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Donald Trump spricht vor dem Weißen Haus zu den Teilnehmern einer Organisation von Abtreibungsgegnern.

© Pablo Martinez Monsivais/dpa

Ein Jahr nach Amtseinführung: Wie Trump die Weltmacht USA geschrumpft hat

Seit einem Jahr ist Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten. Schon jetzt sind die ersten Langzeit-Folgen erkennbar. Eine Bilanz.

Auch ein Jahr nach seiner Amtseinführung kann Donald Trump seine Mitbürger und das Ausland immer noch schockieren. Dass ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika andere Länder bei einem Treffen im Weißen Haus als „Scheißlöcher“ bezeichnet, hat es vor ihm noch nicht gegeben. Der rüde Umgangston im Präsidialamt wird sich nach der Trump-Ära leicht wieder ändern lassen. Doch anlässlich Trumps erstem Jahrestag als Präsident am 20. Januar werden andere Weichenstellungen sichtbar, die seinen Nachfolgern auf Dauer das Leben schwermachen dürften.

Dabei geht es nicht so sehr um Trumps Tabubrüche, den Abbau des Umweltschutzes oder seine Steuerreform, die oft die Schlagzeilen bestimmen. Vieles von dem, was der US-Präsident an Dekreten oder Gesetzen auf den Weg bringt, kann von seinen Nachfolgern mehr oder weniger einfach wieder rückgängig gemacht werden, so wie es Trump auch mit dem Erbe seines Vorgängers Barack Obama tut. Die absehbaren Langzeit-Folgen der Trump’schen Präsidentschaft liegen woanders. Im Innern hat Trump die Stellung des Staatsoberhauptes gegenüber anderen Verfassungsorganen geschwächt. In der Außenpolitik hat er den Rückzug aus dem traditionellen Rollenverständnis der USA eingeleitet und damit Möglichkeiten für China und Russland eröffnet.

Amerika und die Welt haben es mit einem US-Staatschef zu tun, der nicht nur politisch unerfahren, sondern gleichzeitig von seiner eigenen Unfehlbarkeit überzeugt ist; erst vor Kurzem bezeichnete sich der 71-Jährige selbst als „Genie“. Vor Trump galt die Maxime, dass die unglaubliche Last der Verantwortung jeden Amtsinhaber im Oval Office zügelt und demütig macht. Bei Trump ist davon nichts zu spüren. Er kommt spät zur Arbeit und zieht sich früh wieder zurück. Manche Berichte aus dem Weißen Haus legen nahe, dass sich der Präsident mehr mit den Nachrichtenprogrammen der Fernsehsender auseinandersetzt als mit den Staatsgeschäften.

Trumps tägliche Twitter-Flut ist nicht nur neuartig für einen amerikanischen Präsidenten. Die Unzahl der oft genug unqualifizierten Wortmeldungen zu allen möglichen Themen hat dazu geführt, dass Einlassungen des Staatsoberhauptes nicht mehr ernst genommen werden – ein Novum für Amerika, wo Äußerungen des Präsidenten in den Zeiten vor Trump meistens genau abgewägt waren.

Selbst Trumps Stabschef John Kelly habe sich daran gewöhnt, die Tweets des Präsidenten zu ignorieren, meldete die „Huffington Post“ kürzlich. Nach einer skandalösen Äußerung wie der über die „Scheißlöcher“ tun Trumps Berater und republikanische Parteifreunde entweder so, als sei nichts geschehen, oder sie spielen die Beiträge als unbedeutend herunter, hat die „Washington Post“ beobachtet. Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster soll seinen Chef einen „Idioten“ mit dem geistigen Horizont eines Kindergartenkindes genannt haben.

Das hat Folgen. Wenn sich der Präsident lächerlich macht, wächst die Bedeutung anderer Akteure. In Washington werden realpolitische Mitarbeiter wie McMaster oder Verteidigungsminister James Mattis allgemein die „Erwachsenen“ genannt: Das Bild suggeriert, dass der Präsident unmündig ist.

Vertreter der US-Militärs erklären, die Streitkräfte würden eine „illegale“ Anweisung Trumps für den Einsatz von Atomwaffen nicht befolgen. In der Klimapolitik formiert sich eine Bewegung aus Großstädten und Bundesstaaten, die trotz des verkündeten Ausstiegs aus dem Pariser Klimavertrag alles daran setzen, die Verpflichtungen der USA unter dem Abkommen umzusetzen.

Unterdessen legte der Kongress dem Staatschef in der Frage der Russland-Sanktionen gesetzliche Fesseln an: Trump kann die Strafmaßnahmen nicht alleine wieder aufheben. Sollte sich der Trend in den nächsten drei oder – bei einer Wiederwahl Trumps – sieben Jahren fortsetzen, werden immer mehr Strukturen entstehen, die es Amerikas Politik ermöglichen, das Weiße Haus zu umgehen. Sein Nachfolger wird Schwierigkeiten haben, verloren gegangene Befugnisse wieder zurückzuerobern.

Donald Trump steht für einen neuen Isolationismus der USA

Ausstieg und Rückzug sind auch in Trumps Außenpolitik die entscheidenden Schlagworte. Sein Motto „Amerika zuerst“ steht für einen neuen Isolationismus, einen wirtschaftlichen Protektionismus und ein „transaktionales“ Verständnis von Außenbeziehungen, das sofortige und konkrete Gegenleistungen für US-Engagements verlangt. Hundert Jahre nach dem Aufruf von Präsident Woodrow Wilson, die USA sollten die Demokratie in der Welt verbreiten, erklärt Trump den moralischen Führungsanspruch der USA auf der Weltbühne für beendet.

Ein augenfälliges Beispiel dafür war seine Drohung, die USA würden im Krisenfall nur noch Nato-Partner verteidigen, die genug in die Kriegskasse der Allianz einzahlen. Zwar hat sich Trump inzwischen zur Beistandspflicht im Bündnis bekannt, doch der Schock bei den Verbündeten sitzt tief, zumal der US-Präsident aus seiner Sympathie für den russischen Staatschef Wladimir Putin keinen Hehl macht. Der wachsende russische Einfluss in Nahost scheint Trump nicht zu stören.

Internationalen Handelsverträgen steht der Präsident skeptisch gegenüber, weil er überzeugt ist, die USA seien von ihren Partnern über den Tisch gezogen worden. Trumps Antwort heißt Protektionismus, nicht nur in der Wirtschaftspolitik. Der Präsident will den Zuzug von Einwanderern in die USA stark begrenzen und bisher als schutzbedürftig angesehene Menschen abschieben. Selbst einige Tausend Syrer sollen wohl zurückgeschickt werden. Der Muslim-Bann verstärkt den Eindruck, dass Amerika – über Jahrhunderte die große Hoffnung von Millionen von Auswanderern – die Tore schließt.

Stößt China in die Lücke vor?

Schon ist vom Ende des „amerikanischen Jahrhunderts“ die Rede, in dem die USA als Garant der Demokratie und einer liberalen Weltordnung des Freihandels auftraten. „Amerikas Rolle in der Welt ist geschrumpft“, stellte die Nachrichten-Website „The Hi“ fest. Da Politik kein Vakuum duldet, stärkt Trumps Abkehr von der traditionellen Rolle der USA in der Welt andere Mächte.

Ein Nutznießer könnte China sein. Hocherfreut reagierte die Führung in Peking darauf, dass Trump schon in den ersten Tagen im Amt die Teilnahme der USA an der Pazifischen Freihandelszone TPP absagte. Das sei ein „großes Geschenk“ an China gewesen, sagte Jin Yinan von der Nationalen Verteidigungsuniversität, einer Pekinger Kaderschmiede, vergangenes Jahr. Eigentlich müsste Trumps Motto „China wieder groß machen“ lauten, schrieb das Magazin „The New Yorker“.

Sachzwänge und die „Erwachsenen“ haben in Trumps erstem Jahr zwar den globalen Rückzug gebremst. So schickte der Präsident mehr Soldaten nach Afghanistan und verzichtete widerwillig auf eine sofortige Annullierung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran. Doch der Trend ist unverkennbar. Die USA steigen nicht nur aus dem Pariser Klimavertrag, sondern auch aus der UN-Kulturorganisation Unesco aus, und der Iran-Vertrag könnte schon im Mai kollabieren. Der Etat des US-Außenministeriums wurde von Trumps Regierung um 30 Prozent zusammengestrichen: Der Präsident findet, es geht auch so.

Trump schwächt die sogenannte soft power der USA: die Fähigkeit, die Attraktivität des Landes zur Umsetzung politischer Ziele zu benutzen. Als Trump seine „Scheißloch“-Tirade über arme Länder mit dem Wunsch verband, lieber Einwanderer aus dem reichen und weißen Norwegen aufzunehmen, hagelte es Spott. Wer möchte schon Norwegen verlassen, wenn dort Lebenserwartung und Einkommen höher, die Pressefreiheit größer und das Gesundheitssystem besser sind?

Amerikas Ansehensverlust unter Trump ist rapide. In Europa und anderswo sind ganze Generationen mit einem Bild der USA als Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten aufgewachsen. Der Präsident tut alles, um dieses Image nachhaltig zu zerstören. Schon wenige Monaten nach seinem Amtsantritt war laut einer Umfrage der Anteil der Menschen mit einer positiven Meinung über die USA von 64 auf 49 Prozent gesunken. Inzwischen dürfte die Abneigung noch größer geworden sein. Ein künftiger Präsident wird viel Energie darauf verwenden müssen, den Trend umzukehren.

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