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Zielstrebig: der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman.

© Fayez Nureldine/AFP

Update

Festnahmen von Prinzen und Ministern: Saudischer Kronprinz schaltet dutzende ranghohe Kritiker aus

Offiziell geht es um den Kampf gegen Korruption. Doch der 32-jährige Thronfolger will vor allem seine Macht ausbauen - durch Festnahmen von Prinzen und Ministern.

Der neue saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman festigt seine Macht: Elf Prinzen, vier Minister und dutzende Ex-Minister wurden am Samstag laut einem Bericht des TV-Senders Al-Arabija festgenommen, darunter ein mächtiger Geschäftsmann. Die Kommandeure von Nationalgarde und Marine sowie der Wirtschaftsminister wurden ersetzt. In einer amtlichen Erklärung hieß es, "einige schwache Seelen" hätten ihre Interessen über die Interessen der Öffentlichkeit gestellt, "um illegal Gelder anzuhäufen". Die Festnahmen erfolgten kurz nach der Einsetzung einer Anti-Korruptions-Kommission, die der einflussreiche Kronprinz leitet.

Unter den Festgenommenen war nach Berichten regierungsnaher Medien auch der Milliardär Al-Walid bin Talal. Der 62-Jährige gilt als einer der einflussreichsten Geschäftsleute im Nahen Osten. Prinz Walid, ein Enkel des Staatsgründers Ibn Saudi, ist dem Magazin „Forbes“ zufolge mit etwa 16 Milliarden Euro Vermögen der reichste Mann der arabischen Welt. Sein Geld hat er mit einem Immobilienimperium gemacht. Ihm gehören über seine Kingdom Holding unter anderem zahlreiche Luxushotels wie das George V in Paris oder das Savoy in London. Auch am Kurznachrichtendienst Twitter ist er beteiligt. Die Aktien seiner Kingdom Holding stürzten am Sonntag an der saudi-arabischen Börse um fast zehn Prozent ab.

Um die Flucht von Verdächtigen zu verhindern, hatten Sicherheitskräfte in der Hafenstadt Dschiddah Privatjets am Boden festgehalten, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Luftfahrtkreisen erfuhr. Details zu den Festnahmen wurden offiziell nicht bekannt gegeben. Finanzminister Mohammed al-Dschadaan sagte der amtlichen Nachrichtenagentur SPA zufolge, das Königreich läute damit "eine neue Ära" ein sowie eine "Politik der Transparenz, Klarheit und Rechenschaft": "Die entschlossenen Entscheidungen werden das Investitionsklima und das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit erhalten." Der oberste Rat der saudi-arabischen Kleriker bezeichnete den Einsatz gegen Korruption als "wichtig" und erteilte dem Vorgehen damit die religiöse Legitimation.

Experte: Nie zuvor so viele Festnahmen in Saudi-Arabien

Am Samstagabend war die neue Anti-Korruptions-Kommission per königlichem Dekret eingesetzt worden. Laut SPA ist deren Ziel, "öffentliche Gelder zu erhalten" sowie "korrupte Menschen und solche, die ihre Position ausnutzen zu bestrafen". Mit der Entlassung des Chefs der Nationalgarde, Prinz Miteb bin Abdullah, festigt der 32-jährige Kronprinz seine Kontrolle über die Sicherheitskräfte.

Nie zuvor in der saudi-arabischen Geschichte habe es ein so großes Ausmaß an Festnahmen gegeben, sagte Kristian Ulrichsen von der Rice University in Texas. Sollte sich die Festnahme des Milliardärs bin Talal bestätigen, dürfte dies nach Einschätzung des Wissenschaftlers "Schockwellen durch die heimische und internationale Geschäftswelt aussenden".

Bereits im September hatten die Behörden des Königreichs rund zwei dutzend Menschen festgenommen, darunter einflussreiche Geistliche. Der im Juni zum Kronprinzen ernannte Sohn des 81-jährigen Königs Salman plant umfassende Reformen. Nach seiner Ernennung hatte er einen Modernisierungskurs angekündigt. Ende Oktober stellte er bei einem Wirtschaftsforum in Riad eine Abkehr seines Landes von ultrakonservativen Religionsprinzipien in Aussicht. So wurde Ende September überraschend ein Ende des Autofahr-Verbots für Frauen ab Juni kommenden Jahres in Aussicht gestellt.

König Salman Anfang Oktober bei einem Besuch in Moskau.
König Salman Anfang Oktober bei einem Besuch in Moskau.

© Alexander Nemenov/AFP

Saudi-Arabien wird vom Wahhabismus geprägt, einer besonders strengen und traditionellen Lesart des Islam. Das Herrscherhaus der al-Saud hatte bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ein Bündnis mit wahhabitischen Religionsgelehrten geschlossen, das bis heute Bestand hat und den Gelehrten weitreichenden Einfluss auf Religions- und Lebenspraxis in Saudi-Arabien gewährt.

Kronprinz Mohammed gilt bereits als De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens. Er dürfte das Ziel haben, bis zu seiner endgültigen Machtübernahme alle Widersacher aus dem Weg zu räumen. Die Maßnahmen vom Samstag betreffen Beobachtern zufolge nicht nur Kritiker seines Modernisierungskurses. Viele der Festgenommenen lehnen auch seinen rigiden außenpolitischen Kurs ab, der den Boykott des Golfemirats Katar einschließt. (AFP, dpa)

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