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Für die Freiheit politischer Gefangener demonstrierten am Donnerstag Bürger in Qatif – die Polizei schoss. Fotos vom „Tag des Zorns“ am Freitag aus Saudi-Arabien gab es zunächst nicht.

© Reuters

Saudi-Arabien: Ein stiller Tag des Zorns

Trotz gespannter Atmosphäre ist es am ersten "Tag des Zorns" in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad bis zum frühen Abend ruhig geblieben. Die Polizei verhinderte mit massiver Präsenz größere Proteste.

Nach dem Freitagsgebet kreisten Hubschrauber über Riad. Augenzeugen berichteten, an vielen Kreuzungen und Plätzen seien massive Polizeikräfte aufmarschiert, um jeden Versuch der Bürger im Keim zu ersticken, nach dem Vorbild der Bürgerbewegungen in den arabischen Staaten im Maghreb für mehr Reformen und Freiheiten zu demonstrieren. In den letzten Wochen hatten Reformgruppen in Saudi-Arabien drei Petitionen für politische Reformen in Umlauf gebracht, die wichtigste war unterzeichnet von 1500 Intellektuellen, Klerikern und Bürgerrechtlern.

An den Ausfallstraßen wurden an Sperren die Personalien von Moscheebesuchern kontrolliert. Auch aus der zweitgrößten Stadt Jidda am Roten Meer wurde große Polizeipräsenz gemeldet. In Hofuf im Osten des Landes zogen Augenzeugen zufolge etwa 200 Menschen durch die Stadt. Zuvor hatte der Sprecher des saudischen Innenministeriums angekündigt, die Sicherheitskräfte würden jeden Protest sofort niederwerfen – egal wie groß er sei. Zu dem „Tag des Zorns“ hatten Internetaktivisten per Facebook aufgerufen. Sie fordern weitgehende politische und wirtschaftliche Reformen, Parlamentswahlen, eine vom Volk gewählte Regierung, eine unabhängige Justiz und die Auflösung der saudischen Geheimpolizei.

Am Vorabend des Freitags hatte die Polizei in der im Osten gelegenen Stadt Qatif das Feuer auf eine Menge von mehreren hundert Menschen eröffnet. Dabei wurden drei Demonstranten verletzt. Die protestierenden Bürger, von denen einige Gesichtsmasken trugen, forderten die Freilassung von politischen Gefangenen, die seit mehreren Jahren ohne Anklage in Saudi-Arabien hinter Gittern sitzen. Nach Angaben des TV-Senders Al Dschasira hatte die saudische Führung zuvor 10 000 Soldaten in die überwiegend von Schiiten bewohnte ölreiche Provinz verlegt. Ende Februar schon hatten die Behörden den prominenten schiitischen Scheich Tawfiq al Amer festgenommen, nachdem er in seiner Freitagspredigt eine Verfassung für Saudi-Arabien und die Einführung einer konstitutionellen Monarchie gefordert hatte. Inzwischen wurde der Geistliche wieder auf freien Fuß gesetzt, um die Unruhe in der schiitischen Minderheit nicht weiter anzuheizen.

Die UN-Kommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, forderte unterdessen die saudische Führung auf, der Bevölkerung friedliche Kundgebungen zu erlauben und sich mit dem Einsatz von Polizei zurückzuhalten. „Wir sind sehr besorgt, was in Saudi-Arabien passieren könnte. Die Lage ist sehr gespannt“, erklärte ihr Sprecher Rupert Colville. Auch die USA, ein wichtiger Verbündeter des Ölstaates, hatten die Regierung am Donnerstag aufgefordert, Demonstrationen zuzulassen. Es gebe ein Recht auf friedliche Versammlungen und auf freie Meinungsäußerung.

Seit seiner Gründung in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ist das Königreich auf der Arabischen Halbinsel eine absolute Monarchie. Heute sind 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner jünger als 30 Jahre, während das Durchschnittsalter der Regierungsmitglieder 65 Jahre beträgt. Manche Minister, aber auch Provinzgouverneure sind seit Jahrzehnten im Amt, ein Regionalfürst in der nördlichen Grenzprovinz sogar seit 1956. Und während die Arbeitslosigkeit beim saudischen Nachwuchs teilweise höher als 30 Prozent ist, genießen die über 6000 Prinzen der königlichen Familie lebenslange staatliche Pensionen zwischen einigen tausend und 250 000 Dollar pro Monat. Allein die Apanagen für die Königsfamilie verschlingen nach Angaben von Dokumenten, die durch die Internetplattform Wikileaks bekannt geworden sind, über zwei Milliarden Dollar im Jahr.

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