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Caren Lay (38) ist seit Mai Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei. Die aus dem Rheinland stammende Soziologin ging für die PDS nach Sachsen. Sie gehört zum Reformerflügel.

© Mike Wolff

Linken-Geschäftsführerin Lay: „Die SPD wird ihre Arroganz ablegen“

Linken-Bundesgeschäftsführerin Caren Lay spricht im Interview über bequeme Opposition, unbequeme Genossen und die Landtagswahlen im kommenden Jahr.

Frau Lay, Ihre Partei fällt derzeit vor allem mit Streit auf, inhaltlich passiert wenig. Führen Sie Statistiken über die Erwähnung der Linkspartei in den Medien?

Nein. Aber selbstverständlich analysieren wir, wie wir wahrgenommen werden. Wenn wir feststellen, dass die Grünen in Hauptausgaben von ARD und ZDF 15 Mal häufiger zitiert werden als wir, kann uns das nicht gefallen. Erst recht wenn gute Vorschläge von uns kommen, dürfen sie nicht medial ignoriert werden. Wir wollen mit eigenen Themen punkten und so die Wahlen im kommenden Jahr erfolgreich bestehen.

Ihre Vorsitzende Gesine Lötzsch fordert, dass die Parteien gewichtet entsprechend ihrer Wählerbasis in den Medien dargestellt werden sollten.

Das ist ein Appell an die Einhaltung demokratischer Spielregeln. Natürlich dürfen wir uns ärgern, wenn wir nicht so reflektiert werden, wie das unserer Stärke entspricht.

2010 war geprägt vor allem durch den Rückzug von Oskar Lafontaine aus der Bundespolitik. Sind die Probleme ausgestanden?

In der Tat, es war ein turbulentes Jahr. Wir haben es ganz gut verkraftet. Wir liegen stabil in den Umfragen, die Wählerbindung ist so hoch wie bei keiner anderen Partei.

Aber die Unruhe in Ihrer Partei reißt nicht ab. Jetzt wollen sich Abgeordnete aus dem Osten zu einer Landesgruppe zusammenschließen, und einige von ihnen verstehen dieses Bündnis auch als Bollwerk gegen den glücklosen Lafontaine-Nachfolger Klaus Ernst. Bahnt sich eine Revolte an?

Warten wir erst mal ab. Landesgruppen und Regionalgruppen sind bei uns keine Neuerung.

Anders als etwa die Grünen können sie von der Schwäche der schwarz-gelben Bundesregierung nicht profitieren.

Der Hype um die Grünen ist eine Spekulationsblase. Sie wird in sich zusammenfallen, wenn die Grünen sich nach den Wahlen erklären müssen, mit wem sie eigentlich regieren wollen. Wie ernst ist der Politikwechsel bei den Grünen gemeint? In Hamburg haben sie die Koalition mit der CDU verlassen, für die Zukunft schließen sie schwarz-grüne Bündnisse aber nicht aus. Wer wirklich ökologischen Wandel und mehr Bürgernähe will, muss gegenüber der CDU klare Kante zeigen und Koalitionen mit ihnen strikt ablehnen.

Was wird Ihr Thema im kommenden Jahr?

Wir haben bisher nicht auf die falschen Themen gesetzt, weder in der Friedenspolitik noch mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit. Neu hinzu kommt die Demokratiefrage, wie sie etwa im Umgang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 oder beim Wiederaufleben der Antiatomproteste ihren Ausdruck fand. Da kommt etwas in Bewegung, und wir sind dabei.

Mindestens sieben Landtagswahlen wird es 2011 geben. Wer sind Ihre Hauptwettbewerber?

In unserer Wahlstrategie haben wir festgelegt, dass wir uns in erster Linie gegen die falsche Politik von Union und FDP wenden, gegen fortschreitende Privatisierung und Umverteilung von unten nach oben. Schwarz-Gelb sind unsere Hauptgegner. Mit SPD und Grünen fischen wir zuweilen im gleichen Becken, diese beiden Parteien sind unsere Hauptkonkurrenten. Diese Unterscheidung ist wichtig.

Sie selbst sind offen für Bündnisse mit der SPD und auch den Grünen. Von den Sozialdemokraten aber werden sie links liegen gelassen. Nervt das?

Ich sehe es gelassen, wenn die SPD gegen uns keilt oder uns mit Nichtachtung straft. Deren Taktik ist leicht zu durchschauen: Sie will uns herausdrängen, uns als überflüssig deklarieren. Die Wählerinnen und Wähler werden da nicht mitspielen. Nach wie vor ist der Glaubwürdigkeitsverlust von SPD und Grünen aus deren gemeinsamer Regierungszeit nicht wettgemacht, obwohl sie jetzt in der bequemen Oppositionsrolle sind. Beide Parteien werden ihre arrogante Haltung noch ablegen.

In Sachsen-Anhalt könnte die Linkspartei im März stärkste Kraft werden. Die SPD will dort auf keinen Fall einen linken Ministerpräsidenten wähle.

Das ist eine absurde und völlig undemokratische Position, ein großer strategischer Fehler der SPD. Die inhaltlichen Überschneidungen zwischen SPD und Linkspartei sind in Sachsen-Anhalt groß. Wenn die Sozialdemokraten einen Politikwechsel wollen, werden sie einen Ministerpräsidenten der Linken wählen müssen, sollten wir die stärkste Fraktion stellen. Aber bisher ist die SPD offenbar noch nicht im Fünf-Parteien-System angekommen. Sie hat bisher nicht verkraftet, dass sie uns dauerhaft ertragen muss.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt, im Westen stehe die Linkspartei unter dem Diktat von Sektierern und Ideologen. Was ist da dran?

Ich reise viel durchs Land und bin oft erstaunt, wie gut wir als junge Partei inzwischen auch im Westen aufgestellt sind. Inhaltlich trennt uns zwischen Ost und West fast nichts mehr. Wenn wir mit Fraktionen in die Parlamente kommen, etabliert sich die Partei und wächst mit den Aufgaben ganz automatisch. So zähmt die neue Verantwortung den einen oder anderen Genossen. In Nordrhein-Westfalen ist ziemlich gut zu beobachten, wie meine Parteifreunde aus dem schwierigen realen politischen Geschäft das Beste gemacht haben.

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz muss die Linkspartei um den Einzug in die Parlamente zittern. Was würde ein Scheitern auslösen?

Ich bin für alle Landtagswahlen sehr zuversichtlich, die beiden erwähnten eingeschlossen. Das wäre ein starkes Signal in die gesamte Partei.

2011 will die Linke ihr Grundsatzprogramm beschließen. Lafontaine mahnt, die antikapitalistische Grundorientierung des Entwurfs müsse erhalten bleiben.

Das ist gar nicht die Frage, und deshalb sollten wir auch keine Pappkameraden aufbauen. Wir als demokratisch-sozialistische Partei sind uns in der kapitalismuskritischen Haltung selbstverständlich einig. Eine ganz andere Frage ist, ob mit dem Begriff der kapitalistischen Unterdrückung unsere moderne Gesellschaft ausreichend beschrieben ist. Da allerdings habe ich meine Zweifel.

Caren Lay (38) ist seit Mai Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei. Die aus dem Rheinland stammende Soziologin ging für die PDS nach Sachsen. Sie gehört zum Reformerflügel. Das Gespräch führte Matthias Meisner.

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