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Angespannte Stimmung in Athen: Karolos Papoulias.

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Euro-Krise: Spiel mit dem Feuer - Anti-deutscher Ton verschärft sich

Griechenlands Staatschef Papoulias poltert gegen Wolfgang Schäuble – und die Hellenen fühlen sich von Deutschland im Stich gelassen. Der anti-deutsche Ton in Griechenland wird rauer.

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Griechenlands Staatsoberhaupt hat zwar nur repräsentative Kompetenzen, aber wenn Präsident Karolos Papoulias spricht, merkt man auf. Das war besonders am Mittwoch so, als der 82-jährige Papoulias anlässlich eines Besuchs im Athener Verteidigungsministerium seinem Ärger Luft machte: „Wer ist denn Herr Schäuble, der Griechenland beleidigen kann?“, fragte Papoulias sichtlich erregt. Der griechische Staatspräsident spielte damit offenbar auf ein Rundfunkinterview an, in dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kurz zuvor tiefes Misstrauen gegenüber den griechischen Sparversprechen erkennen ließ: Man könne sich nicht sicher sein, ob Griechenland zu dem stehe, was es jetzt verspreche. Der Finanzminister bezeichnete die für April geplanten Parlamentswahlen in Griechenland als „sehr bedenklich“ und regte an, in Athen eine Technokratenregierung nach italienischem Vorbild einzusetzen.

Papoulias’ Worte haben umso mehr Gewicht, als sein Lebensweg eng mit Deutschland verwoben ist: Als 14-Jähriger schloss er sich in seiner nordgriechischen Heimat Epirus den Partisanen an, die gegen die deutschen Besatzer kämpften. Aus dem Widerstandskämpfer gegen die Wehrmacht wurde später ein Freund der Deutschen: Papoulias studierte in München Jura und promovierte in Köln bei dem renommierten Rechtswissenschaftler Gerhard Kegel. In Deutschland fand Papoulias während der Obristendiktatur Asyl. Als Mitarbeiter des griechischen Programms der Deutschen Welle war er in jenen Jahren für viele Griechen in der Heimat eine ermutigende Stimme der Freiheit.

Nicht nur Papoulias ist empört über Schäuble. Auch die frühere griechische Außenministerin Dora Bakogianni, die während der Militärdiktatur unter anderem in München lebte, meldete sich am Donnerstag zu Wort: „Es hilft uns Griechen nicht, wenn Herr Schäuble uns sagt, was für eine Regierung wir haben sollen“, sagte Bakogianni im Deutschlandradio. Griechenland habe trotz aller Versäumnisse Respekt verdient. „Könnte sich ein Land in Europa vorstellen, den Deutschen zu diktieren, was für eine Regierung sie haben werden? So weit geht es ja nicht!“, sagte die Politikerin. „Aussagen, die Griechenland beleidigen, helfen nur den Kommunisten und den Ultrarechten“, nicht aber den pro-europäischen Kräften, warnte Bakogianni.

Doch in Griechenland beginnt sich ohnehin der Eindruck durchzusetzen, dass es einigen Partnern gar nicht mehr darum geht, Griechenland an Europa zu binden. Darauf hob am Mittwoch bereits Finanzminister Evangelos Venizelos ab: „In Europa spielen manche mit dem Feuer“, sagte Venizelos, „etliche wollen uns nicht mehr in der Euro-Zone.“

"Was wollen die Deutschen?"

Immer mehr Griechen teilen diese Befürchtung. „Was wollen die Deutschen?“, fragte am Donnerstag Griechenlands größte Zeitung „Ta Nea“ in der Titelschlagzeile. Das Blatt äußerte den Verdacht, Berlin zögere die neuen Hilfskredite jetzt hinaus, um sich auf eine Griechenlandpleite vorzubereiten und das Land dann fallen zu lassen. Auch die seriöse Zeitung „Kathimerini“ schrieb, Schäubles „harte Linie“ werfe „berechtigte Fragen nach der Strategie Deutschlands in der Schuldenkrise auf“. Berlin arbeite auf einen Bankrott Griechenlands hin, um sich „von einer Last zu befreien“, argwöhnt die Zeitung.

Griechenlands Boulevardblätter griffen zu härteren Formulierungen: „Schäubles Junta“ lautete die Titelschlagzeile der Zeitung „Eleftheros Typos“. Unterzeile: „So will der deutsche Finanzminister die griechischen Wahlen vereiteln“. In seinem Leitartikel, der die Überschrift „Deutsches Elend“ trägt, kommentiert das Blatt: „Gerade jener Politiker, dessen Spardiktate die griechische Gesellschaft in Armut und Verzweiflung treiben, hat kein Recht, so zu reden.“ Noch schärfere Töne schlug die Zeitung „Dimokratia“ an: „In die Gaskammer“ würden die Griechen geschickt, lautet die Titelschlagzeile. „Schäuble gießt Benzin ins Feuer der sozialen Explosion, er verbietet uns zu wählen und ordnet die Bildung einer Technokratenregierung an.“

In griechischen Regierungskreisen war man bemüht, die Wogen zu glätten und die Kontroverse nicht noch weiter anzuheizen. Eine offizielle Äußerung zu dem Schlagabtausch gab es zunächst nicht. Aber Irritation ist spürbar: Über Wahlen entscheide man immer noch selbst, und auch die griechische Regierung werde in Athen gebildet, nicht in Berlin, heißt es in diplomatischen Kreisen.

Dort, in Berlin, löste der Schlagabtausch nur ein gedämpftes Echo aus, was vermutlich eher kalendarische als politische Gründe hat: Parlamentarier nutzen die Zeit um Karneval herum traditionell zu Reisen und für die Wahlkreisarbeit. Nur die Euro-Skeptiker aus der Koalition meldeten sich zu Wort. Der FDP-Rebell Frank Schäffler tat es mit Kritik: Die Politik der letzten zwei Jahre sei ja auch „sehr oberlehrerhaft“ gewesen, sagte Schäffler. Niemand könne die Griechen zu ihrem Glück zwingen, fügt er im Sender N24 noch an – um ihnen anschließend nahezulegen, aus der Euro-Zone auszutreten.

Bei der Union nahm Wolfgang Bosbach den Minister in Schutz, dessen Euro-Rettungskurs der CDU-Abgeordnete ansonsten ablehnt. „Das ist ein neuer negativer Höhepunkt der Kritik an Deutschland und anderen stabilitätsorientierten Ländern in der Euro-Zone“, schimpfte Bosbach. Und gerade Schäuble gegenüber sei sie ungerecht – der habe sich immer bemüht zu helfen. Uneigennützig ist derlei Verteidigung allerdings auch nicht. Schäubles Skepsis gegenüber den Griechen spielt dem Skeptiker in die Hand. Wenn der Finanzminister sage, dass er kein Geld in ein Fass ohne Boden schütten wolle, „dann hat er in der Sache völlig recht“, fügte der Unionsabgeordnete denn auch an.

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