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Der SPD-Politiker Sebastian Edathy leitete den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

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Fazit beim NSU-Ausschuss: „Das war eines Rechtsstaats unwürdig“

Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses Sebastian Edathy spricht bei der letzten Sitzung von einem Totalversagen der Behörden. Die Ombudsfrau Barbara John forderte Konsequenzen aus den Versäumnissen.

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Bei seiner Abschlusssitzung nach fast 16 Monaten Arbeit hat der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages den deutschen Sicherheitsbehörden Totalversagen vorgeworfen. Im Fall der rechtsextremen Terrorzelle NSU hätten Polizei und Nachrichtendienste vorurteilsbeladen und mit Scheuklappen ermittelt, sagte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) am Donnerstag zum Auftakt der letzten öffentlichen Sitzung des Gremiums in Berlin. „Das war eines Rechtsstaats unwürdig.“

Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern hätten sich nicht ausreichend ausgetauscht und die Gefahr durch den Rechtsextremismus massiv unterschätzt, sagte Edathy. Experten aus Wissenschaft, Polizeiausbildung und Zivilgesellschaft forderten eine zentrale Koordinierungsstelle für Initiativen gegen Rechtsextremismus, mehr Programme für Aussteiger aus der rechten Szene und mehr Sensibilisierung angehender Polizisten für Gefahren durch Rechtsradikalismus. Im August soll der Abschlussbericht präsentiert werden, der im September im Bundestagsplenum diskutiert werden soll.

Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Angehörigen der NSU-Opfer, Barbara John, forderte Konsequenzen aus den Versäumnissen. In der Ausschusssitzung am Donnerstag plädierte John unter anderem für die Gründung eines Instituts gegen Rassismus. Sie verlangte interne Qualitätsstandards in den Sicherheitsbehörden, um etwas gegen die mangelnde Zusammenarbeit der Ämter zu tun. Um individuellen Fehlern – wie Duckmäusertum und Vorurteilen in den Behörden – nachzugehen, müsse eine Studie auf den Weg gebracht werden. Außerdem forderte John die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle für Beschwerden über Fehlverhalten der Polizei. Sie plädierte für die Gründung einer Stiftung zur Erinnerung an den rechten Terror. Die Angehörigen der NSU-Opfer sollten dort eingebunden sein. Nötig sei eine zentrale Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt und eine Stelle zur Dokumentation solcher Taten. Außerdem warb sie dafür, alle Unterlagen des Untersuchungsausschusses zu archivieren und zu Weiterbildung und weiterer Auswertung zu nutzen.

In der Türkei wurde der Untersuchungsausschuss als ehrlicher Versuch gewertet, den Hintergründen des NSU-Komplexes auf den Grund zu gehen. Positiv aufgenommen wurde auch die Ankündigung Edathys, den Untersuchungsbericht des Ausschusses nicht nur in deutscher, sondern auch in türkischer Sprache zu veröffentlichen. Edathy war mehrmals mit führenden Menschenrechtspolitikern des türkischen Parlamentes zusammengekommen und hatte diese auch zum Ausschuss nach Berlin eingeladen.

Im NSU-Prozess in München kündigten die Angeklagten Holger G. und Carsten S. am Donnerstag an, vor Gericht auszusagen. Die Anwälte von Beate Zschäpe erklärten hingegen erneut, dass ihre Mandantin keine Aussage machen werde. Der Prozess um die Terroranschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ wurde anschließend unterbrochen und soll nach den Pfingstferien am 4. Juni fortgesetzt werden. (mit dpa)

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