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Politik: Euro-Gipfel in den USA

Beim G-8-Treffen steht die europäische Finanzkrise im Mittelpunkt.

Europa ist in der Krise, aber ein politisches Schlagwort Europas, „variable Geometrie“, findet an diesem Wochenende Anwendung auf der weltpolitischen Bühne. US-Präsident Barack Obama ist am Freitag und Samstag Gastgeber der führenden Wirtschaftsnationen, auf dem Landsitz des Weißen Hauses in Camp David. Am Sonntag und Montag schließt sich daran der Nato-Gipfel in Chicago an. Beide Organisationen tagen diesmal nicht in der gewohnten Zusammensetzung. Die Atmosphäre ist geprägt von der Neugier auf neue Gesichter wie Frankreichs frisch gewählten Präsidenten Hollande und Italiens Premier Mario Monti, das Erstaunen über das Fernbleiben Wladimir Putins und die spürbare Nervosität, weil die verordneten Kuren immer noch nicht so recht greifen.

Hauptthema der G 8 bleibt die Euro- Krise, nun verschärft um die Perspektive, dass womöglich demnächst erstmals ein Staat aus der Währungsunion ausscheidet. Der Nato-Gipfel wird sich vorrangig mit dem Abzug aus Afghanistan und Strategien für die Stabilisierung des Landes ohne die internationale Schutztruppe befassen. Ein Aufbruchssignal sollen neue Partnerschaften setzen. Erstmals kommen neutrale Länder wie die Schweiz, Österreich, Finnland und Schweden zu einem Gipfel der Allianz sowie Staaten des Mittleren Ostens und der Pazifikregion wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Australien, Korea und Japan.

Die Bekämpfung der Euro-Krise tritt nach Darstellung vieler US-Medien in eine neue Phase. Erstens hat es in mehreren Staaten Wahlen gegeben, zuletzt in Frankreich und Griechenland, die manche als Volksabstimmung interpretieren, welche Maßnahmen das Wahlvolk mitträgt und welche nicht. Zweitens ist das G-8-Treffen, wie die „Washington Post“ schreibt, „der erste Gipfel, seit die Euro- Zone ein Bündel außergewöhnlicher Maßnahmen zur Krisenbekämpfung in Kraft gesetzt hat“. Die entscheidende Frage laute: Können diese Vorkehrungen Europa und die Weltwirtschaft schützen, falls die Krise sich weiter verschärft?

Die Intonierung der US-Medien unterscheidet sich zunehmend von den Stellungnahmen der US-Regierung. Aus Sicht vieler Medien steht Europa vor der Wahl, mit Steuergeldern Konjunkturprogramme anzuschieben oder sich „kaputt zu sparen“. Nur das „Wall Street Journal“ betont, Europa müsse Wachstumsanreize finden, ohne die Schulden weiter zu erhöhen, zum Beispiel Reformen der Arbeitsmärkte. Viele Medien prognostizieren nicht nur ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, sondern warnen, die Gemeinschaftswährung könne insgesamt „auseinanderbrechen“, ohne zu begründen, warum das eine zwangsläufig zu dem anderen führen würde.

Obama und seine Minister haben ihre Wortwahl dagegen in den vergangenen Monaten immer stärker an die Verlautbarungen Deutschlands angepasst und damit, ohne das ausdrücklich zu betonen, Position gegen französische Forderungen nach einer Aufweichung der Haushaltsdisziplin bezogen. In den Jahren 2010 und 2011 hatten ihre Äußerungen oft so geklungen, als seien die Ziele Wachstum und Budgetdisziplin Gegensätze und als habe Wachstum die höhere Priorität.

Nun sagt Obamas Sprecher Jay Carney, Amerika wolle „einen ausgewogenen Ansatz, der Austerität, die Berücksichtigung der fiskalischen Notwendigkeiten und die Aufgabe, Wachstum zu schaffen, umfasst“. Die Europäer seien „in der Lage, die Herausforderungen zu überwinden; sie haben wichtige Schritte eingeleitet und müssen das fortsetzen“. Auf die Nachfrage, was er konkret meine, sagte Carney: „den Aufbau einer Brandmauer, die gegen die vor uns liegenden Risiken schützt, und in mehreren Ländern die Bereitschaft zu Reformen“. Staatliche Konjunkturprogramme erwähnte er nicht.

Kanzlerin Angela Merkel gab den US- Fernsehsendern CNBC und CNN Interviews. US-Medien griffen daraus vor allem den Hinweis auf, dass man bestehende EU-Programme als Wachstumshilfe in Griechenland nutzen könne. Das bedeutet für Eingeweihte, dass sie keine neuen Konjunkturprogramme für nötig hält. Da die Regional- und Strukturfonds der EU in den USA kaum bekannt sind, interpretierten viele US-Medien Merkels Aussage so, als sei sie bereit, ihre bisherige Position aufzugeben und mehr Geld für Griechenland bereitzustellen. Die „Washington Post“ analysiert dagegen, Frankreichs Präsident Hollande werde beim G-8-Gipfel „auf Skepsis stoßen, falls er den Wunsch nach staatlich finanzierten Wachstumsprogrammen äußert“.

Wladimir Putins Absage hat Verwunderung in den USA ausgelöst. Obama hatte das Treffen ihm zuliebe vom Nato-Gipfel getrennt und nach Camp David gelegt, um zu vermeiden, dass strittige Themen wie die Raketenabwehr die öffentliche Wahrnehmung dominieren. Aus der selben Überlegung wurde der Nato-Russland-Rat einvernehmlich abgesagt. Aus Sicht Amerikas gibt es derzeit eine gute Kooperation. In den Monaten, in denen Pakistan seine Nachschubwege für die Nato-Truppen in Afghanistan sperrte, hat Russland stillschweigend die Versorgung über sein Territorium ermöglicht. Putins Absage wird in Amerika mit den überraschend starken Protesten gegen seine Amtseinführung erklärt. In Vertretung kommt der neue Premier Medwedew.

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