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Zorniger Jubel. Junge Trump-Fans bei der Wahlparty der Demokraten in New York.

© AFP

1 Tag nach der Wahl: Donald Trump wird US-Präsident: Die Rache der weißen Männer

Bei allen berechtigten Einwänden gegen Hillary Clinton wäre sie doch besser auf das Amt des Präsidenten vorbereitet gewesen als Donald Trump. Was ist mit den Amerikanern los? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Nationen können sich ihre Zukunft verbauen, wenn sie Fehler machen. Dabei denkt man zuerst an Regierungen, die politische oder ökonomische Irrwege einschlagen oder gar Kriege provozieren. Abschreckende Beispiele sind Baschar al Assad, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, aber auch David Cameron. Mitunter verbauen sich Gesellschaften jedoch die Zukunft selbst, weil sie falsche Weichenstellungen in demokratischen Abstimmungen legitimieren.

Die Brexit-Überraschung war die Ouvertüre für das Wahldrama in den USA. Zuvor hatten die Vernunftgläubigen sich mit der Hoffnung beruhigt: Am Ende werde es so schlimm nicht kommen. Diesen Optimismus leistet sich beim Blick auf Amerika schon lange niemand mehr. Auf bestürzende Weise weitet sich die Zone, in der mit irrationalen Entscheidungen gerechnet werden muss, aus.

Präsident Donald Trump? Das ist verstörend, ja: ein Skandal. Bei allen berechtigten Einwänden gegen Hillary Clinton dürfte keine Frage sein, wer von beiden besser vorbereitet ist auf das wichtigste Wahlamt der Welt. Clinton selbstverständlich. Und ebenso, wer sich durch das Auftreten im Wahlkampf disqualifiziert hat. Trump hat eine hasserfüllte Kampagne geführt, die von Prahlerei und frei erfundenen Anklagen nur so strotzte.

Man hätte Amerika – und seinen Partnern, für die vieles von diesem Wahlausgang abhängt – gewünscht, dass der Alptraum im Zuge der Wahlnacht in Erleichterung umschlägt. Erleichterung, was der Welt alles erspart bliebe, wenn Trump nicht Präsident wird. Keine Verwerfung an den Börsen wegen seiner Unberechenbarkeit und der Drohung mit hohen Strafzöllen gegen Mexiko und China. Kein Rückzug der USA aus ihrer weltpolitischen Verantwortung; keine Schwächung der Nato, die wie eine Einladung an Putin wirkt, zu testen, wie weit er nun gehen kann. Keine verantwortungslose Steuersenkung, die nach Berechnung der Experten zu einer Verdreifachung der US- Schulden führen würde.

Viele weiße US-Amerikaner, der "White Trash", haben offenbar mit der Wahl Trumps ihren Protest zum Ausdruck gebracht, dass sie selbst längst zu den wirtschaftlich und sozial Abgehängten, Benachteiligten und Ausgegrenzten in ihrem Land gehören.

schreibt NutzerIn spreeathen

Für viele scheint Trumps Charakter zweitrangig zu sein

Was ist mit den Amis los? Für viele scheint Trumps Charakter zweitrangig zu sein – zwei Drittel sagen, ihm fehle die Eignung für das Amt – und doch nutzen sie seine Wahl als Verdikt über den Kurs des Landes und seine Führungsschicht. In beiden Fällen weist ihr Daumen nach unten. Ja, Amerika ist ein Einwanderungsland; auch die Vorfahren derer, die jetzt für ihn stimmen, waren mal Einwanderer. Aber elf, zwölf Millionen Illegale, die die Arbeitslöhne für die Einheimischen drücken, empfindet eine Mehrheit als Skandal. Und erst recht, dass sich die Regierung mehr Gedanken macht, wie sie die Illegalen eingliedert, als darüber, wie sie die Grenze schließt. Trump findet auch Resonanz mit seiner Anklage, das Wirtschaftssystem sei „manipuliert“. Die Mittelschicht hat seit drei Jahrzehnten keinen realen Einkommenszuwachs gesehen, während die Reichsten und die Konzerne absahnten. Die Ignoranz „der da oben“ zeigt sich zudem darin, dass die Meinungsforscher so weit daneben lagen, wie „die da unten“ ticken.

Trumps Sieg ist die Rache der weißen Männer. Noch sind wir die Mehrheit, meldet sich dieser Teil der Gesellschaft zurück, der das Land aufgebaut hat, aber sieht, wie ihm der Lohn dafür und die Kontrolle über die Zukunft entgleiten. Diese Menschen wählen Trump nicht, weil sie seine Person schätzen, sondern weil er verspricht, den Kurs zu ändern. Es ist eine Revolte der Weißen ohne College-Abschluss gegen die Wirtschaftselite. Eine Revolte nationaler Monokultur auf dem Land und in „Small Town America“ gegen Multikulti-Großstädte.

Trump hat diese Gefühle nicht geschaffen, sondern demagogisch genutzt. Der Hass, den er schürte, wird nicht verschwinden. Er kann in Gewalt umschlagen. In Großbritannien hat das Brexit-Votum manche zu Selbstjustiz gegen Migranten ermuntert. Trump ist ein Irrweg. Er hat in keiner zentralen Politikfrage ein überzeugendes Programm vorgelegt.

Nationen müssen offenbar manchmal einen Irrweg einschlagen, um zu erfahren, dass er ein Fehler ist. Und um ihn bei der nächsten Wahl zu korrigieren.

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