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Mahnwache an der sächsischen Landesvertretung in Berlin

© Paul Zinken/dpa

Update

Erstochener Asylbewerber Khaled I.: Hakenkreuze an der Tür des Opfers

Bei den Ermittlungen zum Tod des jungen Asylbewerbers in Dresden gibt es Pannen in Serie. Der Grünen-Politiker Volker Beck erstattet Anzeige. Eine Rechtsextremismus-Spezialeinheit befasst sich mit dem Fall.

Von Matthias Meisner

Nach dem gewaltsamen Tod eines afrikanischen Asylbewerbers in Dresden hat der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen unbekannt gestellt. Beck sprach am Donnerstag in Berlin von "möglichen Ermittlungsfehlern". Er erklärte weiter: "Die Ermittlungspannen im Tod des Asylbewerber Khaled Idris Bahray müssen rückhaltlos aufgeklärt werden. Mir fehlt jedes Verständnis für das nachlässige Vorgehen der Ermittlungsbehörden."

Der aus Eritrea stammende Flüchtling war am vergangenen Montagabend, während Pegida durch Dresden marschierte, durch Messerstiche getötet worden. "Als man den Toten blutüberströmt am Dienstagmorgen fand, verbreitete die Dresdner Polizei zunächst die Nachricht, sie hätte keine Anhaltspunkte auf Fremdeinwirkung", erklärte Beck. "Erst nach der Obduktion des Opfers räumt die Polizei ein Fremdverschulden ein und schickt erst 30 Stunden nach der Tat die Spurensicherung an den vermeintlichen Tatort. Dies wirkt dilletantisch. Ich gehe davon aus, dass man das auch in Dresden so sehen wird und Ermittlungen aufnimmt, um Zweifel auszuräumen."

Polizei ging von Schlüsselbeinbruch aus

Der Dresdner Polizeichef Dieter Kroll erläuterte im Innenausschuss des sächsischen Landtages, die Ermittler hätten aufgrund der Verletzungen des 20 Jahren alten Mannes aus Eritrea auf einen offenen Schlüsselbeinbruch als Todesursache geschlossen. Wie die "Freie Presse" weiter berichtete, habe sich erst im Zuge der Obduktion herausgestellt, dass die Wunden durch ein Messer zugefügt wurden.

In der Sitzung des Innenausschusses wurde nach Angaben der Grünen-Landtagsfraktion auch bestätigt, dass kurz vor Silvester zwei Hakenkreuze an die Tür der Wohngemeinschaft des Opfers geschmiert worden waren. Darüber hatte zuvor die "Sächsische Zeitung" berichtet. "Jemand hat die mit einem Edding-Stift da draufgeschmiert", zitierte die Zeitung einen Nachbarn. "Und im September oder Oktober hat jemand ,Juden töten‘ an die Wand im Erdgeschoss geschrieben." Eine Malerfirma habe die Schmierereien kurz darauf wieder entfernt.

Nach Darstellung der Behörden in Dresden laufen die Ermittlungen in dem Fall auf Hochtouren. "Die ganze Maschinerie, die Staatsanwaltschaft und Polizei zur Verfügung haben, wird aufgeboten", sagte Staatsanwalt Lorenz Haase in Dresden. Dazu gehörten unter anderem die Auswertung von Videomaterial aus Bussen und Bahnen sowie Zeugenbefragungen.

Dabei konzentrierten sich die Ermittler derzeit auf die Mitbewohner und Nachbarn des Toten. Hinweise auf Täter, Hintergründe und Umstände des Verbrechens gebe es aber noch nicht, betonte Haase. Laut "Freie Presse" ist mittlerweile auch das Operative Abwehrzentrum in die Ermittlungen einbezogen, das sich um die Bekämpfung von Rechtsextremismus kümmert.

Plattenbau an der Johannes-Paul-Thilman-Straße in Dresden. Hier lebte der 20-jährige Flüchtling.
Plattenbau an der Johannes-Paul-Thilman-Straße in Dresden. Hier lebte der 20-jährige Flüchtling.

© Arno Burgi/dpa

Oberbürgermeisterin warnt vor voreiligen Schlüssen

Die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) warnte vor voreiligen Schlüssen. Die Tat habe geschockt und werfe viele Fragen auf, sagte Orosz. Wichtig sei ihr jedoch, dass es nun keine Spekulationen in die eine oder andere Richtung gebe. Sie habe "vollstes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden", dass die offenen Fragen schnell geklärt werden können.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) äußerte sich zunächst nicht zu dem Fall. Innenminister Markus Ulbig (CDU) äußerte sich am Rande der Innenausschusssitzung im Landtag vor Journalisten "betroffen" über den Tod des jungen Asylbewerbers. Er erwarte, dass nun schnell ermittelt werde, sagte Ulbig. Und appellierte zugleich, sich mit Spekulationen zurückzuhalten. Vor dem Gebäude der sächsischen Landesvertretung in Berlin wurde am Donnerstag eine Mahnwache abgehalten, die von einer privaten Initiative organisiert worden war..

Integrationsministerin: Asylbewerber haben "riesige Angst"

Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) forderte eine schnelle Klärung der Ungereimtheiten. "Der Fall muss nun natürlich zügig aufgeklärt werden, damit wir wissen, wie es zustande gekommen ist, was passiert ist und wer es gewesen ist", sagte Köpping dem Evangelischen Pressedienst (epd). Asylbewerber in Dresden verspürten derzeit "eine riesige Angst", sagte die Ministerin. Unter anderem hätten die Menschen Angst, "abends noch mal rauszugehen, sobald es dunkel wird. Sie werden auf der Straße angepöbelt".

Die Geschäftsführerin des Kulturbüros Sachsen, Grit Hanneforth, sagte dem epd in Dresden, Asylbewerber seien im Alttag regelmäßig Anfeindungen ausgesetzt. Seit Jahren seien rassistische Stimmungen bekannt. Aktuell gebe es in Dresden "eine Stimmungslage, die getragen wird durch Ressentiments, die man auch bei Pegida findet". Es seien nicht so sehr die Reden, die auf den Versammlungen des Anti-Islam-Bündnisses gehalten werden, sondern die Parolen, die gerufen werden sowie die Äußerungen auf Facebook. Für Asylbewerber bedeute das eine zusätzliche Angst. Viele wollten montags, dem Tag der „Pegida“-Kundgebungen, ihre Wohnungen überhaupt nicht mehr verlassen, sagte Hanneforth, die auch die mobilen Beratungsteams im Kulturbüro Sachsen leitet.

Der Asylbewerber aus Eritrea war am Dienstagmorgen tot vor seinem Wohnhaus in einer Plattenbausiedlung im Stadtteil Leubnitz-Neuostra gefunden worden. Passanten hatten den Leichnam entdeckt und die Polizei verständigt. Laut Staatsanwaltschaft starb der 20-Jährige durch Messerstiche in Hals und Brust. Die Behörde ermittelt wegen Totschlags. (mit dpa/epd)

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