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Die Kinder bleiben zu Hause - des Geldes wegen. Das gilt der Umfrage nach für mehr die Hälfte der Eltern ohne Ausbildung oder mit Hauptschulabschluss.

© dpa

Familienpolitik: Studie: Betreuungsgeld hält von Kita ab

Eine Umfrage bei mehr als 100 000 Eltern bestätigt die Kritiker des Betreuungsgeldes: Die Geldprämie setzt bei bildungsfernen Eltern und Migranten falsche Anreize, Kleinkinder nicht in die Kita zu schicken. Ministerin Schwesig setzt deshalb auf andere Schwerpunkte.

Von Michael Schmidt

Das vor einem Jahr eingeführte Betreuungsgeld hält einen nicht unerheblichen Teil von Migrantenfamilien und bildungsfernen Eltern offensichtlich davon ab, ihre Kleinkinder in eine Kita zu schicken. Dies ist das Ergebnis einer großen Umfrage des Deutschen Jugendinstituts und der Universität Dortmund mit mehr als 100 000 Elternpaaren, die Kinder unter drei Jahren haben. Demnach stellt das Betreuungsgeld besonders für sozial benachteiligte Familien einen Anreiz dar, kein staatliches Angebot frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung zu nutzen mit dem Titel „Kommunale Bedarfserhebungen – Der regionalspezifische Betreuungsbedarf U3 und seine Bedingungsfaktoren“.

Geld ist Hindernis für 54 Prozent der wenig gebildeten Eltern

Die Studie der Wissenschaftler bestätigt damit die Kritiker des noch von der schwarz-gelben Vorgängerregierung beschlossenen Betreuungsgeldes. Es war auf maßgeblichen Druck der CSU eingeführt worden. SPD und Grüne erneuerten am Wochenende ihre Vorbehalte. Die CSU – in Bayern wurde das Betreuungsgeld am häufigsten nachgefragt – wies die Vorwürfe noch einmal zurück. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), bekennende Betreuungsgeld-Skeptikerin, setzt andere Schwerpunkte. Sie fördere, wie eine Ministeriumssprecherin dem Tagesspiegel sagte, lieber „mit dem ElterngeldPlus beides: Mehr Zeit für die Familie zu haben aber auch für den Beruf“. Entschieden, sagte die Sprecherin, werde über das Betreuungsgeld vor dem Bundesverfassungsgericht: In Karlsruhe läuft noch eine Klage der Hansestadt Hamburg gegen die Familienleistung.

Seit August 2013 erhalten Eltern, die für ihre Kleinkinder weder einen Kita-Platz noch eine Tagesmutter in Anspruch nehmen, vom 15. Lebensmonat bis zum dritten Lebensjahr monatlich 100 Euro. Ab 1.August dieses Jahres werden es 150 Euro sein. In der Studie nannten von jenen Eltern, die keine Berufsausbildung oder nur einen Hauptschulabschluss haben, 54 Prozent das Betreuungsgeld als Grund dafür, dass sie ihre Kleinkinder nicht in eine Kita schicken. Bei Familien mit mittlerer Reife reduziert sich dieser Anteil auf 14 Prozent, bei Akademikern gar auf 8 Prozent. Von den Familien mit Migrationshintergrund, die keine Betreuung wünschten, führten 25 Prozent das Betreuungsgeld als Begründung an. Bei deutschstämmigen Familien lag dieser Anteil lediglich bei 13 Prozent.

CSU-Politikerin: Ideologischer Tiefstschlag

Die Autoren schreiben, dass das Betreuungsgeld zu einer sozial ungleichen Inanspruchnahme von frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung beiträgt. Die Geldprämie setze gerade bei jenen Familien falsche Anreize, für deren Kinder frühkindliche Bildungsangebote und Sprachförderung besonders wichtig seien.

Die Chefin der bayerischen Staatskanzlei, Christine Haderthauer, wies die Kritik am Betreuungsgeld zurück. „Bei Ein- und Zweijährigen eine Besser-/Schlechter-Diskussion zwischen Elternzuwendung und Kita anzuzetteln, ist ein ideologischer Tiefschlag sondersgleichen gegen alle Eltern von Kleinkindern“, sagte die CSU-Politikerin. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bezeichnete das  Betreuungsgeld als „Erfolgsgeschichte.“ Es gebe keine Indizien dafür, dass hauptsächlich arme Einwandererfamilien das Geld beantragten. In Bayern werde das Betreuungsgeld von allen Einkommensschichten bezogen und von deutschen wie nichtdeutschen Eltern.

Hingegen sieht sich Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) in seiner Kritik bestätigt. Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern und von Migranten werde der Zugang zu frühkindlicher Bildung verwehrt. „Gerade bei der Sprachförderung zeigt sich, wie wertvoll die Betreuung und Bildung in einer Kita ist.“ 

Auch die rot-grüne Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen erneuerte ihre Kritik. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass das Betreuungsgeld am Bedarf der Familien vorbeigeht“, sagte die Landtags-Fraktionsvize Britta Altenkamp (SPD). Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Sigrid Beer, fügte hinzu: „Erwiesen ist, dass das Betreuungsgeld die Bildungsungleichheit verschärft und damit falsche Anreize setzt.“

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