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Bessere Zeiten.

© picture alliance / dpa

Diplomatischer Kollaps: Der Streit zwischen Türkei und Österreich eskaliert

Die Türkei beordert ihren Botschafter aus Wien zurück, Politiker beschimpfen sich – der Streit zwischen beiden Ländern ist ein diplomatischer Kollaps.

Einfach waren die Beziehungen nie. Zwei Türkenbelagerungen von Wien hängen im kollektiven Gedächtnis der Österreicher. Gegen den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hatte sich eine österreichische Außenministerin 2005 eine ganze Nacht lang in Brüssel quergestellt. Und seit die rechtsgerichtete FPÖ scheinbar unaufholbar alle Umfragen führt und die Regierungsparteien vor sich hertreibt, werden die Beziehungen nur noch schlechter. Nun berief Ankara seinen Botschafter aus Wien zurück.

„Österreich ist in letzter Zeit das Zentrum der Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus und der Gegnerschaft zum Islam geworden“, sagte Mevlüt Çavusoglu vor Wochen in einem Fernsehinterview. Der türkische Außenminister wiederholte seine ungewöhnliche Äußerung, als er am Montagabend den Rückruf des Botschafters aus Wien bekannt gab. „Bedauerlicherweise sind die Gründe entfallen, unsere bilateralen Verbindungen die Zusammenarbeit mit Österreich wie bisher aufrechtzuerhalten“, sagte Çavusoglu.

Auslöser für die Botschafter-Rückberufung war eine prokurdische Demonstration am vergangenen Samstag in Wien. Sie folgte auf drei Terroranschläge der PKK auf Polizeieinrichtungen allein in jener Woche. Unter den Opfern war auch wieder ein Kind. Einen vierten Anschlag verübte die PKK am Sonntag. Bei der angemeldeten Kundgebung in Wien forderten die Demonstranten Freiheit für den Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan. Mit ihm hatte die türkische Regierung zeitweise über eine politische Lösung der Kurdenfrage verhandelt.

Die Türkei hat vergangenes Jahr schon einmal ihren Botschafter zurückgerufen

„Sie unterstützen eine Terrororganisation, die die Türkei angreift“, warf Außenminister Çavusoglu den Österreichern vor. Die PKK ist in der Türkei ebenso wie in der EU und den USA als Terrorgruppe eingestuft.

Im vergangenen Jahr hatte das türkische Außenministerium schon einmal seinen Botschafter in Wien zurückgerufen. Damals folgte der Schritt auf die Resolution des österreichischen Parlaments zur Anerkennung des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich.

Dieses Mal aber ist es anders. Denn Österreich ist das erste EU-Land, das offen ein Ende der Beitrittsverhandlungen mit Ankara verlangt. Der Konflikt ist in vieler Hinsicht eine ersatzweise Auseinandersetzung der Europäer mit Erdogan. Das erklärt die heftigen Reaktionen aus Ankara gegenüber dem kleinen, scheinbar wenig einflussreichen Mitgliedsstaat.

Reaktionen aus der Türkei sind schärfer

Die Beitrittsgespräche sind eine Illusion, sagt der österreichische Kanzler seit Wochen. Beim EU-Gipfel in Bratislava will der Sozialdemokrat Christian Kern Alternativen zur Mitgliedschaft der Türkei in der EU vorlegen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wies die Idee allerdings bereits zurück. In Ankara reagiert man gröber: „Verpiss dich, Ungläubiger“, schrieb Burhan Kuzu, ein führender türkischer Regierungspolitiker auf Twitter. Kuzu leitet seit Jahren die Verfassungskommission des türkischen Parlaments und ist ein Berater von Staatspräsident Erdogan.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz vom konservativen Koalitionspartner ÖVP kündigte bereits ein Veto gegen eine Öffnung weiterer Verhandlungskapitel mit der Türkei an. Dass der Flüchtlingsdeal mit Ankara angesichts dieser politischen Kampfansagen scheitern könnte, halten die Regierungspolitiker in Wien für unwahrscheinlich oder auch nur einfach unwichtig.

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