutschland eingeholt.

Die populistische Rechte in Deutschland versucht, die von ihr alarmierten Demokraten einzulullen: Man kämpfe ja nur gegen die Islamisierung Europas, für die Erhaltung der traditionellen kollektiven Identität und gegen die Abschaffung der nationalen Souveränität. Die anrüchige Komponente des herkömmlichen Rechtsradikalismus, der Antisemitismus, soll bei ihr angeblich nicht vorhanden sein. Doch dieser Schein trügt.

Vor etwa 15 Jahren wurde in der FDP ein Versuch unternommen, weiter als gewohnt nach Rechts zu schielen; Es war der Fall Jürgen Möllemann: Anti-israelische und anti-jüdische Andeutungen tauchten im Wahlkampf auf, um neue Wähler anzuwerben. Kurz danach wagte auch der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann eine antisemitische Attacke. In beiden Fälle hat sich das demokratische System der Bundesrepublik gegen diese Angriffe erfolgreich wehren können. Die besondere Beziehung der Bundesrepublik zur jüngsten Vergangenheit blockierte nicht nur den Marsch der rechtsradikalen Parteien in den Bundestag, sie sorgte auch für die Hellhörigkeit der Verfassungsparteien beim Thema Rassismus und Antisemitismus.

Unter den Topfdeckeln ihrer Propaganda brodelt die braune Soße vor sich hin

Die Hemmungen sind nun verschwunden. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) befindet sich auf dem Vormarsch. Der ehemalige MdB Hohmann trat in die AfD ein, und AfD-MdL Wolfgang Gedeon wagte haarsträubende antisemitische Vorwürfe. Auch seine Gegner in der Partei wissen, dass unter den Topfdeckeln ihrer Propaganda die braune Soße vor sich hinbrodelt, zu der auch die Judenfeindschaft gehört. Wer wie Gedeon denkt, dass nicht nur Moslems, sondern auch orthodoxe Juden Antihumanisten sind, weil sie anders als Christen die Vermenschlichung Gottes ablehnen, schreibt Klartext.

Dabei geht es nicht nur um offene antisemitische oder rassistische Sprüche (Stichwort Boateng), sondern auch um das Vokabular, das die braunen Werte durch die Hintertür hineinfließen lassen, wie der Begriff „völkisch“. Wozu, fragt man sich, wurde Hitlers „Mein Kampf, eine kritische Edition“ veröffentlicht, wenn nicht, um den deutschen Lesern klarzumachen, was „völkisch“ bedeutet.

Beim Versuch der Rechtspopulisten, den Pariastatus abzuschütteln, wundert es nicht, dass sie – auch Frauke Petry – Kontakte zu Politikern in Israel suchen. Denn erstens wäre ihre Anerkennung von israelischer Seite eine Art optimaler „Koscher-Stempel“, also ein perfektes Alibi. Sogar bei Pegida-Demonstrationen lässt sich vereinzelt eine israelische Fahne blicken. Und zweitens scheint angeblich diese Allianz nicht aussichtslos zu sein, denn seit Jahren geht es in Israel für rechtspopulistische Parteien in der Wählergunst bergauf, ja sie zählen zu den Regierungsparteien.

Israel als Nachahmungsobjekt – auch beim Thema Antiflüchtlingszaun –, das ist für westliche Rechtspopulisten aus taktischen Gründen günstiger als Ungarn oder Polen. Auch der „gemeinsame Feind“ steht fest – der Islam als Verursacher von Terror. Dass Israel dabei trotzdem nicht mitmacht, hat man weniger den israelischen Politikern als vielmehr den Diaspora-Juden und dem israelischen Auswärtigen Amt zu verdanken, die schon früh Ungemach witterten: Der Rechtspopulismus enthält unverkennbare braune Spuren. Diejenigen, die behaupten, dass der Rechtspopulismus in Deutschland, wie überall in Europa, bloß eine legitime Reaktion auf den Islamismus und die Bedrohung der europäischen Werte und Identitäten sei, werden bald sehen, wie sich der Kreis schließt und – dem Israel-Alibi zum Trotz – wie der Rassismus samt Antisemitismus an die Oberfläche kommt.

- Shimon Stein war Botschafter Israels in Berlin (2001-2007), Moshe Zimmermann ist Professor em. für deutsche Geschichte, Jerusalem.

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