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Mit den Habseligkeiten ins Zelt. Flüchtlinge müssen oft zunächst behelfsmäßig untergebracht werden.

© Jens Wolf/dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Bundesamt für Migration rechnet mit 600.000 Schutzsuchende 2015

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Und überall fehlen geeignete Unterkünfte. Zelte können nur eine Notlösung sein, sagt das Rote Kreuz. Und der Berliner Flüchtlingsrat fordert, das Problem zur Chefsache zu erklären.

Die Lage bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland verschärft sich zunehmend. Überall fehlen geeignete Gebäude. Nun erwarten die Behörden noch weitaus mehr neuankommende Asylbewerber als bisher prognostiziert. Nach offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wird bis zum Jahresende bundesweit mit bis zu 500.000 Neuankömmlingen gerechnet. Nach Tagesspiegel-Informationen ist diese Vorhersage aber nicht zu halten: Das Bundesamt geht nun intern sogar von 600.000 Flüchtlingen aus. Berlin muss daher nach der üblichen Verteilungsregelung mit mindestens 30.000 Neuankömmlingen rechnen.
Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) spricht von zunehmenden Problemen bei der Unterbringung von Flüchtlingen, sieht die Nutzung von Zelten aber nur als Notlösung bis zum Herbst. Die Lage habe sich in den vergangenen Wochen dramatisch verschärft und könne sich im Herbst wetterbedingt zuspitzen, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters am Dienstag: "Ab Oktober sind Zelte als Unterkünfte nicht mehr möglich." Der Deutsche Städtetag erklärte, die Lage in den Kommunen werde immer schwieriger, ein Kollaps drohe aber nicht. Seit Monaten kommen immer mehr Flüchtlinge in Deutschland an.

Die Länderchefs, deren Behörden für die Unterbringung zuständig sind, fühlen sich mit der Lage überfordert und fordern mehr Hilfe vom Bund. Allein in Berlin werden Ende Juli innerhalb eines Monats mehr als 4000 Männer, Frauen und Kinder einen Asylantrag gestellt haben. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) fordert eine Kopfpauschale vom Bund für die Asylbewerber.

Der Berliner Flüchtlingsrat warnt davor, Asylbewerber in die Obdachlosigkeit zu entlassen. In Berlin eintreffende Asylsuchende würden derzeit von der Zentralen Asylaufnahmestelle des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit aufgefordert, sich mit den üblichen Gutscheinen selbst ein Hostel zu suchen, die Behörde helfe dabei nicht mehr. Viele Hostels sind aber voll.

Berlin wird vor allem im Sommer von vielen Touristen besucht. Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan hätten deshalb in Parks schlafen müssen, obwohl ihnen rechtlich ein Wohnplatz zustünde, kritisierten die Flüchtlingshelfer. In einem Brief an Müller verlangt der Flüchtlingsrat angesichts überforderter Ämter: "Erklären Sie das Thema zur Chefsache." Müllers Büro war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

"Wir diskutieren seit Jahren mit der Senatsverwaltung für Soziales, dem Lageso-Präsidenten Franz Allert und sitzen am Runden Tisch zur Versorgung von Flüchtlingen von Sozialsenator Czaja“, sagte Martina Mauer vom Flüchtlingsrat. "Aber es waren noch nie alle beteiligten Institutionen anwesend. Müller muss dringend für mehr Personal und bessere Zusammenarbeit sorgen." Die Personaldaten vieler Asylbewerber könnten wegen des Ansturms nicht aufgenommen werden. Die Bewerber müssten oft einen Monat später wieder vorsprechen.

Die Senatsverwaltung für Soziales zahlt bis dahin "neben einem Hostelgutschein auch einen Abschlag der ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen für ihre tägliche Versorgung". Wenn sich kein Hostelplatz finden ließe, sagte eine Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), sei nicht auszuschließen, dass es in Einzelfällen zu Obdachlosigkeit komme.

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