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Amerika muss beides tun – Ausgaben senken und Einnahmen erhöhen.

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Amerikas Schulden: Ein Parlament dankt ab

Wenn der Kongress die Schuldenobergrenze nicht erhöht, kann das die Erde Anfang August in eine globale Finanzkrise stürzen. Doch Amerikas Spitzenpolitiker flüchten in eine Märchenwelt und hoffen auf eine einfache Lösung.

Die Ratingagenturen drohen die USA herabzustufen. Notenbankchef Ben Bernanke warnt vor einer finanziellen Katastrophe. Wenn der Kongress die Schuldenobergrenze nicht erhöht, kann das die Erde Anfang August in eine globale Finanzkrise stürzen. Doch was machen Amerikas Spitzenpolitiker? Sie flüchten in eine Märchenwelt. Sie reden sich und ihren Wählern ein, es gäbe einfache Lösungen. Nicht alle tun das, aber viele. Die republikanische Variante: Die angeblich drohende Finanzkrise sei nur Panikmache. Das Schuldenproblem lasse sich allein dadurch lösen, dass man die Ausgaben drastisch kürzt, vor allem die Sozialprogramme. Die demokratische Version der Realitätsverweigerung hört sich so an: Sparen müsse man nur marginal, Hände weg von den Sozialausgaben, höhere Steuern für die Reichen.

Die Moderaten in beiden Lagern wissen: Amerika muss beides tun – Ausgaben senken und Einnahmen erhöhen. Auch dann wird es ein Jahrzehnt dauern, ehe die Schuldenlast spürbar sinkt. 3,7 Billionen Dollar gibt die Regierung pro Jahr aus, nur zwei Drittel davon sind derzeit durch Steuereinnahmen gedeckt. Ein Drittel wird auf Pump finanziert. Selbst wenn man alle Programme, die die Republikanern aus ideologischen Gründen ablehnen, streichen würde – die Zuschüsse zur Gesundheitsversorgung der Senioren und zum Rentensystem, die verbilligten Studienkredite, die Bildungsförderung, die Transferzahlungen an Arme –, kämen bestenfalls ein paar hundert Milliarden Kürzungen zusammen, aber niemals die rund 1,3 Billionen Dollar, die zwischen Einnahmen und Ausgaben klaffen.

Wenn es nur den Ausweg des Kompromisses gibt, warum wird er dann nicht beschritten? Das politische System funktioniert nicht so wie gedacht. Die Verfassungsväter glaubten, alle würden das Gemeinwohl über die Partikularinteressen stellen, weil alle verlieren, wenn der Staat zusammenbricht. In der Praxis ist daraus ein Erpressungsargument geworden: Nur die Anderen sollen nachgeben; sonst gibt man ihnen in der öffentlichen Debatte die Schuld daran, dass alle Schaden leiden. Da geht es den USA ähnlich wie der EU. Kein Euroland kann wollen, dass Griechenland oder Italien die gemeinsame Währung gefährden. Jeder müsste an der Rettung durch Kompromiss interessiert sein. Aber die nationalen Regierungen fürchten, dass die Bürger ihnen Zugeständnisse als Schwäche anlasten und sie bei der nächsten inländischen Wahl dafür bestrafen.

In den USA haben die Republikaner ihren Wählern versprochen: Keine Steuererhöhungen! Das war von vornherein unhaltbar. Aber jetzt muss es dabei bleiben, selbst wenn das zur Insolvenz Amerikas führt und die Wirtschaftskrise verschärft. Je schlechter die Lage, desto größer die Chance, dass Obama die Wahl 2012 verliert. So sieht es der rechte Flügel um den Heißsporn Eric Cantor, die Nummer zwei der Republikaner im Abgeordnetenhaus. Die Moderaten um Parlamentspräsident John Boehner sind zum Kompromiss bereit. Doch er fürchtet, dass Cantor ihn stürzt, wenn er nachgibt.

Obama sieht die Gefahr – und die Chance. Deshalb greift er als Vermittler ein. Wenn er Erfolg hat, nützt ihm das: der Präsident als Versöhner über den Parteien. Ein Scheitern würde ihm schaden.

Eigentlich ist nur der Kongress zuständig, nicht der Präsident. Das Budgetrecht ist das wichtigste Parlamentsrecht. Der Kongress hat für all die Ausgaben gestimmt, die zum Schuldenberg geführt haben: Bushs Steuererleichterungen, die Kriege in Afghanistan und im Irak, die Rettungsmilliarden für Banken und Autokonzerne, die Abschreibungsmöglichkeiten für die Ölindustrie. Also muss der Kongress die Mittel bereitstellen, um die Verpflichtungen zu bezahlen. Das wollen die Republikaner aber nicht. Ihre jüngste Alternative: Der Kongress soll das Recht zur Schuldenaufnahme vorübergehend an den Präsidenten übertragen. Dann müssen sie nicht für höhere Schulden stimmen und können die Schuld Obama geben. So krank ist das System inzwischen. Das Parlament dankt ab. Es gibt lieber sein wichtigstes Recht auf, als eine unpopuläre Entscheidung zu treffen.

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