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Gregor Gysi

© dpa

Entscheidung des Innenministers: Verfassungsschutz stoppt Beobachtung von Linke-Abgeordneten

Viele Jahre lang gab es Gezerre um die Überwachung von Linken-Bundestagsabgeordneten durch den Verfassungsschutz. Jetzt lenkte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ein.

Von Matthias Meisner

Bundestagsabgeordnete der Linkspartei werden vorläufig nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet. Das teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizière der Partei in einem am Freitag veröffentlichten Brief mit. In dem an Fraktionschef Gregor Gysi und die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger gerichteten Schreiben nennt de Maizière als Gründe zum einen eine "Beobachtungspriorisierung", zum anderen den "besonderen Statuts der Mitglieder des Bundestages". Die Entscheidung gelte "künftig generell", jedoch behalte sich das Innenministerium vor, "bei neuen Erkenntnissen die (Wieder)-Aufnahme" der Beobachtung von Abgeordneten der Linksfraktion "zu prüfen".

Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit, der auch in zahlreichen Prozessen vor den Gerichten ausgetragen wurde. Anfang Oktober hatte der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Bodo Ramelow, heute Fraktionschef im Thüringer Landtag, vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt, dass nur noch Parlamentarier beobachtet werden dürfen, die ihr Mandat zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbrauchen. Zeitweilig hatte der Verfassungsschutz alle Abgeordneten der Linksfraktion des Bundestages zumindest registriert. Zu 27 von ihnen wurden Personenakten angelegt, darunter auch zu vielen Vertretern des Reformerflügels, auch zu Gysi selbst und zu Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Das Argument lautete: Es sei von Bedeutung, wie diese sich zu den radikalen Strömungen in ihrer Partei stellen.

"Kein Entgegenkommen, sondern Selbstverständlichkeit"

Gysi begrüßte die Entscheidung des Innenministers vor Journalisten in Berlin als "Ausdruck einer gestiegenen Akzeptanz" für die Linkspartei und deren Mitglieder. "Das macht uns gleichberechtigter", sagte der Fraktionschef. Die Linke ist seit ihrem 8,6-Prozent-Ergebnis bei der Wahl im vergangenen September mit 64 Abgeordneten größte Oppositionsfraktion des Bundestages. André Hahn, Vertreter der Linken im für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, sagte dem Tagesspiegel, es handele sich um einen "wirklich längst überfälligen Schritt". Es sei "kein Entgegenkommen, sondern eine Selbstverständlichkeit, dass der Verfassungsschutz nicht die Linke als größte Oppositionsfraktion beobachtet". Hahn sagte weiter: "Wir sollen den Verfassungsschutz kontrollieren und nicht der Verfassungsschutz das Parlament." Gysi hatte sich im Dezember nicht nur an de Maiziére gewandt, sondern auch an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD).

Extremistische Strömungen bleiben im Visier

"Extremistische Zusammenschlüsse" in der Linkspartei bleiben, wie de Maizière in dem Brief an die Linke weiter ankündigte, auch weiterhin im Visier des Verfassungsschutzes. Eine Ausnahme bilden dabei allerdings Funktionäre dieser "beobachteten offen extremistischen Zusammenschlüsse" dann, wenn sie zugleich Bundestagsabgeordnete sind - sie werden künftig nicht mehr überwacht. Zum Ende der zurückliegenden schwarz-gelben Regierungszeit hatte der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dem Vernehmen nach den Kreis der beobachteten Linken-Abgeordneten verändert, auf angeblich zuletzt nur noch sechs Leute. Auch diese Auswahl wurde von der Linken als "willkürlich" kritisiert. Gysi bezeichnete die weitere Beobachtung von Parteiströmungen als am Freitag als "albern, völlig daneben und grundgesetzwidrig".

Im Verfassungsschutzbericht 2012, der den Stand vom Herbst 2013 wiedergibt, werden unter anderem erwähnt die Linke-Gruppierungen Kommunistische Plattform (KPF), deren langjährige Wortführerin die heutige Vizefraktionschefin Sahra Wagenknecht war, die Arbeitsgemeinschaft Cuba Si, die Sozialistische Linke, die trotzkistische Gruppe Marx 21 sowie die Antikapitalitische Linke (AKL). Namen von Abgeordneten werden im Verfassungsschutzbericht nicht genannt. Doch ist bekannt, dass sich etwa Abgeordneten Nicole Gohlke aus Bayern sowie Christine Buchholz aus Hessen bei Marx 21 engagieren. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke, ist in der AKL organisiert. Möglicherweise werde es weitere Klagen gegen die Beobachtung von Linke-Strömungen geben, hieß es am Freitag aus der Linkspartei.

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