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Libyen: Entscheidungsschlacht um Tripolis

Während libysche Rebellen in die Hauptstadt Tripolis einrücken, ist der Aufenthaltsort von Machthaber Gaddafi zur Zeit unklar. Das Ende des Bürgerkrieges in Libyen naht.

Berlin - Sechs Monate nach Beginn des Aufstands gegen Machthaber Muammar al Gaddafi haben die libyschen Rebellen mit Unterstützung der Nato die wohl entscheidende Offensive auf Tripolis gestartet. Mit der am Samstagabend begonnenen „Operation Meerjungfrau“ soll Gaddafi in der Hauptstadt isoliert werden. Der Präsident des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abdel Dschalil, sagte in der Rebellenhochburg Bengasi, der Sieg über Gaddafi stehe kurz bevor. Am Sonntag drangen die Rebellen nach Berichten von Augenzeugen immer weiter in die Hauptstadt vor. Dabei gewannen die Regierungsgegner die Kontrolle über eine Kaserne der sogenannten Chamis-Brigade, einer Elite-Einheit unter der Führung des Gaddafi-Sohnes Chamis. Die an den Nato-Luftangriffen beteiligten Regierungen Italiens und Großbritanniens sprachen von einer entscheidenden Wende.

Ein Vertreter der Botschaft Ungarns, der letzten Vertretung eines EU-Landes, das noch Diplomaten in Tripolis stationiert hat, sprach in einem Telefonat mit dem Tagesspiegel von schweren Kämpfen in der gesamten Stadt. Augenzeugen berichteten von Gefechten und Explosionen in mehreren Stadtteilen. Polen, das derzeit den EU-Vorsitz innehat, musste wegen der schweren Auseinandersetzungen eine geplante Evakuierungsaktion über den Seeweg aufgeben, mit der Ausländer aus mehreren EU-Staaten aus der Hauptstadt gebracht werden sollten. Einen Rückschlag erlitten die Aufständischen indes in der Hafenstadt Brega, wo sie sich zurückziehen mussten.

An der Offensive gegen Tripolis sind nach Angaben der Rebellen Kämpfer innerhalb der Hauptstadt sowie Einheiten im Umland beteiligt. Auch die Nato sei eingebunden, sagte der Sprecher des Nationalen Übergangsrats der Rebellen, Ahmed Dschibril. „Wir rechnen damit, dass es mehrere Tage dauern dürfte, bis Gaddafi umzingelt ist.“

Zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden rief Gaddafi am Sonntagabend die Libyer dazu auf, Tripolis zu verteidigen. „Ich fürchte, wenn wir nicht handeln, wird Tripolis brennen“, sagte Gaddafi in einer Audio-Botschaft. Er wolle „bis zum Ende“ in Tripolis bleiben, sagte er. Unbestätigten Berichten zufolge soll er aber Tripolis bereits verlassen haben. Zuvor hatte Gaddafi in einer weiteren Botschaft verkündet: „Ihr müsst zu Millionen marschieren, um die zerstörten Städte zu befreien.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) drängte Gaddafi zu einem schnellen Rückzug von seinem Amt. „Es wäre gut, wenn er möglichst schnell aufgibt, um Blutvergießen zu vermeiden“, sagte sie im ZDF. Die Bundesregierung freue sich, dass Gaddafi seine Legitimation verloren habe. Die Regierung sei immer dafür gewesen, dass das libysche Volk genauso wie das tunesische seine Freiheit bekomme. Deutschland hatte sich beim Votum im UN-Sicherheitsrat über einen Militäreinsatz in Libyen enthalten.

Mit Blick auf die Zeit nach Gaddafi sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU): „Es kommt jetzt entscheidend darauf an, dass die Übergangsregierung in Bengasi ihre Stellung in der bevorstehenden Umbruchphase nicht dazu missbraucht, sich dauerhaft die Macht zu sichern.“ Dem Diktator müsse vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag der Prozess gemacht werden. „Nach mehr als 40 Jahren Diktatur verfügt Libyen nicht über ein Justizsystem, dem man die Aufarbeitung von Gaddafis Verbrechen in rechtsstaatlicher Form zutrauen könnte.“ mit AFP/dpa/rtr

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