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Wirtschaftsverbände machen mobil gegen die geplanten Änderungen bei der Erbschaftssteuer.

© dpa/ Jens Büttner

Familienunternehmen und Erbschaftssteuer: Deutschlands Oligarchen genießen ein Milliardenprivileg

Um die von der Erbschaftssteuer bedrohten Unternehmenserben wird ein bizarrer Kult veranstaltet. Dabei würde sich nach den Plänen von Wolfgang Schäuble für 98 Prozent aller Unternehmen gar nichts ändern.

Eine solche Kampagne gab es noch nie. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schwinge „die Axt gegen die Familienunternehmen“, tönt Lutz Goebel, Chef des Verbandes der Unternehmerfamilien. Der Anschlag treffe mehr als 13 000 Firmen mit fast 40 Prozent aller Arbeitnehmer, alarmiert das Forschungsinstitut der Arbeitgeber. Die Regierung attackiere das „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“, warnt Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI. Und Bayerns Finanzminister Markus Söder zeiht seinen Bundeskollegen gar des „Sozialismus“.

Droht also der große Niedergang? Gewiss nicht. Aber Deutschlands Wirtschaftselite und ihre politischen Vasallen wollen die Anpassung der Erbschaftsteuer an das Grundgesetz verhindern. Dafür sind offenbar alle Mittel recht.

Steinbrücks Erbschaftssteuer ist ein (Geld-)Adelsprivileg

Schuld ist der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück. Er ließ 2009 das (Geld-)Adelsprivileg wiederherstellen. Seitdem müssen die Erben von Unternehmen keine Steuer auf ihr Erbe zahlen, wenn sie die Firmen ein paar Jahre behalten. Darum werden selbst Milliardenkonzerne steuerfrei vererbt, und im Ergebnis entgehen dem Fiskus nach Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jährlich zehn Milliarden Euro – so viel, wie Deutschlands Kommunen bräuchten, um den Verfall ihrer Infrastruktur aufzuhalten.

Die Erhebung der Erbschaftsteuer von bis zu 30 Prozent würde die Unternehmen schwächen und Jobs gefährden, hieß es damals zur Begründung. Dafür gab es zwar keinerlei Beleg, zumal die Steuer bei Bedarf gestundet wurde. Umso klarer aber verstieß diese Begünstigung der Unternehmernachfahren gegenüber anderen Erben gegen das Grundgesetz, wie im Dezember das Bundesverfassungsgericht urteilte. Dabei gestanden die Richter dem Gesetzgeber durchaus zu, bei „kleineren Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden“, die Erben von der Steuer freizustellen. Aber bei größeren Unternehmen müsse es eine „Bedürfnisprüfung“ geben.

Selbst eine 60-Millionen-Euro-Firma bliebe steuerfrei

So milde wie das Urteil ist, so milde will Schäuble es umsetzen. Demnach sollen die Erben auch künftig bis zum Wert von 20 Millionen Euro pro Kopf Unternehmen steuerfrei übernehmen können, wenn sie die Jobs erhalten. Bei drei Kindern bleibt da selbst eine 60-Millionen-Euro-Firma steuerfrei in der Familie. Für 98 Prozent aller Unternehmen würde sich also gar nichts ändern. Im Schnitt würde bei gerade mal 50 Personen pro Jahr die Prüfung überhaupt fällig. Und sogar diese Superreichen sollen auf den Wert der geerbten Unternehmen nur höchstens so viel Steuer bezahlen, wie die Hälfte ihres übrigen Privatvermögens ausmacht – eine mehr als großzügige Regelung, die gewiss keinen Arbeitsplatz kostet.

Es geht also gar nicht um die Jobs bei Familienunternehmen. In Wahrheit geht es um das Privileg der Steuerfreiheit von ein paar hundert Unternehmerfamilien, die große und meist auch viele Firmen besitzen. Deren steuerfreie Weitergabe spricht allen Reden von der Leistungsgesellschaft Hohn. In den meisten Fällen handelt es sich um Erben in der dritten oder höheren Generation wie den Quandts, Henkels, Haniels, Porsches oder Reimanns, die wie Stammesclans ganze Firmenimperien verwalten. Allein die neunzig reichsten deutschen Unternehmerfamilien halten ein Vermögen von 320 Milliarden Euro, ermittelten Forscher der Universität St. Gallen – ein Phänomen, das in Griechenland oder Russland gern „Oligarchie“ genannt wird.

Der inszenierte Kult um die von der Erbschaftsteuer gebeutelten Unternehmer ist bizarr

Vor diesem Hintergrund ist der inszenierte Kult um die von der Erbschaftsteuer gebeutelten Unternehmer bizarr. Nicht nur sind die Schreckenszahlen der Verbändelobby purer Klamauk. Zugleich spielt die ganze politische Führung mit. Die grün-roten Reichtumspfleger in Stuttgart fordern gar die Erhöhung der Freigrenze auf 100 Millionen Euro.

Dabei warnen Sozialwissenschaftler wie der Starökonom Thomas Piketty seit Langem, dass die Ungleichverteilung stetig zunimmt, wenn der Staat nicht dagegenhält. Auch hierzulande vereinen die oberen 0,1 Prozent nach Schätzung des DIW bereits 15 Prozent aller Vermögen auf sich. Die Folge sei, dass sich auch immer mehr Macht in den Händen dieser Geldelite konzentriere, mahnte jüngst auch der Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman.

Dass Deutschlands Regierende es nicht mehr wagen, dieser schleichenden Re-Feudalisierung entgegenzutreten oder zumindest die irreführende Kampagne gegen Schäubles Minireform zurückzuweisen, ist ein erschreckender Beleg für Krugmans These.

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