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Julia Timoschenko wird vorerst nicht aus der Ukraine ausreisen können.

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Update

Druck aus Russland: Ukraine legt Abkommen mit der EU auf Eis

Nach der Ablehnung von Gesetzen, die der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko die Ausreise ermöglicht hätten, hat die Ukraine die Vorbereitungen für ein jahrelang geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt.

Es ist eine Extrem-Wende an einem schicksalhaften Tag für die Ukraine. Der jahrelange Kurs, sich unter Nutzung westlicher Milliardenhilfen an die EU anzunähern, ist wie aus heiterem Himmel gestoppt. Es gehe um die „nationale Sicherheit“ der Ex-Sowjetrepublik, teilte das Kabinett in Kiew mit. Deshalb würden die Vorbereitungen für ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine ausgesetzt, das kommende Woche in Vilnius unterzeichnet werden sollte. Zugleich verkündete die Regierung in Kiew, die Ukraine wolle die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Russland und anderen Staaten der Zollunion verbessern. Neben Russland gehören Weißrussland und Kasachstan zur Zollunion, Moskau strebt einen Beitritt der Ukraine an.

Vor allem die Führung in Moskau machte immer wieder Front gegen diese Art der Erweiterungspolitik der EU. Es war Kremlchef Wladimir Putin, unlängst von dem US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ erstmals zum mächtigsten Mann der Welt gekürt, der am Donnerstag die Kehrtwende von Kiew einleitete. Er schlug vor, in Dreiergesprächen der EU, Ukraine und Russlands gründlich über die Folgen eines solchen Assoziierungsabkommens zu sprechen. Wenig später dann der Regierungsbeschluss dazu aus Kiew.

Kurz zuvor waren im ukrainischen Parlament erneut Initiativen gescheitert, die in Haft erkrankte Oppositionsführerin Julia Timoschenko mit einem Sondergesetz zur Behandlung nach Deutschland zu schicken. „Schande! Schande!“, riefen die Abgeordneten von Boxweltmeister Witali Klitschkos Partei „Udar“ („Schlag“) nach der gescheiterten Abstimmung. Die drei Oppositionsparteien hatten geltend gemacht, sie hätten nicht weniger als 19 Empfehlungen der Partei PRU von Staatspräsident Viktor Janukowitsch in ihr Gesetzesprojekt eingearbeitet. Doch alles Entgegenkommen nützte nichts.

„Alle Masken sind gefallen“, kommentierte nach der verlorenen Abstimmung Arsenij Jatseniuk, Fraktionschef der Timoschenko-Partei „Batkiwtischina“ („Vaterland“). Die Angst Janukowitschs vor Timoschenko habe gesiegt, der Staatschef wolle deshalb den EU-Vertrag nicht mehr unterschreiben, klagte Jatseniuk.

Die Verhandlungen über das Abkommen wurden 2007 aufgenommen und im Dezember 2011 abgeschlossen. Drei Monate später haben beide Seiten den Vertrag paraphiert, also gebilligt, aber noch nicht unterzeichnet. Dies verweigert die EU bislang, weil sie von der Ukraine zuvor Fortschritte in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fordert. Der Vertrag zwischen Brüssel und der Ukraine sollte eigentlich Ende November in Vilnius unterzeichnet werden.

Der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) sagte, die Entscheidung von Präsident Janukowitsch lasse „vermuten, dass die ukrainische Führung wegen der wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen des russischen Drucks nun selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Abkommen nicht unterschreiben will“.

Die Haft der wegen angeblichen Amtsmissbrauchs 2011 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilten Timoschenko ist für die EU ein Beweis für die „selektive Justiz“ der Ukraine gegen politische Opponenten Janukowitschs. Timoschenko, die Mitanführerin der „orangen Revolution“, gilt als seine Erzfeindin. Sie hat ihn Ende des Jahres 2004 um den gefälschten Wahlsieg gebracht und zudem die Hinwendung Kiews nach Westen eingeleitet. Seit Janukowitschs Wahlsieg 2010 werden die demokratischen Errungenschaften der Ukraine allerdings Schritt für Schritt zurückgedreht. Janukowitsch regiert das Land immer autoritärer und stattet dem weißrussischen Autokraten Aleksander Lukaschenko Freundschaftsbesuche ab.

Die EU will allerdings bei einer Hinhaltetaktik Janukuwitschs nicht mitmachen: „Es gibt keine Garantie, dass wir das Abkommen ein, zwei Jahre später unterzeichnen“, hatte bereits vor ein paar Tagen Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite gewarnt. „Die Pause in unseren Beziehungen wird sehr lange dauern“, drohte die Litauerin, deren Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Eine derartige Eiszeit droht nun tatsächlich im Verhältnis zwischen Brüssel und Kiew. „Ich kann nicht leugnen, dass ich nicht mehr wirklich optimistisch bin“, sagte Litauens Außenminister Linas Linkevicius. „Ich würde es nicht so dramatisch formulieren, dass damit die gesamte östliche Partnerschaftsstrategie vor dem Kollaps steht“, sagte Linkevicius in Bezug auf die weiteren Länder Armenien, Aserbaidschan, Moldawien, Georgien und Weißrussland, „aber natürlich ist das Abkommen mit der Ukraine als dem größten Land in diesem Zusammenhang sehr wichtig“. Wie es um das Verhältnis zwischen der EU und der Ukraine steht, wurde am späten Nachmittag deutlich: EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle sagte eine geplante Reise nach Kiew kurzerhand wieder ab. mit dpa/AFP/rtr

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