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Umstritten. Der Vorsitzende der polnischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit", Jaroslaw Kaczynski.

© REUTERS

Die EU und Polen: Auf die Gesellschaft kommt es an

Im Entwurf des Koalitionsvertrags wird der Dialog der Gesellschaften in den deutsch-polnischen Beziehungen hervorgehoben. Da klingt die schwierige EU-Beziehung zur nationalkonservativen Regierung in Warschau an.

Die Wege Europas in einer sich möglicherweise anbahnenden großen Koalition sind verschlungen. Im Wahlkampf spielte Europa kaum eine Rolle. Dann hielt SPD-Chef Martin Schulz beim Parteitag in Berlin im vergangenen Dezember ein Plädoyer für die „Vereinigten Staaten von Europa“. Die kühne Formulierung fand zwar keinen Eingang in den Koalitionsvertrag. Dafür wird nun im vorliegenden Entwurf der Koalitionsvereinbarung – anders als im Europa-Kapitel des Sondierungspapiers von Union und SPD – die Rolle der östlichen EU-Mitgliedstaaten Polen und Ungarn ausdrücklich betont.

Im Entwurf des Koalitionsvertrages wird daran erinnert, „dass Polen und Ungarn den Grundstein für Europas und Deutschlands Wiedervereinigung in Freiheit gelegt haben“. „Auf dieser Basis wollen wir die Zusammenarbeit mit unserem Nachbarland Polen ausbauen“, heißt es weiter.

Dass sich Deutschland in der Europäischen Union traditionell in der Rolle des Brückenbauers zwischen Ost und West sieht, ist an sich nicht neu. So hatte etwa Peter Ptassek, der stellvertretende Abteilungsleiter Europa im Auswärtigen Amt, am Montagabend bei einer Diskussionsveranstaltung der Europäischen Akademie Berlin und der Denkfabrik „Progressives Zentrum“ betont: „Es muss uns daran liegen, dass wir Osten und Westen zusammenhalten.“ Dass aber Polen und Ungarn neben Frankreich im Koalitionsvertrag explizit erwähnt werden, ist dennoch angesichts der ehrgeizigen Kerneuropa-Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bemerkenswert.

Vorreiter-Rolle Deutschlands und Frankreichs

Macron hatte in seiner Rede in der Pariser Universität Sorbonne im September zwei Tage nach der Bundestagswahl insbesondere eine Vertiefung der Zusammenarbeit unter den 19 Staaten der Wirtschafts- und Währungsunion gefordert, der Polen und Ungarn nicht angehören. In der Koalitionsvereinbarung wird Macrons Impuls einerseits aufgenommen. Die Bundesregierung wolle „in enger Partnerschaft mit Frankreich die Euro-Zone nachhaltig stärken und reformieren, so dass der Euro globalen Krisen besser standhalten kann“, heißt es im Entwurf. Die Vorreiter-Rolle Deutschlands und Frankreichs wird in dem Papier insofern betont, als beide Länder „zu allen wichtigen Fragen der europäischen und internationalen Politik“ gemeinsame Positionen entwickeln und „in Bereichen, in denen die EU mit 27 Mitgliedstaaten nicht handlungsfähig ist, vorangehen“ wollen. Dennoch soll insbesondere Polen auch künftig nicht abgehängt werden: Dem Dialog der Gesellschaften Polens und Deutschlands komme „gerade jetzt eine herausragende Bedeutung zu“, heißt es.

Pläne der EU-Kommission zur Mittelkürzung

Die Formulierung zielt offenbar auf die nationalkonservative Regierung in Polen, gegen welche die EU-Kommission ein – auch von der Bundesregierung unterstütztes – Rechtsstaatsverfahren eingeleitet hat. Wegen des Streits um die Justizreform hat Brüssel ein Verfahren begonnen, das theoretisch zum Entzug der Stimmrechte Polens in der EU führen könnte. Allerdings hat Ungarns Regierungschef Viktor Orban bereits sein Veto gegen einen solchen Schritt angekündigt. Parallel arbeitet die EU-Kommission inzwischen an Plänen, in der künftigen EU-Haushaltsperiode ab 2021 die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards zu koppeln. Davon könnten Länder wie Polen, Ungarn und Rumänien betroffen sein.

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