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Politik: Ein frommer Monat – Zeit für Proteste oder neue Kämpfe

Im Ramadan könnten sich die Auseinandersetzungen in Syrien, Libyen und Jemen noch verstärken

Berlin - In den Ländern Syrien, Jemen und Libyen herrschen derzeit bürgerkriegsartige Zustände. Der beginnende Fastenmonat Ramadan könnte die Lage weiter verschärfen. Denn im Fastenmonat Ramadan nimmt die Bereitschaft, für seine Überzeugungen einzustehen, bei den Muslimen zu. So sieht das Imam Abdelmalik Hibaoui, Teilnehmer an der deutschen Islamkonferenz: „Der Ramadan gibt den Gläubigen mehr Mut und Kraft und stärkt die Bereitschaft zum Kämpfen. Er ist aber auch der Monat der Versöhnung.“

Heiko Wimmen, von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), erwartet in Syrien eine Intensivierung des Konflikts: „Während des Ramadan sitzen die Menschen traditionell mehr und länger zusammen, und die Mobilisierungsmöglichkeiten verbessern sich.“ Die syrische Opposition kündigte bereits an: „Im Ramadan ist jeden Tag Freitag.“ Der Tag ist in der islamischen Woche, ähnlich dem christlichen Sonntag, arbeitsfrei, und die Gläubigen treffen sich zum Beten. Die Freitagsdemonstrationen nach den Moscheebesuchen haben im arabischen Frühling eine zentrale Rolle gespielt. Am Montag vergangener Woche hatte die syrische Regierung Parteien zugelassen und wiederholt Gespräche mit der Opposition geführt. Ob das Entgegenkommen mit dem nahenden Ramadan zusammenhängt, wollte Wimmen nicht einschätzen: „Die haben so viele Tabus gebrochen, das Regime ist jenseits dessen, dass das Verhalten kalkuliert werden könnte.“

Im Jemen ist die Situation schwerer einzuschätzen. Normalerweise sei von einem Rückgang des gesellschaftlichen und politischen Lebens auszugehen, sagt Gabriele vom Bruck, Mitarbeiterin der School of Oriental and African Studies in London. Von einer Beruhigung der Lage würden die Gefolgsleute um den Langzeitpräsidenten Ali Abdullah Saleh profitieren, die allen Rücktrittsforderungen widerstanden haben.

Dennoch sei auch früher schon während des Ramadan weiter gekämpft worden, zum Beispiel während der bewaffneten Auseinandersetzungen in Nordjemen von 2004 bis 2010. „Ramadan ist eine Zeit, in der die Menschen zusammenkommen. Abends könnten Demonstrationen stattfinden und auch intensiver werden“, sagte vom Bruck. Auch Gruppierungen wie Al Qaida könnten den Fastenmonat nutzen: „Es gibt zahlreiche radikal denkende Fraktionen im Jemen, die argumentieren könnten, dass während der Reinigung der Herzen auch die korrupte Regierung beseitigt werden müsse.“

Über die Kämpfe in Libyen hatten Medien spekuliert, dass die Anti-Gaddafi- Truppen während des Ramadan schwächer werden könnten. Die Rebellen, würden fasten wollen, obwohl sie von der Pflicht ausgenommen seien. Damit würden sie beweisen wollen, dass sie auch zusätzliche Erschwernisse auf sich nehmen könnten, hat die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Wolfram Lacher, Libyen-Experte bei der SWP, teilt diese Einschätzung nicht: „Die Gaddafi-Truppen müssten ja auch fasten und das würde sich dann neutralisieren.“ Der gebürtige Marokkaner und Teilnehmer der Islamkonferenz Hibaoui geht ebenfalls nicht von einer Schwächung der Soldaten aus und erwartet auch für Libyen eine Zunahme der Kämpfe. „Die Motivation und die Bereitschaft, als Martyrer zu sterben, steigt im Ramadan, ich gehe von einer Intensivierung der Kämpfe aus.“

Am 1. August hat in der muslimischen Welt der Fastenmonat Ramadan begonnen. Während des Fastenmonats nehmen Gläubige von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang keine Nahrung und keine Getränke zu sich. Sie verzichten auch auf das Rauchen und Geschlechtsverkehr. Ausgenommen sind Kranke, Reisende, Schwangere, Kinder und andere, die nicht in der Lage sind, auf Nahrung zu verzichten. „Auch schwer Arbeitende, wie zum Beispiel Bäcker, die in der Hitze der Backöfen arbeiten, können dann Wasser zu sich nehmen. Kämpfende müssen ebenfalls nicht zwangsläufig fasten“, sagt Hibaoui. Die Fastentage sollten von den Gläubigen nachgeholt werden, sobald ihnen dies möglich sei, sagt der Imam. Nach Sonnenuntergang brechen gläubige Muslime gemeinsam das Fasten. Das Fastenbrechen im Freundes- und Familienkreis wird Iftar genannt. Der Höhepunkt des Ramadan ist das Ende des Fastenmonats und ein wichtiger Feiertag im islamischen Kalender. In Deutschland ist er unter dem Namen „Zuckerfest“ geläufig.

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