zum Hauptinhalt
Foto: dpa

© dpa

CSU: Die ewige Frage nach dem Erlöser

Es läuft nicht rund: In der CSU hat der einstige Hoffnungsträger Seehofer an Renommee verloren – der neue Favorit heißt Guttenberg.

Bedenkt man den politischen Wirbel, den er mit seinen neuesten Querschüssen produziert hat, trifft man dieser Tage auf einen erstaunlich entspannt wirkenden Horst Seehofer. Da schlendert der bayerische Ministerpräsident zum Beispiel milde lächelnd durch den Landtag in München. Keine Eile scheint ihn zu treiben. Der Gegenwind auch aus dem eigenen Lager entlockt ihm nur ein gequältes Lächeln. Dass etwa der Bundespräsident in der fernen Türkei seine Integrationsthesen kritisiert, will der CSU-Chef aber lieber nicht kommentieren. Bestimmt drückt er die Mikrofone der Journalisten zur Seite: „Weil es sonst nur wieder heißt: Der Seehofer fühlt sich missverstanden“, erklärt er. Stattdessen plaudert er darüber, dass sein Kabinett gerade die Wasserversorgung Nordbayerns gesichert habe. Man werde dafür sorgen, dass der Süden des Landes auch in Zeiten des Klimawandels nicht überschwemmt werde und der Norden nicht austrockne.

Erfolgserlebnisse sind derzeit rar: Es läuft nicht für den wendigen Taktierer Seehofer, der seinen Kritikern gerne vorwirft, Politik zu kleinteilig zu betrachten und nicht „vom Ende her“. Es läuft nicht in Berlin, wo zuletzt seine offenbar unabgestimmte Kehrtwende zur Rente mit 67 ausgerechnet in den CSU-Reihen auf die schärfsten Widerworte stieß. Aber auch in Bayern läuft es nicht: Zwar berichten CSU-Landtagsabgeordnete, dass Seehofers Forderung nach einem Zuwanderungsstopp an der Parteibasis durchaus breite Zustimmung findet. Ein Effekt, der für den CSU-Chef schon deshalb nicht unwichtig ist, weil er sich am kommenden Wochenende auf dem CSU-Parteitag dem internen Popularitätstest stellen muss.

In den Führungszirkeln der Partei gibt es allerdings Bedenken, ob ein Rückfall in die Anti-Ausländer-Rhetorik der 90er Jahre mit der vom Parteichef verordneten Modernisierung der CSU zusammenpasst. So sollen etwa mithilfe einer umfassenden Parteireform, die auf dem Parteitag zur Abstimmung steht, junge, gut ausgebildete Frauen als CSU-Wähler gewonnen werden – eine Zielgruppe, bei der die CSU bisher kaum punkten konnte.

Um die Partei weiblicher zu machen, will Seehofer sogar eine Frauenquote von 40 Prozent in den CSU-Führungsgremien durchsetzen. Doch obwohl die Kreis- und Ortsverbände vorerst davon ausgenommen sind, stößt Seehofers Quote an der von Männern dominierten Parteibasis auf Widerwillen. „Es läuft ganz gut, nach allem, was ich höre“, spricht sich der Parteichef zwar selbst Mut zu. Doch gewinnen kann er mit dem Thema nichts: Die Frauen in der Partei bekommen trotz Seehofers Unterstützung bestenfalls eine „Quote light“. Und die Mehrzahl der CSU-Männer ist sauer, weil ihnen selbst das schon zu viel ist. Die Abstimmung auf dem Parteitag könnte von manchen Delegierten zu einer verkappten Vertrauensfrage an den Parteichef uminterpretiert werden.

Im Landtag hat Seehofer ein weiteres Problem, bei dem er letztlich nur verlieren kann: Teile der alten CSU-Führungsgarde sind im Zuge des Milliardendebakels der staatlichen Bayerischen Landesbank von Schadenersatzklagen bedroht. So hat ein vom Landtag bestelltes Rechtsgutachten kürzlich festgestellt, dass die früheren Verwaltungsräte der Landesbank bei der Milliardenspekulation mit US-Hypothekenpapieren grob fahrlässig gehandelt haben und deshalb für die Verluste mit haftbar gemacht werden können.

Für Seehofer besonders pikant: Unter den Betroffenen sind auch Erwin Huber und Günther Beckstein, denen er nach dem Verlust der absoluten Macht bei der Landtagswahl vor gut zwei Jahren mit harten Bandagen die Spitzenposten in Partei und Landesregierung abgenommen hatte. In der Landtags-CSU scheint sich zudem die Auffassung durchzusetzen, dass man die eigenen Leute nicht ans juristische Messer liefern darf. Die Erwartungshaltung an Seehofer ist damit klar: Er muss eine Klage gegen die Altvorderen auf alle Fälle verhindern. Damit allerdings würde er sein Versprechen brechen, das Milliardendebakel der Bayern LB ohne Ansehen der betroffenen Personen aufzuklären.

Angesichts der beharrlich unter vierzig Prozent bleibenden Umfragewerte gewinnt in der Landtags-CSU die Auffassung an Gewicht, „dass es so nicht weitergeht“. Offen sagen will es zwar noch keiner. Aber in der selbst ernannten „Herzkammer der CSU“ trauen viele dem Instinkt-Politiker Seehofer die Trendumkehr nicht mehr zu. Sie schielen längst auf den vermeintlichen Erlöser aus Oberfranken: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Henry Stern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false