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Freundliche Worte für Gül: Wulff sieht Deutsche nicht als Bremser in Brüssel.

© Reuters

Staatspräsident Abdullah Gül: EU bleibt das Ziel der Türkei

Der türkische Präsident Abdullah Gül bekräftigt bei seinem Deutschlandbesuch den Beitrittswunsch der Türkei zur EU. Außenminister Westerwelle verspricht Hilfe.

Berlin - Zum Auftakt seines Staatsbesuchs in Deutschland hat der türkische Präsident Abdullah Gül den Wunsch nach einem EU-Beitritt der Türkei bekräftigt. „Von diesem strategischen Ziel werden wir nicht abrücken“, sagte Gül am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Christian Wulff in Berlin. Die Formulierung „strategische Partnerschaft“, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Türkei angeboten hat, lehnte Gül erneut ab.

Bundespräsident Wulff nannte die Beitrittsverhandlungen „fair und ergebnisoffen“ und bestritt, dass Deutschland dem EU-Beitritt der Türkei besonders kritisch gegenüberstehe. Deutschland habe hier eher eine Vermittlerrolle. Die Türkei könne mit ihrer Verbindung von Pluralismus und Islam Vorbild sein für die arabischen und nordafrikanischen Länder im Umbruch. Aus dem Auswärtigen Amt verlautete nach einem Treffen von Gül und Außenminister Guido Westerwelle (FDP), beide teilten die Hoffnung, dass die Beitrittsperspektive der Türkei zur EU schnell neuen Schwung erhalte. Westerwelle habe dabei eine konstruktive Rolle Deutschlands zugesichert.

Dem Wunsch der Türkei nach einer Liberalisierung der deutschen Visapolitik brachte Wulff Verständnis entgegen. Zugleich verteidigte er das von Gül im Vorfeld kritisierte deutsche Einwanderungsrecht, wonach künftige Ehepartner aus der Türkei vor ihrer Einreise deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen. Auf diese Kritik Güls hatte Bayerns Innenminister, Joachim Hermann, am Wochenende mit Gegenkritik reagiert. Güls Einwände seien „völlig unberechtigt“, sagte Herrmann der „Passauer Neuen Presse“. Gül steht mit seinen harten Worten – er hatte die deutsche Einwanderungspolitik im ZDF menschenrechtswidrig genannt – nicht allein: Die Juristen der EU-Kommission hatten kürzlich festgestellt, dass die EU-Mitglieder zwar Sprachtests von Zuzüglern verlangen könnten, dass dies aber nicht das Zusammenleben von Eheleuten oder Familien verhindern dürfe. Dies sei ein Menschenrecht.

Gül hatte vor seinem Besuch einen Bezug zwischen den Visabedingungen für türkische Staatsbürger und dem Jubiläum des deutsch-türkischen Anwerbevertrags Ende Oktober gezogen: Ein halbes Jahrhundert nach Beginn der türkischen Arbeitsmigration nach Deutschland zeige die Visumspflicht den Türken, dass sie nicht erwünscht seien. Ankara will wegen des Visa-Streits auch das für die EU wichtige Rücknahmeabkommen vorerst nicht in Kraft setzen, das die Türkei verpflichtet, den Weg von Flüchtlingen Richtung EU abzuschneiden. Die Regierung Erdogan will zunächst über die Visapflicht für türkische Staatsbürger reden, bevor sie das Abkommen in Kraft setzt.

Der Besuch Güls kurz vor dem 50-jährigen Jubiläum des Anwerbevertrags steht ganz besonders im Zeichen dieses Datums. Nicht nur die deutsche, auch die türkische Seite hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder eine widersprüchliche Politik gegenüber den Migranten gefahren. So bekannten sich praktisch alle türkischen Regierungen dazu, dass deren Aufenthalt nur vorübergehend sei, nahmen politisch Einfluss auf sie und bekräftigten die Notwendigkeit der kulturellen Bindung an die alte Heimat. Andererseits war Ankara bis vor wenigen Jahren dringend auf die Aufnahme seiner jungen Leute in Europa angewiesen, denen die damals arme Türkei wenig Zukunft bieten konnte. Erst in den jüngsten Jahren hat nicht nur das stürmische Wachstum der Türkei gut ausgebildete Türken der zweiten und dritten Generation zur „Rückkehr“ bewogen.

Am Abend wollte Gül in der Berliner Humboldt-Universität eine Rede halten. Doch nach einer Bombendrohung ließ die Polizei das Audimax räumen. Mehr als eine Stunde lang blieb völlig unklar, ob Gül überhaupt noch vor Ort war, und ob die Rede noch gehalten werden würde. Vor der Universität harrten ein paar dutzend Gäste aus. Gül hielt seine Ansprache „Die türkisch-deutschen Beziehungen vom Deutschen Bund zur Europäischen Union“ mit mehrstündiger Verspätung schließlich in einem anderen Raum, nachdem die Universität abgesucht und keine Bombe gefunden worden war. Das Staatsbankett bei Christian Wulff im Schloss Bellevue wurde wegen der Verzögerung ebenfalls verschoben. mit dpa/AFP

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