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Zum dritten Mal innerhalb von drei Wochen beraten die Euro-Finanzminister an diesem Montag über Griechenlands Schulden.

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Update

Eurokrise: Bundesregierung gegen öffentlichen Schuldenschnitt für Griechen

Zum dritten Mal innerhalb von drei Wochen suchen die Euro-Finanzminister an diesem Montag nach einer Lösung für Griechenlands Schulden. Einen Schnitt mit öffentlichen Geldern lehnt Deutschland ab, doch die Zahl der Befürworter wächst

Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister zur Lage in Griechenland am Montag in Brüssel hat der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle, einen Schuldenschnitt mit öffentlichen Geldern erneut abgelehnt. „Dies hätte fatale Wirkung auf die anderen Länder des Euro-Rettungsprogramms - auf Irland, Spanien, Portugal und demnächst auch Zypern“, sagte der CDU-Politiker am Sonntag „Spiegel Online“. „Ich befürchte unter anderem ein Nachlassen in den Reformanstrengungen“, fügte Barthle hinzu.

Zugleich verwies der CDU-Politiker bei einem Schuldenschnitt mit öffentlichen Geldern auf das nationale deutsche Haushaltsrecht. „Gewährleistungen für Kredite darf der Bundestag nur übernehmen, wenn er sicher ist, dass es nicht zu Zahlungsausfällen kommt“, sagte Barthle. Bei einem ersten Schuldenschnitt Griechenlands Anfang des Jahres wurden lediglich private Gläubiger herangezogen.

Die Euro-Finanzminister kommen zum dritten Mal innerhalb von drei Wochen zusammen, um eine Lösung für die Schuldenprobleme Griechenlands zu finden. Die Eurogruppe sucht derzeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Wegen, eine weitere Finanzierungslücke in Milliardenhöhe zu füllen. Zudem muss geklärt werden, bis wann das krisengeschüttelte Land seinen Schuldenberg auf ein tragbares Maß abbauen muss. Die Regierung in Athen hofft außerdem auf die Freigabe einer weiteren Milliarden-Tranche aus dem laufenden Hilfsprogramm. Ohne die Zahlungen der internationalen Geldgeber droht dem Land die Pleite.

Trotz des Widerstands aus Deutschland und anderen Euro-Staaten wird weiter über einen öffentlichen Schuldenschnitt für Griechenland diskutiert. Sonst – so die Befürworter – sei die überbordende Staatsverschuldung des Landes nicht in den Griff zu bekommen. Der „Spiegel“ berichtet, die Europäische Zentralbank (EZB) und der IWF plädierten für einen radikalen Schuldenschnitt in Griechenland. Dabei solle die absehbare Staatsverschuldung des Landes bis 2020 von 144 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 70 Prozent gedrückt werden.

Dazu müssten die Geberländer Griechenlands auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Beide Organisationen hielten einen solchen Schritt für unausweichlich, wenn Griechenland in absehbarer Zeit wieder auf eigenen Beinen stehen soll.

Die Proteste in Athen reißen nicht ab.
Die Proteste in Athen reißen nicht ab.

© AFP

Die Bundesregierung will einen Forderungsverzicht unbedingt vermeiden, der Deutschland Milliarden kosten würde. Stattdessen setzt sie darauf, die Zinsen für die Hilfskredite an Athen zu senken. An diesem Montag beraten die Euro-Finanzminister, mit welchen Maßnahmen die Lücke im laufenden zweiten Hilfsprogramm für Griechenland geschlossen werden soll.

Massive Folgen für die Bevölkerung

Die Krise in Griechenland hat immer massivere Folgen für die Menschen. Nach Angaben der staatlichen Arbeitsverwaltung gingen im Monat Oktober 50 473 Arbeitsplätze verloren, fast 1630 pro Tag. Das ist der steilste Anstieg seit Beginn der Rezession vor fünf Jahren. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit ist auch darauf zurückzuführen, dass nach dem Ende der Urlaubssaison im Oktober viele Hotels und Tourismusbetriebe geschlossen haben.

Seit dem Beginn der wirtschaftlichen Talfahrt im vierten Quartal 2008 hat Griechenland bereits ein Fünftel seiner Wirtschaftskraft eingebüßt. Nach einer Studie der National Bank of Greece (NBG) hat bereits jeder dritte Beschäftigte in der Privatwirtschaft seinen Job verloren.

Auf Druck der Troika muss Griechenland in den nächsten zwei Jahren auch Zehntausende Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Das dürfte die Arbeitslosenquote, die im August bei 25,4 Prozent lag, weiter steigen lassen. Unter den bis zu 24-jährigen Griechen beträgt die Quote bereits 58 Prozent.

Nur jeder siebte Arbeitslose in Griechenland bekommt staatliche Unterstützung. Das Arbeitslosengeld von 360 Euro im Monat wird maximal ein Jahr lang gezahlt. Danach sind die Arbeitslosen auf sich selbst gestellt. Eine Sozialhilfe oder Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht. In Griechenland ist es deshalb nur ein kleiner Schritt von der Arbeitslosigkeit in die Armut und Obdachlosigkeit.

Allein in den Armenspeisungen der orthodoxen Kirche werden Tag für Tag rund 250 000 Menschen verköstigt, die sich keine eigene Mahlzeit mehr leisten können. Nach Berechnungen der Statistikbehörde Elstat leben 2,34 Millionen Griechen unter der Armutsgrenze – fast ein Viertel der Bevölkerung.

Aber auch wer noch Arbeit hat, bekommt die Krise zu spüren. Nach Berechnungen der NBG-Volkswirte sind die Durchschnittseinkommen im Laufe der Krise um 22 Prozent zurückgegangen. Allein vom zweiten Quartal 2011 bis zum zweiten Quartal 2012 betrug die Einbuße bei den verfügbaren Einkommen 13,6 Prozent. Für 2013 erwarten die Fachleute einen weiteren Rückgang der Löhne und Gehälter um sechs Prozent.

Zusätzlich geschmälert werden die Einkommen durch massive Steuererhöhungen. Die Mehrwertsteuer stieg seit Ende 2009 von 19 auf 23 Prozent. Heizöl ist in diesem Winter aufgrund höherer Besteuerung rund ein Drittel teurer als vor einem Jahr. In vielen Mietshäusern werden deshalb die Zentralheizungen gar nicht mehr in Betrieb genommen. Brennstoffhändler berichten, der Heizölabsatz sei gegenüber dem Vorjahr um bis zu 80 Prozent zurückgegangen.

Während das Land ins sechste Jahr der Rezession geht und die Experten frühestens 2014 mit der Rückkehr zu einem nennenswerten Wirtschaftswachstum rechnen, verlieren immer mehr Menschen die Hoffnung. Abzulesen ist das an der stark steigenden Zahl von Selbstmorden. In den ersten Monaten dieses Jahres registrierte die Polizei 690 versuchte oder vollzogene Selbsttötungen – mehr als im ganzen Jahr 2009, als 677 Fälle gezählt wurden. (mit AFP/dpa)

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