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Weg von Assad. Geflohene Syrer und ihr türkischer Bewacher in einem Lager an der syrischen Grenze. Erdogan gibt Medien bald Zutritt zu solchen Camps. Foto: Osman Orsal/Reuters

© REUTERS

Politik: Druckmittel Flüchtlinge

Die Türkei macht Ernst: Sie verhängt Sanktionen gegen Syrien – und öffnet Grenzcamps für Journalisten

Noch vor einem Jahr organisierte Recep Tayyip Erdogan gemeinsame Kabinettssitzungen mit der Regierung des syrischen Präsidenten Baschir al Assad. Heute denkt Erdogan darüber nach, wie er Assad am effizientesten schaden kann. Trotz des Scheiterns der jüngsten Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat bereitet Erdogans Regierung ein Sanktionspaket gegen Damaskus vor, das in den kommenden Tagen vorgelegt werden soll. Erdogan selbst will am Wochenende ein weiteres Zeichen setzen und die türkischen Lager für syrische Flüchtlinge besuchen. Aus Freunden sind erbitterte Feinde geworden.

Gerade weil sich Syrer und Türken so nahe seien, trage seine Regierung eine Verantwortung für das, was beim Nachbarn geschehe, sagte Erdogan während eines Besuches in Südafrika. Lange hatte er versucht, Assad mit Appellen dazu zu bringen, die Gewalt gegen Demonstranten einzustellen. Assad ignorierte die Türken nicht nur und ließ weiterschießen – Erdogan ist offenbar auch persönlich enttäuscht vom syrischen Präsidenten, der ihn mehrfach angelogen habe.

Am Ende ihres Schwenks in der Syrien-Politik steht die Türkei nun fest im Lager jener westlichen Staaten, die Assad mit Sanktionen zum Einlenken bewegen wollen. Ausgerechnet die Erdogan-Regierung, die in Brüssel und Washington im Verdacht steht, sich vom Westen abwenden zu wollen, will sich nun bei Sanktionen gegen einen muslimischen Nahost-Staat mit der EU und den USA absprechen. Das Veto von China und Russland gegen die jüngste UN-Resolution zeige nur, wie sehr die UN versagten, betonte Erdogan: Seine Entscheidung für Sanktionen bleibe davon unberührt.

Erdogans Sanktionen zielen nach Presseberichten unter anderem auf die syrische Geschäftswelt. Das Stillhalten der syrischen Wirtschaftsbosse, die sich bisher aus dem Aufstand gegen Assad heraushalten, ist eine wichtige Stütze des Regimes. Die Türken wollen die Wirtschaft nun gegen Assad aufbringen, etwa durch Handelsbeschränkungen und striktere Vorschriften für syrische Guthaben in der Türkei. Erst vor wenigen Tagen zeigte sich, wie groß der Einfluss der Unternehmer auf Assad ist. Unter dem Druck der Wirtschaft musste der syrische Präsident Importbeschränkungen zurücknehmen, mit der sein isoliertes Regime wertvolle Devisen sparen wollte. Erdogan zielt also auf Assads wunden Punkt.

Negative Auswirkungen auf die türkische Wirtschaft scheinen für Erdogan weniger wichtig zu sein. Rund 500 türkische Lastwagen fahren jeden Tag durch Syrien, um Kunden und Märkte anderswo in der Region zu erreichen. Syrien sei für die Türkei „das Tor nach Nahost“, sagte Hasan Kanbolat, Chef der Ankaraner Denkfabrik Orsam, dem Tagesspiegel. Dennoch sind auch Einschränkungen bei der Nutzung des türkischen Territoriums und des Luftraums durch syrische Fahrzeuge und Flugzeuge im Gespräch. Gleichzeitig wird die syrische Opposition durch die Eröffnung einer offiziellen Vertretung in der Türkei aufgewertet. Nach Erdogans Besuch in den Flüchtlingslagern sollen die Camps mit ihren rund 7500 Insassen für Journalisten geöffnet werden; die Medienberichte dürften für Assad unangenehm werden.

Obendrein begann die türkische Armee mit einem Manöver an der syrischen Grenze. Offiziell hieß es zwar, es sei seit langem geplant. Doch die politische Symbolik kommt den Türken ganz recht. Ende 1998 ließ Ankara ebenfalls schweres Kriegsgerät auffahren. Damals wollten die Türken die syrische Regierung zwingen, PKK-Chef Abdullah Öcalan aus dem Land zu werfen. Syrien fügte sich.

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